Das lettische Horrorkino ist eigentlich kaum international präsent – das /slash einhalb hat dies mit der Vorführung von The Man in the Orange Jacket zu ändern versucht – leider nur mit mäßigem Erfolg.
Nach einer Welle der Entlassungen sehen sich viele Arbeiter eines lettischen Hafenbetriebes ihres Lebensunterhaltes beraubt. Zufrieden ist damit natürlich keiner, jedoch einem der Träger oranger Sicherheitswesten (Maxim Lazarev) scheint seine neue Arbeitslosigkeit ganz besonders übel aufzustoßen. Er bricht in die Villa seines ehemaligen Firmenchefs ein (Aris Rozentals) und bringt ihn und seine Ehefrau (Anta Aizupe) kaltblütig um. Danach nistet er sich in dem Herrenhaus ein und genießt den erbeuteten Reichtum in vollen Zügen. Nur währt die neu gefundene Ruhe nicht lange. Merkwürdige Geräusche und Besuche eines mysteriösen Geschäftsmannes suchen den Hausbesetzer heim, bis er bemerkt, dass er beobachtet wird – von einem anderen Mann mit orangener Jacke.
Es ist minimalistischer Horror, der mit mehr oder weniger einem Set auskommt, und den Protagonisten in elegischen Sequenzen begleitet wie er das Haus für sich einnimmt und den Luxus genießt. Interessant ist hierbei wie wenig die Morde, mit denen die Geschichte beginnt, bewertet werden, zuerst könnte man meinen der Film quittiert sie einfach als gerechtfertigt. Dem Jackenträger stehen auch keinerlei mundane Hindernisse im Wege, wie Polizei oder sonstige Realitäten – mit laufender Spielzeit wird sein Aufenthalt in der Villa jedoch immer unheimlicher und er findet keinen Frieden während die Spannung steigt.
Schauspielerisch ist es hierbei annehmbar. Maxim Lazarev füllt den Film fast vollständig aus, spielt jedoch glaubwürdig und wird nicht allzu schnell langweilig anzusehen, wird er doch dem Spannungsbogen entsprechend expressiver. Die Nebendarsteller agieren glücklicherweise trotz den kürzeren Momenten auf der Leinwand auf dem selben Level.
Sozialkritisch gelesen ist die Idee von The Man in the Orange Jacket schon eine nicht schlechte – frei nach dem Motto „More money – more problems“ wird der Rächer selbst zur Zielscheibe als er den Platz seines ehemaligen Chefs einnimmt. Sehr viel mehr scheint jedoch nicht dahinter zu stecken, und so zieht sich The Man in the Orange Jacket trotz einer eigentlich kurzen Laufzeit gefühlsmäßig unheimlich in die Länge. Es hätte auch ein Kurzfilm werden können – denn obwohl die Bilder ästhetisch ansprechend abgefilmt wurden, sie nützen sich extrem schnell ab.
Zwischen den Momenten der Unruhe befindet sich zu viel Luft, zu viel Szenen in Echtzeit, die den Protagonisten bei verschiedensten normalen Tätigkeiten in der Villa zeigen, die jedoch nach dem ersten mal keinen wirklichen Mehrwert für die Handlung bieten. Dasselbe gilt eigentlich auch für viele der unheimlichen Begebenheiten in dem Herrenhaus: Die Wiederholung bringt lange nichts neues und der Zuschauer wartet vergeblich auf den springenden Punkt. Die Pointe ist dann leicht verwirrend und essentiell doch vorhersehbar, keine perfekte Mischung.
So kann man keine unbedingte Empfehlung für das Werk des lettischen Regisseurs Aik Karapetian aussprechen – wer jedoch danach brennt baltisches Horrorkino unter die Lupe zu nehmen kann trotzdem einen Blick hineinwerfen.
Regie und Drehbuch: Aik Karapetian
Darsteller: Anta Aizupe, Maxim Lazarev, Aris Rozentals
Filmlänge: 71 Minuten, gezeigt im Rahmen des /slash einhalb