Worum geht's?
Mein Chefredakteur war unsicher, als er mir den Downloadcode für die PS4 zuschickte: „Ich bin mal gespannt, was das ist. Kann mir gar nichts darunter vorstellen!" Nun, da war nicht der Einzige mit latenter Unsicherheit. Als großer Fan der ehemaligen Top Gear-Crew weiß man natürlich, was einen erwartet - in der Sendung selbst: Verbrauchertips in Form von nützlichen Praxistests der aktuellsten Supersportwagen, völlig skurrile Bewährungsproben für Mensch und Maschine (beispielsweise der Transport von Nahrungsmitteln mit umgebauten Gebrauchtwagen quer durch Afrika) und eine große Portion britischer Humor. Nur wie soll das transportiert werden? Als klassische Rennspiel mit Karrieremodus? Als chaotische Version von Forza??
Video killed the Gamestar
Das Spiel funktioniert so: Es gilt, sich jede Episode so anzusehen, wie es normalerweise auch über den Amazon Prime-Videoplayer gemacht werden würde. Man schaut sich Clarkson, Hammond und May also bei ihrem typischen Herumgealbere und ständigem Austausch von „Nettigkeiten" an. Sobald jedoch im Laufe der Folge ein Auto auf die Piste geht oder die drei unter sich ein Rennen austragen, wechselt das Spiel in den Rennmodus - jetzt wird es interaktiv. Zum Glück muss man sich nicht alle Folgen in Echtzeit angucken, per Schultertaste ist der sofortige Sprung zur nächsten Rennsequenz möglich.
Nach Abschluss des Rennens läuft nahtlos und ganz normal die reguläre Episode weiter.
Retro-Feeling
Spielerisch ist Grand Tour Game sehr überschaubar. Die Autos steuern sich wie in einem zünftigen Arcaderacer, spontan kam mir als Vergleich der legendäre PC-Titel Bleifuß von den Mailänder Entwicklern Grafitti aus dem Jahre 1995 in den Sinn. Auf dem Joypad sind nur drei Feuerknöpfe belegt, Gas geben reicht in der Regel, die Bremse braucht man nie und die Kurven durchfährt man am besten mit beherztem Handbremsenzug im gepflegten Drift. Und zwar alle. Es sei denn, man kann mit Vollgas durchbrettern. Die Autos zeigen grundsätzlich ein differenziertes Fahrverhalten, aber mit ernsthaften Rennspielen ist das nicht mal ansatzweise zu vergleichen.
Fazit
Ist es ein Spiel? Oder nur ein Videoplayer mit Zwischenunterhaltung? Fest steht, wer mit der Serie nix anfangen kann, der wird auch mit dem Spiel nix anfangen können und kann sich die Kohle sparen. Fans der drei Briten müssen das Ding aber allein aus Neugier mal spielen, so kann man Hammond im Rimac durch die Bergserpentinen steuern, bevor der dann nach der Ziellinie einen einzigen Bremsfehler begeht und mit Vollstoff in die nächste Almwiese kracht. Viel interessanter ist die Frage, ob diese „Spiel in der Sendung" ernsthaftes Potenzial hat. Als Konzept ist es was Neues, ein Blick darauf reicht aber. Denn die Rennsequenzen selbst sind so simpel und einfach gestrickt, dass sie schnell langweilen. Und wer auf das Chaos der drei Moderatoren steht, guckt sich eh die kompletten Episoden an und kann auf die Spielerei gut verzichten. Ein interessantes Experiment, das aber als Rennspiel ähnlich begeistert wie das Autofahren auf Eis bei gleichzeitigem Achsbruch.