Veröffentlicht am 9. Juni 2013 | von Florian Kraner
1The Last of Us
The Last of Us Florian KranerWertung
Summary: Virtuoses Stealth-Survival Action-Adventure mit glaubwürdigen Charakteren und ebensolchem Setting
4.5
Survival-Action
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Das Ende ist angebrochen – wenn auch noch nicht für die Menschheit selbst, so zumindest für die aktuelle Konsolengeneration. Geht es nach den Herstellern haben, PS3 & Co niemals existiert, der Blick wird ohne Verzögerung starr auf die Zukunft gerichtet.
Für den Konsumenten allerdings bricht die goldene Zeit des Spielekonsums an, die kurze Phase am Ende einer erfolgreichen Generation, in der er sich vor hochwertigen Releases nicht mehr retten kann. Alle Karten liegen auf dem Tisch, alle Engines sind entwickelt und optimiert, Studios haben sich im Laufe der Jahre fest auf dem Markt etabliert, den Entwicklern steht es völlig frei, tief in ihre Trickkisten zu greifen und mit ihren mächtigen Tools Content zu erstellen, von dem sie schon immer träumten.
Auch der Sony-nahe Entwickler Naughty Dog hat für diesen natürlichen Kreislauf sein eigenes Konzept: es werden jeweils ein Original mit drei Sequels entwickelt und zum Abschluss ein Kart-Racer. Diesmal heißt der Kart-Racer aber The Last of Us und hat, bis auf eine Zwischensequenz, mit herkömmlichen Rennspielen wenig zu tun. Vielmehr versucht sich der Titel im Stealth- und Survival-Genre als Action-Adventure für Cineasten.
Unser Protagonist Joel ist widerwillig mit der Aufgabe konfrontiert, ein junges Mädchen namens Ellie durch die verwüsteten Endzeit-Umgebungen der USA zu transportieren. Die harten Jahre in einer postapokalyptischen Hölle haben aus Joel einen mürrischen Eigenbrötler gemacht, der mit allen Wassern gewaschen ist und eigentlich überhaupt kein Interesse an wohltätigen Risiken hat. Ellie ist da ein krasser Gegensatz: Als Kind einer zerstörten Welt hat sie keine Erinnerungen an die heile Lebensweise ihrer Vorfahren und ist es gewohnt, aus ihrer unmittelbaren Situation das Beste zu machen. Zusammen sind die beiden mit einer grauenvollen Welt konfrontiert: Überall wimmelt es vor brutalen Gangs, mit Pilzen infizierten Zombies oder tyrannischen Militärs – ein Überleben scheint unwahrscheinlich.
Das Gameplay ist der Uncharted Reihe gar nicht so fern wie Naughty Dog uns das glauben machen will. Deckungsbasierte Schussgefechte sind der erfolgreichen Serie nicht unähnlich, doch fokussiert man mehr auf Elemente, die bei Uncharted nur Nebensache blieben. Die Stealth-Einlagen sind beispielsweise erweitert worden und zudem äußerst gelungen. Da ist es tatsächlich möglich, den Schusswechsel komplett zu vermeiden und ganze Gegnerwellen still und heimlich auszuschalten. Das ist auch dringend notwendig, denn zusammen mit den Survival-Elementen, die dafür sorgen dass Munition stets Mangelware ist, ist es oftmals gar nicht möglich, im Stil von Nathan Drake alle Gegner gemütlich zu erschießen.
Die Horror-Einlagen, die durch den Zombie-Befall entstehen, schaffen mit verlässlicher Regelmäßigkeit Abwechslung – im Grunde wird hier aber nichts Neues geboten. Blinde Monster denen es im Dunkeln auszuweichen gilt, gab es jüngst selbst in der miesen Aliens-Umsetzung zu erleben und so dienen diese Sequenzen weniger als spielerische Highlights sondern eher als atmosphärische Erzählungsmittel. Nichtsdestotrotz sind alle Sequenzen akribisch gut entworfen. Kaum hat man sich an eine Vorgehensweise gewohnt, wirft irgendeine Änderung wieder alles über den Haufen – vom Anfang bis zum Ende setzt also niemals Monotonie ein.
In gewisser Weise stellt The Last of Us eine Auslese an Spielelementen der aktuellen Generation dar. Da finden sich unzählige Teilaspekte, die man alle aus den erfolgreichsten Titeln der letzten Jahre kennt. Die mit Vegetation überwucherten Endzeit-Szenerien aus Enslaved, die faschistischen Überlebenden-Ghettos aus Metro, die beklemmenden urbanen Zombie-Settings aus Left 4 Dead, die Kind/Beschützer Dynamik aus Walking Dead, die deckungsbasierten Schusswechsel aus Gears of War, die dynamischen Stealth-Einlagen aus der Arkham Reihe… So wie Joel im Spiel aus allen möglichen Einzelteilen seine Ausrüstung improvisiert, scheint The Last of Us jeden seiner Bausteine irgendwo aufgelesen zu haben, um ihn für seine Zwecke nutzbar zu machen. Doch The Last of Us will gar keinen Anspruch auf Innovation erheben: Das Spiel zeichnet sich vielmehr durch die Virtuosität aus, mit der alle diese etablierten Elemente verwendet werden, um seine Geschichte zu erzählen.
Der Action-Adventure-Mischmasch, den man dieser Tage so oft serviert bekommen, wird als etablierter Standard vorausgesetzt: Zwischensequenzen ansehen, neue Areale nach Items absuchen, Gegnerwellen ausschalten. Ein Ablauf, der einem erfahrenen Spieler bereits wie trister Alltag erscheint, wodurch es aber möglich wird, die gesamte Aufmerksamkeit auf die eigentlichen Werte zu lenken: Unübertroffene Produktionsqualitäten strahlen unentwegt Niveau selbst jenseits der hohen Uncharted-Standards aus. Ästhetische Ansprüche werden genauso befriedigt wie erzählerische und auch das Gameplay selbst unterwirft sich gekonnt diesen Zielen. Nichts zählt mehr als das unmittelbare Erleben der trostlosen Welt und die darin existierenden Menschen, die mit allen über die Jahre zusammengekommenen interaktiven Möglichkeiten Stück für Stück beleuchtet werden. Die famosen Darstellungen der Charaktere treten in den Mittelpunkt: Es entsteht nicht nur der Eindruck, dass das Spiel gute Schauspieler hat – der Spieler darf völlig vergessen, dass er sich überhaupt in einer synthetischen Spielumgebung befindet.
Beinahe scheint der Aufwand, mit dem die Charaktere des Titels zum Leben erwachen, absurd: Kein Moment vergeht, in dem nicht irgendein verliebtes Detail die Immersion anheizt. Es gibt keine faulen Tricks, um sich hier oder da eine Animation zu sparen, jeder Moment wird mit eine Fülle an aufwendigen Details ausgestopft, dicht und ohne Kompromisse. Die Umgebungen sind so verspielt wie nie, minutenlang kann man sich in der Betrachtung der majestätischen Endzeitlandschaften verlieren. Gibt es Zwischensequenzen, sind diese hervorragend in Szene gesetzt, perfekt gespielt und geschnitten. War man in den letzten Jahren dem interaktiven Film recht nahe, so hat man diese Hürde diesmal dank subtiler, hochtalentierter Schauspieler mit Leichtigkeit gepackt. Facettenreiche Charakterstudien zeichnen glaubwürdige Menschen, die mit den gewohnten Genre-Klischees nichts mehr zu tun haben. Die allgegenwärtige Gewalt wird mit brutaler Realität inszeniert, statt wie so oft glorifizierend in den Alltag überzugehen.
Das Vermächtnis von The Last of Us als einer der letzten großen PS3-Releases ist ein gemischtes. Auf Sonys Plattform ist in dieser Generation vor allem die cineastische Vision des interaktiven Films herangereift und auf dieser Linie stellt der neue Naughty Dog Titel zweifellos die Krönung dar. Doch trotz all der Brillanz gelingt es dem Titel nicht eine Sache vergessen zu machen: Über die Jahre bekamen wir bereits unzählige Zombie-Endzeitszenarien vorgesetzt. Es ist keine Frage dass die Qualität von The Last of Us alle anderen Ausgaben des ausgereizten Themas in den Schatten stellt, aber trotzdem kommt immer wieder das Frage auf, ob nicht dieses enorme Talent an ein Szenario verschwendet wurde, das mittlerweile so normal geworden ist wie eine Fahrt mit dem Bus. Jeder einzelne Aspekt – von den trostlosen Stimmungen verlassener Siedlungen zu den furchteinflößenden Auseinandersetzungen mit stöhnenden Untoten – ist einfach schon zu oft dagewesen, um noch wirklich zu bewegen. So macht The Last of Us leider die kaum noch überschaubare Riege der Zombie-Endzeit-Spiele lediglich redundant, anstatt sie wahrlich zu übertrumpfen.
Vielleicht ist es die Aufgabe der nächsten Spielegeneration, sich von Fesseln der konservativen Standard-Szenarios zu befreien – doch bis dahin bietet The Last of Us rein qualitativ den besten Kart-Racer, den das PS3-Publikum je gesehen hat.
Plattform: PS3 (Version getestet), Spieler: 1, 8 (online), Altersfreigabe (PEGI): 18,
Release: 14.06.2013, www.thelastofus.com
Tags:4.5 von 5ActionAction-AdventureApokalypseNaughty DogPS3PS3-ExklusivSonySurvival-Horror
Über den Autor
Florian Kraner Aufgabenbereich selbst definiert als: Pixel-Fachmann mit Expertenausweis? Findet ”Das Fürchterliche muß sein Gelächter haben!” zutreffend.