“The Crime” von Nick Love

Erstellt am 10. April 2013 von Denis Sasse @filmtogo

© Universum/Squareone/24 Bilder / Ray Winstone, Hayley Atwell, Allen Leech und Ben Drew

Mitte bis Ende der 70er Jahre lief im britischen Fernsehen die Polizeidrama-Serie „The Sweeney“. Mit John Thaw und Dennis Waterman in den Hauptrollen, zeigte man die beiden Hauptdarsteller als Mitglieder der sogenannten Flying Squad, einer speziellen Einheit des Metropolitan Police Service in London, die sich mit bewaffneten Raubüberfällen und brutaler Kriminalität auseinander setzten. Vier Staffeln lang waren Detective Jack Regan (Thaw) und Sergeant George Carter (Waterman) im Einsatz, bevor die Serie sich verabschiedete und nur noch zwei Spielfilmfortsetzungen mit denselben Darstellern folgten. Es hat über 30 Jahre gedauert bis sich der Brite Nick Love an eine Neuverfilmung wagte. Angesiedelt im London der heutigen Zeit, übernimmt Ray Winstone die Rolle des Jack Regan. Ob der in London geborene Darsteller für diese Rolle ausgewählt wurde, da er einen seiner ersten Schauspiel-Jobs in der Serie „The Sweeney“ vollzog (als ein namenloser Jugendlicher), ist nicht bekannt, aber als menschliche Bulldogge, die gnadenlos gegen das Verbrechen vorgeht, funktioniert er auf der ganzen Linie. An seiner Seite spielt Rapper Plan B, mit seinem bürgerlichen Namen Ben Drew unterwegs, in der Rolle des George Carter.

Dabei werden die beiden Cops keinesfalls einfach so hingenommen. Sie sind zwar die Besten, die die britische Polizei zu bieten hat, aber zugleich auch die Fragwürdigsten. Sie sind Cops der harten Gangart, die gar nicht einsehen irgendwelche Umwege über die Bürokratie zu nehmen. Sie greifen in der Londoner Unterwelt hart durch, ihre Methoden sind unorthodox und außerhalb des Gesetzes. Unter Zeitdruck sowie gegen den Willen ihres Vorgesetzten Detective Chief Inspector Frank Haskins („Homeland“-Darsteller Damian Lewis) jagen sie eine osteuropäische Bankräuberbande, die London unsicher macht und der Flying Squad alles abverlangt.

Ray Winstone mit Damian Lewis

Hiernach richtet sich dann auch der „deutsche“ Titel des Films, denn aus „The Sweeney“ wurde „The Crime“ gemacht, womit im Namen nichts mehr übrig bleibt von dieser fragwürdigen Gruppierung, die sich im Film gleich an zwei Fronten behaupten muss. Auf der einen Seite die Ermittlungen gegen die Bankräuberbande, alles andere als ein Routineeinsatz, auf der anderen Seite der korrekt agierende Haskins, der für die Kontrolle und Überprüfung der Einsatzeinheit zuständig ist. Er hält das Vorgehen der Sweeneys für suspekt, glaubt an Gerüchte, denen zufolge hier Verhaltensweisen an den Tag gelegt werden, die es bei der Polizei nicht geben dürfte: Verbrecherjagd mit Baseball-Schlägern? So unwirklich das klingen mag, als Zuschauer weiß man ab der Eingangssequenz, dass genau das die Methoden von Ray Winstone und seinen Mitstreitern sind. Zu allem Überfluss ist Haskins dann aber auch noch der Ehemann von Sweeney-Mitglied Nancy Lewis (Hayley Atwell), die ausgerechnet mit Regan eine Affäre hat. Anders als im Hollywoodfilm muss das aber nicht zwangsläufig mit in die Handlung eingewoben werden. Es ist eine nette Anekdote am Rande, vielleicht auch nur eine Möglichkeit, dem Film etwas Sex zu bescheren. Der Betrogene aber wird niemals von dieser Affäre erfahren, als sei das alles ganz normal. „The Crime“ zieht seine Spannung aus anderen Dingen, nicht aus persönlichen Tragödien. Was sich innerhalb der Sweeney-Gruppierung abspielt, dringt nicht nach außen. Es ist eine eingeschworene, still schweigende Gemeinschaft, beruflich wie auch privat. Man mag sich als Zuschauer allenfalls darüber wundern, warum man Hayley Atwell, Jahrgang 1982, mit Ray Winstone, 25 Jahre älter, zusammengebracht hat.

Das sind allerdings nur kurze Episoden in einer Handlung, die größtenteils Ray Winstone folgt. Der Film nimmt sein größtes Talent in den Fokus. Schön, dass am Ende dann aber doch noch ein Perspektivwechsel stattfindet und auch Ben Drew seine Momente bekommt. Er muss die Ermittlungen zwangsläufig alleine fortführen, wenn Regan aufgrund seiner brutalen Vorgehensweise nicht nur seine Polizeimarke abgeben muss, sondern auch dem Gefängnis einen Besuch abstatten darf. Dennoch will sich hier kein wirkliches Team-Gefühl einstellen, auch Hayley Atwell und Allen Leech (als Detective Simon Ellis) können nur kurzzeitig etwas daran ändern. Das Drehbuch gebietet Ray Winstone die meiste On Screen Zeit, darüber hinaus, dafür kann niemand der Macher etwas, reißt der Darsteller aber auch allein durch sein Spiel den Film an sich.

Ray Winstone mit Ben Drew

Dabei heißt es an einer Stelle „you’re a dinosaur, you’re extinct. There is no place for a man like you.“. Doch dieser vermeintlich ausgestorbene Dinosaurier hat dennoch seinen Platz gefunden: In den harten und wilden Schläger- und Schießereien, für die er perfekt geschaffen zu sein scheint. Hier, irgendwo in der britischen Unterwelt kann er gemeinsame Sache mit Michael Caines „Harry Brown“ oder Brendan Gleesons „The Guard“ machen. Ein Trio Infernal der britisch harten Gangart. Die Schläge. Die Tritte. Es ist keine Kampf-Choreographie zu erkennen. Es herrscht Chaos, alles wirkt nur wie ein großes improvisiertes Durcheinander. Doch gerade hierdurch wird alles so spürbar echt gemacht.

Das macht „The Crime“ in seiner Gesamtheit zu einer ebenso harten wie rücksichtslosen Verfilmung. Der Gedanke an ein Fernsehformat bleibt dennoch im Hinterkopf haften, gerade wenn Ray Winstone und Damian Lewis sich zum Abschluss noch einmal verschwörerische Blicke zuwerfen, als sei dies erst der Anfang eines skrupellosen internen Machtkampfes. Dann könnte es sich auch nur um die Pilotfolge einer neuen „The Sweeney“-Serie handeln, bei der noch reichlich Platz für diverse Brutalitäten wäre.


“The Crime“

Originaltitel: The Sweeney
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Produktionsland, Jahr: GB, 2012
Länge: ca. 113 Minuten
Regie: Nick Love
Darsteller: Ray Winstone, Ben Drew, Hayley Atwell, Damian Lewis, Allen Leech

Deutschlandstart: 28. Februar 2013
Im Netz: facebook.com/TheSweeneyMovie