„The Farmhouse“: Dinner in Sydneys bestem Restaurant (laut Tripadvisor)

Von Davidsights @Schlaraffenwelt

Ich gebe nicht allzu viel auf Tripadvisor-Bewertungen. Ich habe das Gefühl, dass der Typ Esser, der bei Tripadvisor bewertet, nicht nach meinen Maßstäben bewertet. Portionsgröße, Schnelligkeit des Service etc. nehmen dort viel Raum ein - Dimensionen, die in meiner Welt eine untergeordnete Rolle spielen. Dennoch messe ich dem Portal eine gewisse Aussagekraft zu: Einerseits um Restaurant-Nieten von vorneherein auszusortieren. Andererseits um ungewöhnlich euphorisch bewertete Restaurants ausfindig zu machen. In jeder Stadt, die ich zum ersten Mal besuche, schaue ich zumindest einmal auf die vordersten Plätze im Tripadvisor-Ranking. So auch in Sydney. Und so stoße ich auf das Farmhouse im Viertel Kingscross.

Farmhouse auf Platz 1 von 4700 Restaurants - zurecht?

Immer wieder finden sich auf den vorderen Plätzen kleine, ungewöhnliche Restaurantkonzepte, die es lohnen, genauer betrachtet zu werden. In Osaka fand ich auf diesem Weg einen genialen Okonomiyaki-Imbiss. In Sydney macht mich das „Farmhouse" auf Platz 1 von 4.700 Restaurants neugierig. Die Bilder versprechen ein winziges Restaurant mit opulent beladenen Tisch - ein gesetztes Sharing-Menü, das allen gleichzeitig serviert wird. Minuten später verlässt die kurzfristige Reservierungsanfrage mein Postfach. Keine zwei Stunden später die Überraschung: Eine Zusage für den folgenden Abend - damit habe ich nicht gerechnet.

Eine Tafel - ein Menü - zwölf Gäste

Wir finden uns - wie per Mail instruiert - um halb sieben am „Farmhouse" ein. Das Restaurant liegt unscheinbar an einer belebten Kreuzung im Viertel King's Cross. Von außen käme niemand auf die Idee, dass hier das bestbewertetste Restaurant der Metropole zu finden ist. Von innen auch nicht unbedingt: Ein langer Holztisch füllt den etwa 20 Quadratmeter großen Raum, ein schlichtes Weinregal ziert die Wand. Mit uns nehmen etwa 12 weitere Gäste an der Tafel Platz. Nach einem kurzen Unverträglichkeiten-Check beginnt der Service. Die Weinauswahl ist groß und geht einmal quer global durch schöne Gewächse. So wirds dann bei uns auch ein Riesling aus der Pfalz, nachdem wir uns in den Tagen zuvor im Hunter Valley an den australischen Semillon-Weinen abgekämpft hatten, ohne richtigen Zugang zu finden.

Eine Vorspeise mit Fragezeichen

Der Vorspeisenkorb lässt nur schwer erahnen, wohin die Reise gehen wird: Ein recht wilder Mix aus frittiertem local Cheese, einem Pesto im Brotkörbchen und eingelegtem Gemüse und Obst. Spannend ist die Aromen-Varianz innerhalb der Pickles, die in ganz unterschiedliche Würzrichtungen gehen. Begeisterung weckt die eingelegte Melone, die durch ihr Bad im Essigsud enorm an Tiefe gewinnt. Dennoch bin ich nach dem Eröffnungsgang, bei dem sich alle aus einem Korb bedienen, nicht viel schlauer. Die Zusammenstellung wirkt irgendwie mehr zufällig als innovativ. Aber wehret des frühen Urteils.

Tomatenconsommé mit geräucherter Jakobsmuschel

Gang zwei ist eine kalte, weiße Tomatenconsommee mit geräucherter Jakobsmuschel. Ich lerne, wie gut Tomaten-Umami bei Zimmertemperatur zur Geltung kommt. Die kräftige Säure der konzentrierten Suppe harmoniert toll mit der fischigen Süße der Jakonsmuscheln. Durchs Räuchern hat das Muschelfleisch an Viskosität gewonnen, der Geschmack hat sich potenziert. Die Kombination ergibt im Mund richtig viel Sinn. Ich bin fast soweit, meine Vorbehalte gegenüber dem ersten Gang über Bord zu werfern. Doch ich warte noch einen Moment.

Das Geheimnis des Farmhouse: Schlichtes Gemüse in Perfektion

Dann fegt der Hauptgang alle Zweifel vom Tisch. Es ist weniger ein Gang als ein Festmahl, das sich zwischen bäuerlicher Rustikalität und Hipster-Bowl bewegt. Vor uns stehen vornehmlich vegetarisch gefüllte Schüsseln, weit über den Rand aufgetürmte Vorfreude. Da ist die cremig geschmorte Aubergine, vollgepumpt mit orientalischen Aromen, darauf gepoppter Reis. Daneben gebackener Kürbis mit Buchweizen-Crunch. Desweiteren ein Teller, der in der Menükarte bescheiden als „various vegetable roast" angeführt wird, dabei allerdings zum Hauptdarsteller avanciert, ob des perfekten Gargrads aller Komponenten, perfekter Dosierung von Salz, Pfeffer, Fett und Kräuter. Dass mich ein Teller gebratenen Gemüses so ins Schwärmen bringen könnte, hatte ich bis dato nicht für möglich gehalten.

Ein Buffet zum Sattessen

Perfekt ist ein großes Wort. Wie hier im Farmhouse mit ordinärem Gemüse gearbeitet wird, erfordert allerdings derart extremes Vokabular. Für mich liegt darin auch der Schlüssel zur Spitzenplatzierung bei Tripdavisor. Die Verblüffung, die einsetzt, wenn gebratenes Gemüse plötzlich so unerwartet große Gefühle auslöst, schlägt schnell in Euphorie um, die sich in Kommentaren und Bewertungen äußert. Ach, und es gab noch mehr: Eine cremige Joghurtsauce mit Cranberries als (schon wieder) perfekter Begleiter zu den Auberginen. Und ein super-saftiges Hähnchen mit krosser Haut, ebenso ideal abgeschmeckt und von Thymian getragen. Und ein Süßkartoffelpüree, dass ich gar nicht mehr gebaucht hätte. Wir geben alles und schaffen doch nur die Hälfte des Buffets an Großartigkeiten vor uns.

Die zwei Dessert, die folgen, nehmen wir lachend entgegen. „Kein Platz mehr, haha". 15 Minuten später sind die Teller dann doch irgendwie leer. Die Tarte mit in Ahornsirup karamellisierten Bananen und Vanilleeis setzt dem zweistündigen Dinner einen würdigen Schlusspunkt. An der Tür wartet bereits die zweite Zwölferrunde. Viel Zeit bleibt nicht, um am Tisch ein sensationelles Menü zu reflektieren. Deshalb lassen wir uns (wie alle am Tisch) die Reste einpacken und verschieben die verbale Beweihräucherung des Erlebten auf den Heimweg.

Spitzenposition im Ranking: Keine Überraschung

Warum landet ein Restaurant wie das Farmhouse auf dem ersten Platz in Sydney in einer der meistkonsultierten Ranglisten der Welt? Es ist der eben erwähnte Überraschungseffekt von simplem Gemüse ohne Chi-Chi und der dann folgenden Wucht des Geschmackserlebnisses. Es ist die Portionsgröße in einer Stadt, deren Restaurants nicht unbedingt dafür bekannt sind, dass man sich richtig satt essen kann und nicht zuletzt der Preis. Etwa 60 Euro für dieses Menü (exklusive Getränke) ist für australische Verhältnisse einfach extrem günstig.