1987/88 geht es weiter mit der Granada-Serie, diesmal mit den Verfilmungen von The Sign of Four und The Hound of the Baskervilles, bei denen die Serie vom 50-Minuten-Format abweicht und den beiden Romanadaptionen Spielfilmlänge gewährt, und vier normalen Episoden. Den Überblick über alle Besprechungen der Granada-Serie findet ihr wie immer hier. Diesmal geht es nochmal näher um Jeremy Bretts Krankheit – weil ich ein Brett-Fangirl bin, aber vor allem weil sich dieser Faktor nun einfach nicht mehr von der Serie trennen lässt.
Ich habe bei der Besprechung der letzten Staffel schon erwähnt, dass Jeremy Bretts Gesundheit sich nach dem Tod seiner Frau deutlich verschlechterte; nun wird das alles langsam in der Serie sichtbar. Nach einem Zusammenbruch nach dem Dreh der letzten Staffel kam Brett in eine psychiatrische Klinik und eine Bipolare Störung wurde diagnostiziert, die verstärkt durch die Überarbeitung und die Trauer den Zusammenbruch ausgelöst hatte. Brett bekam Medikamente um die Krankheit zu bekämpfen und nach einigen Monaten Auszeit in der Klinik und dann bei Freund und Co-Star Edward Hardwicke stürzte er sich wieder in seine Rolle als Holmes. Auswirkungen auf die Serie hatte dies zum einen durch eine Verzögerung der nächsten Staffel und natürlich dadurch, dass man Brett die Krankheit auch ansieht: er sieht deutlich älter aus, sein Gewicht schwankt aufgrund der Medikamente immer wieder – und er stellte schreckliche Dinge mit seinen Haaren an. Gut, letzteres lag nur zum Teil an seiner Bipolaren Störung, und mehr daran, dass ihn das ständige Gelen seiner Haare auf die Nerven ging, außerdem ist es wirklich nur ein kleiner Punkt (und er wie es sich für die Granada-Serie gehört ist der Haarschnitt auch Vorlagengetreu, siehe diese Paget-Illustration) – aber ihr wisst ja, dass ich oberflächlich bin, und die kurzen Haare sind einfach nicht halb so schick wie die langen geschleckten Haare, die auch mal niedlich wuschelig waren.
An Bretts Holmes-Darstellung ändert seine Krankheit aber zum Glück wenig: Er wirkt vielleicht einen Tick weniger energisch, aber an der grundlegenden Interpretation der Figur verändert sich ja nichts, wenn er sich nun nicht mehr voller Elan auf den Boden wirft um Beweise zu suchen oder ohne sonderlichen Grund über Möbel springt. Es bleibt sowieso eine körperlich sehr aktive Darstellung, er klettert immer noch Regenrinnen herunter (Sign of Four) oder macht Verfolungsjagden zu Rad (Wisteria Lodge).
Wir werden nun Bretts Gesundheit in den nächsten Beiträgen weiterverfolgen – bis zum Ende der Serie, bis zu Bretts Tod. Das macht die Serie zusätzlich besonders eindringlich: In den ersten Staffeln verliebt man sich in Brett, nur um in späteren Staffeln zusehen zu müssen, wie er sich langsam seinem Tod nähert. Ich werde ein Häufchen Elend sein, wenn ich mit der Serie fertig bin – und dann My Fair Lady in Dauerschleife gucken…
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The Sign of Four
Die jährlich anonym zu einer jungen Frau geschickten Perlen führen zu einem deutlich größeren Rätsel. Die Geschichte ist interessant und schön rätselhaft, aber durch die Spielfilmlänge entstehen ein paar Längen (bspw die Bootsverfolgungsjagd). Hier bekommen wir auch eine größere Abweichung gegenüber der Vorlage: Watson darf Mary Morstan nicht heiraten, auch wenn sie ganz deutlich flirten, weil die Drehbuchautoren es einfacher fanden, wenn Watson weiterhin bei Holmes lebt.1
Watson und Mary flirten fröhlich drauf los (Watson sitzt sonst nie neben Damen!) und Holmes ist von der ganzen Sache so gelangweilt, dass er lieber seine Kleidung putzt.
Verschmitzter Blick, Zylinder und Strickschal – was will man mehr.
Aww, Wuschelfrisur, nachdem Holmes grad eine Perücke losgeworden ist. Genießt diesen Anblick, denn wir werden uns nun für eine ganze Weile von den langen Haaren verabschieden müssen.
Ich bin doch sicher nicht die Einzige, die die Schlussszene verdächtig findet, oder?
1) In früheren Episoden wird erwähnt, dass Watson ein Modellschiff baut, das in neben seinem Bett steht. Und wie wir sehen, steht das jetzt neben Holmes‘ Bett. Hmm.
2) Holmes, der so auf dem Bett hängt und Watsons Bemerkung über Marys Attraktivität mit einem müden “I hadn’t noticed” abtut? Zwischen den Zeilen steht da offensichtlich “Jetzt hör auf über das Mädl zu reden und komm ins Bett, Watson.”
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The Devil’s Foot
Aus unerklärlichen Gründen stirbt eine Frau offenbar in größter Panik, während ihre beiden Brüder im gleichen Raum wahnsinnig werden. Diese Geschichte besticht mit einer schön gruseligen Atmosphäre und ganz wunderbarer Holmes-Watson-Chemie, als die beiden Urlaub in Cornwall machen (ich mag es immer sehr, wenn die Serie uns hübsche Landschaftsaufnahmen bietet). Außerdem ist die Folge bemerkenswert als der Punkt in der Serie, an dem Bretts Holmes seinen Drogenkonsum aufgibt – und weil die Parallelen zwischen Holmes und Brett hier sehr deutlich sind.
“Dr Moore Agar insists you have a complete rest if you wish to avoid an absolute breakdown”
Man ist hin- und hergerissen zwischen Lächeln über den Deckenberg in den Holmes eingewickelt ist, und Schluchzen über die Ähnlichkeit zu Bretts Krankheit…
Und die Serie macht alles noch schlimmer, indem sie neue Dialoge einfügt:
Watson: “I suppose, death is always with us” - Holmes: “Quite so.”
Miep.
Zumindest werden wir immer wieder durch herzige Kostümentscheidungen aufgemuntert, die auch dafür sorgen, dass es Brett am Set schön warm hat.
Ja, Drogen sind schlecht, das macht diese Folge deutlich. Immerhin führt das zum ersten Mal der Serie dazu, dass Holmes Watson beim Vornamen nennt – Thi. Aber über die kurzen Haare werde ich nicht hinwegkommen…
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Silver Blaze
Ein bekanntes Rennpferd wurde gestohlen und sein Trainer ermordet. Ein faszinierender und auch sehr bekannter Fall mit interessanten Rätseln, Klassikern wie “the curious incident of the dog in the nighttime” und schöner Dartmoor-Atmosphäre
Invisible Kitten?
Ich liebe die Kostüme der Serie – ich versteh bloß nicht, warum Holmes’ grauer Landausflugmantel eine Kapuze braucht. Kapuzen unter Reverskrägen sehen seltsam aus.
Ich werde einfach nur noch Bilder von Holmes mit Hüten zeigen. Da sieht man zwar immer noch, wie er in den letzten Jahren gealtert ist, aber man kann sich zumindest lange Haare unter dem Hut vorstellen..
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Wisteria Lodge
Ein Mann kommt zu Holmes mit einem ungewöhnlichen Erlebnis und schon entwickelt es sich zum Mordfall. Der Regisseur übertreibt es diesmal ein wenig mit dem Einsatz von Spiegeln – wenn die gespiegelten Personen letztlich so klein sind, dass man sie nicht mehr erkennt, ist das alles etwas sinnlos. Generell finde ich diesen Fall eher schwach, aber es ist schön, mal einen Polizeibeamten zu haben, der es mit Holmes aufnehmen kann.
Egal, ob er alt und krank ist – Brett bleibt verdammt attraktiv mit diesem Funkeln in den Augen.
Hier hat Holmes mal seinen schwarzen Strickschal gegen einen grünen Schal eingetauscht. Ich mag Holmes mit Schal, in der nächsten Staffel bekommen wir das seltener zu sehen…
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The Bruce Partington Plans
Immens wichtige U-Boot-Pläne wurden gestohlen und ein junger Beamter, der Zugang zu den Plänen hatte, wird tot auf dem Bahngleis gefunden. Eine sehr spannende Geschichte von Nationaler Wichtigkeit(TM), mit dem zweiten Auftritt vom immer sehr willkommenen Mycroft Holmes und natürlich das bestens aufgelegten Holmes-Watson-Team.
Herrlicher kleiner Smirk – da vergeb ich Brett auch die Haare.
Tatorte lassen sich ganz eindeutig besser untersuchen, wenn man sich erstmal auf den Boden setzt.
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The Hound of the Baskervilles
Ein legendärer dämonischer Hund scheint die Familie der Baskervilles auszurotten. Watson ermittelt. Die wahrscheinlich berühmteste Sherlock-Holmes-Geschichte bekommt auch bei Granada Spielfilmlänge, das Drehbuch wirkt aber leider etwas zerfahren, weshalb über weite Strecken keine richtig gruselige, sondern eher irritierende Atmosphäre aufkommt, und die Special Effects lassen zu wünschen übrig. Aber Watson darf glänzen, der Henry Baskerville Darsteller ist sympathisch und Holmes wie immer gut.
Ich könnte eine ganze Serie nur mit Holmes und Watson in ihrer Wohnung gucken…
Sir Henry und Watson sind so knuffig, dass man die Abwesenheit von Holmes über weite Strecken der Handlung gut verschmerzt.
“It’s quite disgusting, Holmes”
Wahrscheinlich die beste Szene im ganzen Film.
Dramatischer Showdown – oder doch eine Hutmodenschau?
Und mit diesem Klassiker schließt diese Staffel und die Granada-Serie macht eine kleine Pause – zumindest im TV, während Brett und Hardwicke ihre Rollen eine Weile im Theater spielen. Wir sehen uns dann wieder in den 90ern.
- Ich gönn unserm Watson aber etwas Eheglück, also dürfen sie in meinem Kopf heiraten und Watson ist in zukünftigen Folgen halt immer bei Holmes, weil Mary grad ihre Familie besucht. Oder so.