The Favourite – Intrigen und Irrsinn (2018)

The Favourite – Intrigen und Irrsinn (2018)

UK / USA 2018
Mit Olivia Colman, Rachel Weisz, Emma Stone, James Smith, Mark Gatiss u.a.
Drehbuch: Deborah Davis und Tony McNamara
Regie: Yorgos Lanthimos
Dauer: 120 min

Niedertracht, Intrigen und Irrsinn am englischen Hof des achzehnten Jahrhunderts – wen interessiert’s?!
So liesse sich der Inhalt des neuen Films des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos (The Lobster) kurz und knackig zusammenfassen. Aber so oberflächlich will ich dann doch nicht bleiben. Schauen wir also, wie hier üblich, genauer hin.

In The Favourite drehen sich drei Frauen im Kreis – genauer: zwei Frauen drehen sich um die englische Königin Anna (Olivia Colman); eine der beiden geniesst die Gunst der Queen, die andere erschleicht sie sich im Verlauf des Films. Die eine, Lady Sarah (Rachel Weisz) ist Beraterin, Einflüstererin und Geliebte der kränklichen Königin, die andere, Abigail (Emma Stone) will es an deren Stelle werden – aus Rache für den erlittenen sozialen Abstieg und weil die einstige Adlige wieder zu Ansehen und Macht gelangen will.
Daraus machen die Drehbuchautoren Deborah Davis und Tony McNamara eine ins Vulgäre abgehobene Dreiecksgeschichte, in der in erlesenen Kostümen und atemberaubender Architektur geflucht, gegiftet, geprügelt, geschweinigelt, gevögelt, gekotzt und geblutet wird, so, wie man das in einem Kostümfilm kaum je gesehen hat. Mit Feinheiten, Subtilitäten und Zwischentönen können (oder wollen) Davis und McNamara nicht aufwarten.

Auch Lanthimos Film dreht sich im Kreis; er drückt uns die Verderbtheit der Adligen in immer neuen Ausschmückungen bis zum Überdruss aufs Auge, bis man sich am Schluss fragt: Und was hab‘ ich nu‘ davon? Es gibt weder einen Bezug zu Heute – ausser vielleicht die sehr allgemeine Feststellung, dass Niedertracht auch in unserer Zeit existiert – noch gibt es für den durchschnittlichen Kinogänger Anknüpfungspunkte. The Favourite ist ein Problemfilm über Probleme einer längst vergangenen Epoche. Dass sich bis heute in den Zentren der Macht noch nicht viel geändert hat, weiss jeder halbwegs wache Zeitgenosse – auch ohne diesen Film!

Das Hauptproblem ist das Drehbuch. Es weist eine schwache Struktur auf; die scheinbar völlig wilkürliche Gliederung in Kapitel mag ein Versuch sein, dem entgegenzuwirken, er bleibt aber ohne Wirkung und erscheint wie ein grobschlächtiges Behelfsmittel.
Das Drehbuch unternimmt den Versuch, das Böse und Intrigante im Menschen abzubilden; dabei stellt es ausschliesslich seelisch verkommene und unsympathische Menschen ins Zentrum, die in der Eindimensionalität ihrer Zeichnung schon nach einer halben Stunde nicht mehr interessieren, und es setzt auf vordergründige Effekte.
Deborah Davis, eine Historikerin ohne Drehbucherfahrung soll sich schon seit Jahren schriftstellerisch erfolglos mit diesem Filmprojekt herumgeplagt haben – bis ihr mit Tony McNamara ein Drehbuchschreiber an die Seite gestellt wurde, der bislang vor allem für TV-Serien schreibend tätig war. Zusammen haben sie ein schwaches Werk abgeliefert, das, besetzt mit einem anderen Regisseur und weniger talentierten Darstellerinnen, bestimmt kein grosses Aufsehen erregt hätte.

Yorgos Lanthimos setzte die Vorlage auf eigenwillige, ganz eigene Weise um. Das ist nicht uninteressant: Eine herrlich opulente Ausstattung zwischen Prunk und Patina und eine konsequente Weitwinkeloptik inklusive Froschaugenperspektive statten The Favourite mit faszinierendem Schauwert aus. Auch weiss er das Beste aus den Schauspielerinnen herauszuholen. Doch die Diskrepanz zwischen seinem exaltierten Inszenierungsstil und dem gesichtslosen, effekthascherischen Drehbuch lässt den Film Prätentiös und Pompös erscheinen.

Bleiben die drei Haupt-Aktricen. Sie sind das Beste am Film und entschädigen teilweise für die Enttäuschung, die er auf inhaltlicher Ebene bereitet. Allen voran weiss die hierzulande noch kaum bekannte Olivia Colman als Queen Anne zu begeistern. Sie spielt die Monarchin als zurückgebliebene, despotisch veranlagte, liebesbedürftige Quengelliese, die sich hoffieren lässt und die weiss, dass ihre Tage gezählt sind. Den schwierigen schauspielerischen Balanceakt zwischen Infantilität und Königlichkeit meistert Colman mit Bravour. Es ist zu hoffen, dass man sie nun, da ihre Leistung mit dem Golden Globe honoriert worden ist, öfter im Kino sehen wird! Rachel Weisz und Emma Stone geben die höfischen Giftnattern – überzeugend und mit sichtlicher Hingabe, doch gegen Colmans Par-Force-Tour kommen sie nicht an. Das liegt aber auch stark in der Eindimensionalität ihrer Charaktere begründet.

Wer grandios aufspielende Schauspielerinnen und eine eigenständige Regiehandschrift einer interessante Geschichte und lebendig gezeichneten Figuren vorzieht, sollte sich The Favourite angucken. Den anderen sei eher abgeraten.

Die Regie: 8 / 10 
Das Drehbuch:  5 / 10 
Die Schauspieler: 9 / 10 
Gesamtnote: 7 / 10

Verfügbarkeit:
The Favourite läuft zur Zeit in den Kinos.

Der Trailer ist sehr gut gemacht und kommt recht witzig daher. Damit lockt er einen allerdings auf eine falsche Fährte!

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