The Dog

Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst. Genau dieses Klischee bestätigt die Story hinter dem Dokumentarfilm The Dog in ziemlich eindrücklicher Weise.

1972 stürmt der selbsternannte „bisexuelle Perverse“ John Wojtowicz mit zwei Komplizen eine Bank in Brooklyn um das Geld für die Geschlechtsumwandlung seines Lebensgefährten zu erbeuten. Im Gegensatz zum eigentlichen Plan das Geld schnell zu beschaffen und innerhalb von fünf Minuten wieder raus aus der Bank zu sein, endet der Raub in einem Geiseldrama – bester Stoff also für Hollywood. Schon drei Jahre später kommt auch wirklich Dog Day Afternoon von Sidney Lumet und mit Al Pacino in der Hauptrolle in die Kinos. Die Dokumentation The Dog rekonstruiert im Interview mit dem ehrlichen, und gerade deswegen sehr bizarr und witzig anmutenden, Wojtowicz den Ablauf der Ereignisse und beleuchtet dabei gleichzeitig die Umbruchszenarien der 70er Jahre.

The-Dog-©-2014-Viennale(2)

Zu Beginn der 70er galt Homosexualität noch als Krankheit, als nicht normal – und in Anbetracht der Feindlichkeit, welche man gleich zu Beginn spürt, ist es erstaunlich und umso wahnwitziger, dass sich bis zum heutigen Tag eigentlich relativ wenig getan hat. Schon im Hinblick der Aktivitäten damals in Greenwich Village, erkennt man, dass The Dog nicht nur eine Dokumentation rund um einen spektakulären Bankraub, sondern ein durchaus sensibler Film rund um die Emotionen der beteiligten Menschen damals und die Auswirkungen auf ihr Leben heute, ist.

Wir sehen John im Interview, wie er durch sein früheres Viertel und den Ort des Geschehens führt, immer mit einem Schmäh auf den Lippen. Und doch wird man das Gefühl nicht los, dass hinter der ganzen Fassade des Ich-nehme-mir-was-ich-will-Charakters ein hochsensibler, trauriger und teilweise vom Leben enttäuschter Mensch steckt. Vor allem durch die Passagen mit seiner immer präsenten Mutter wird klar, dass all seine Liebe, zwar durchaus seiner Frau (mit welcher er 2 Kinder hat), seinen Liebhabern (welche er auch allesamt geheiratet hat, einfach weil er gerne verheiratet ist) und seinem Bruder gelten, letztendlich aber alles auf seine Mutter hinausläuft. Nicht falsch verstehen, wir haben es mit keiner bösen Mutterfigur zu tun, welche ihren Sohn tyrannisiert oder ähnliches, aber dennoch ist sie eine durchaus starke Persönlichkeit, die in ebenso abgöttischer Liebe zu ihrem Sohn steht, wie er zu ihr – eine Kombination, die nicht die einfachste zu sein scheint.

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Den Liebhaber, oder wie John selbst sagt, seine Frau, Liz Eden (vor der Geschlechtsumwandlung Ernest Aron) lernen wir in Form früherer Interviews kennen – eine sehr zwiegespaltene von Todessucht getriebene Persönlichkeit. Und auch die weiteren Interviewpartner, wie ein Psychologe, ein ehemaliger Reporter, Freunde, Bekannte und Augenzeugen stehen in einiger Distanz zu John und seinem durch Liebe getriebenen Bankraub.

Schließlich wird auch klar, dass John selbst immer auch in einer Art selbst erschaffenen Realität gelebt hat. Seine Aussagen, sein Selbstbewusstsein der einzige Star zu sein und sein Blick auf die Ereignisse 1972 zeigen uns, wie unmöglich ein differenzierter Blick in die eigene Vergangenheit ist. The Dog ist somit eine sehr interessante Dokumentation, die zeigt, was Liebe alles aus einem Menschen machen kann – und warum Hollywood sich nur wenige Jahre später diese Geschichte angeeignet hat um daraus einen Kassenschlager mit Al Pacino zu machen.

Regie und Drehbuch: Allison Berg, Frank Keraudren
Filmlänge: 101 Minuten, gezeigt im Rahmen der Viennale 2014


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