Wie schon bei Case-Book hält man sich auch in dieser Staffel nicht mehr so streng an die Vorlagen von Arthur Conan Doyle, es wird erweitert und geändert und im Fall von Mazarin Stone sogar zwei Geschichten miteinander verschmolzen. Dadurch entsteht mehr Handlung, was etwas weniger Platz für meine geliebten Holmes-Watson-Szenen lässt – auf die natürich auch so nicht komplett verzichtet wird. Im Vergleich zu den Staffeln zu Beginn der Serie fallen die Episoden zwar etwas ab, aber zumindest gibt es keine schlechten Folgen.Und in ihren besten Momenten kann diese letzte Staffel auch noch so richtig glänzen: The Dying Detective und The Cardboard Box sind wunderbare Unterhaltung.
Jeremy Brett ist nun schon sichtlich krank, wie schon bei Case-Book erwähnt sind da hauptsächlich die Medikamente gegen seine Bipolare Störung schuld, die seinen Körper dazu veranlassen, Wasser zu speichern. Doch während es (gerade im Vergleich zu früheren Staffeln) immer deutlich ist, wie krank Brett inzwischen ist, ist er immer noch sehr aktiv und energisch in seiner Rolle. Sein Gesundheitszustand zwang ihn dazu, eine der Episoden komplett auszusetzen, aber man würde das in den restlichen Folgen kaum vermuten.
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The Three Gables
Ein junger Mann stirbt unter mysteriösen Umständen und das Haus seiner Großmutter scheint eine wichtige Rolle zu spielen. Der Fall ist nichts besonderes, aber es gibt ein paar nette Szenen. Der Regisseur zeigt sich wieder einmal experimentierfreudig und legt häufig Bilder übereinander – der Schuss geht nach hinten los, das sieht einfach dämlich aus und mir ist kein Sinn dahinter erkennbar (übrigens der gleiche Regisseur, der schon die Spiegelungswut in Wisteria Lodge verbrochen hat)
Diese Staffel bringt auch wieder vermehrt Mrs-Hudson-Szenen. Die immer absolut knuffig sind – wie dieser Moment hier.
Aww, armer Watson. Im Hintergrund sieht man die neue Lieblingsidee der Regisseure: 221B in Regenbogenfarben tauchen. Fragt nicht.
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The Dying Detective
Holmes untersucht den Tod eines jungen Mannes an einer tropischen Krankheit, für die sein Cousin und Haupterbe Experte ist. Ein spannender Fall, bei dem man stark mit den Opfer sympathisiert und den Bösewicht verabscheut, außerdem mit ganz tollen Szenen für Holmes und Watson und einem jungen Hugh Bonneville1. Der Titel deutet schon an, dass die Folge daneben im Hinblick auf Bretts Gesundheitszustand besonders dramatisch ist.
Sterbenskranker Holmes/Brett. Das tut weh.
Erstaunlicherweise hilft es aber, dass es so offensichtlich gespielt ist, da sind manche kleine Momente in denen man Brett kränkeln sieht schlimmer.
Mrs Hudson: “Mr Holmes, you are the very worst tenant in London!”
Holmes ist sich natürlich keiner Schuld bewusst.
Holmes und sein Oma-Häkelschal. Aber mei, ist diese Szene knuffig…
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The Golden Pince-Nez
Ein junger Angestellter eines Professors wird scheinbar ohne Motiv ermordet. Edward Hardwicke war für den Dreh wegen eines anderen Projekts nicht verfügbar, also wird er hier mit Mycroft ersetzt. So sehr man Watson auch vermisst, die Brüder-Dynamik gibt auch einige schöne Szenen her, auch wenn man mehr daraus machen können hätte. Ansonsten ist der Fall guter Durchschnitt.
Holmes beleidigt den nicht anwesenden Watson, aber Mrs Hudson weiß genau, warum er so grummelig drauf ist: “Mr Holmes, you know you only say that because you miss the doctor!”
SH: “That’s father’s magnifying glass.”
MH: [unsicher murmelnd] “Yes…”
SH: “He gave it to you? … How ironic.”
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The Red Circle
Eine Frau ist irritiert von dem seltsamen Verhalten ihres Mieters, der sich seit 10 Tagen nicht blicken lässt und nicht aus seinem Zimmer fortbewegt. Eine ziemlich unscheinbare Folge – keineswegs schlecht, aber irgendwie auch wieder sofort vergessen. Bonuspunkte gibt es für viele Mrs-Hudson-Szenen.
Seufz. Ich kann nichtmal ordentlich die Wuschelhaare ansqueen, weil die roten Augen so mitleidserregend aussehen…
…aber solange Brett noch durch Dachluken krabbeln kann, ist ja alles in Ordnung.
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The Mazarin Stone
Ein wertvoller Diamant wird gestohlen und Watson wird auf ein ungewöhnliches Angebot an seinen alten Lehrer Nathan Garrideb aufmerksam gemacht. Wir hatten diese Staffel ja schon eine Folge ohne Watson, nun bekommen wir eine Folge ohne Sherlock Holmes, was dann doch nochmal was anderes ist. Außerdem bekommen wir zum ersten mal eine Verschmelzung von zwei Geschichten: während Mycroft hauptsächlich dem Mazarin Stone verfolgt, kümmert sich Watson um The Three Garridebs. Das Ganze funktioniert recht gut: Mycroft ist vielleicht etwas out of character (aber die Folge ist ja auch ursprünglich für Sherlock geschrieben worden), die nebeneinander her laufenden Handlungsstreifen sind anfangs etwas ungewohnt aber es ist alles unterhaltsam und hat durch die beiden Storys auch ein recht hohes Tempo.
Mycroft und Watson geben auch ein ganz gutes Team ab.
Brett hat hier nur zwei winzige Szenen – aber die sind dafür richtig schick.
“I shall be watching you… with my third eye.”
Haare in der Stirn, aufgestellter Mantelkragen – kommt uns das bekannt vor?
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The Cardboard Box
Eine Frau findet in einem Weihnachtspäckchen zwei abgeschnittene, in Salz eingepackte Ohren. Ein würdiger Abschluss für die Serie – auf der einen Seite schöne Weihnachtsstimmung mit äußerst witzigen Szenen für Holmes, Watson und Mrs Hudson, auf der anderen Seite eine düstere, emotionsgeladene Story, die mit klasse Schauspielern wie Ciaran Hinds, Deborah Findlay und Joanna David aufwarten kann. Da verzeiht man gerne, dass kleinere Nebenhandlungen nur unnötig verwirren.
Manchmal sind die ergänzten Szenen halt auch Gold wert – wie die ganze Weihnachtssache hier. Holmes hasst Weihnachten. Warum? Weil er nicht weiß, was er Watson schenken soll. Awwww.
Niedlich ohne Ende: Holmes dekoriert seine Chemieausstattung mit Weihnachtsschmuck.
Und damit wären wir bei der letzten Szene von Holmes und Watson. Keine “und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage in 221B”-Idylle, sondern ein nachdenklicher, melancholischer Abschluss. Hier die letzten Zeilen:
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Ein Jahr nach dieser letzten Staffel verschlechterte sich Bretts Gesundheitszustand: Er hatte Herzprobleme aufgrund eines Rheumatischen Fiebers in seiner Kindheit, und die damals möglichen Behandlungen konnte man nicht mit seinen Medikamenten für die Bipolare Störung kombinieren. So starb Brett am 12. September 1995 an Herzversagen. Aber wie er selbst ein paar Monate vor seinem Tod in einem Interview zu seinem Gesundheitszustand gesagt hat: “Well, the ticker is a little weary but what a way to go with Sherlock.” Ich denke, es hätte keine bessere Beschäftigung für die letzten 10 Jahre seines Lebens geben können, als Sherlock Holmes so eindrucksvoll zu prägen und mit dieser Rolle unsterblich zu werden – schließlich ist er nach wie vor für viele der definitive Sherlock Holmes.
Das ist nun aber nicht das letzte, das ihr in diesem Blog von Jeremy Brett oder dieser Serie gehört habt. Ich bin noch viel zu verliebt um mich mit diesen eh schon langen Picspam-Besprechungen zufrieden zu geben – geplant ist noch eine Runde Youtube-Vidoe-Empfehlungen (weil Bretts Holmes eigentlich nur in Bewegung richtig überzeugen kann) und ein paar Reviews zu früheren Brett-Projekten, außerdem hab ich noch ein paar andere Ideen aus denen vielleicht oder vielleicht auch nicht was wird.
Aber fürs erste verabschieden wir uns von dieser Serie und ihren wunderbaren Darstellern und sind dankbar für all die schönen Episoden, die wir bekommen haben.
- der hier als Richard Bonneville in der Cast erscheint, so dass ich die ganze Folge über gedacht hab, dass das wohl ein Bruder sein muss.