The Artist

Echte Sensationen aus Hollywood haben heutzutage enormen Seltenheitswert. Das liegt zum einen an der Geschwindigkeit, mit der sich Informationen ausbreiten. Kaum passiert irgendwas, weiß es die ganze Welt. Bevor man überhaupt Gelegenheit hat, darüber nachzudenken, flattert schon die nächste Nachricht herein und die vorige Meldung ist vergessen. Auf der anderen Seite gibt es relativ selten wirklich Aufregendes oder Neues. Klar, war „Avatar“ zum Beispiel irgendwie sensationell, aber das war es so wahnsinnig schnell auch wieder nicht mehr. Ich nenne diesen Film, weil er der einzige in den letzten Jahren war, der so etwas Ähnliches, wie etwas Neues bot. Noch nie dagewesenes nun auch nicht, aber immerhin sah es so gut aus, wie nie zuvor.
Wir halten also fest: In Sachen Nachhaltigkeit und Originalität hat die Filmwelt kaum noch was zu bieten.
Eigentlich genau der richtige Zeitpunkt, um sich an Früher zu erinnern. Genau das hat der französische Regisseur Michel Hazanavicius getan und liefert mit „The Artist“ ein absolut verblüffendes Meisterwerk ab.
George Valentin ist ein Filmstar. Die Premiere zu seinem neuesten Film ist bis auf den letzten Platz aus verkauft.
Das Publikum ist begeistert und die rauschende Premieren-Party kann beginnen
George tut gerade das, was er am besten kann, nämlich sich präsentieren und in die Kameras winken, als eine junge Frau auf den roten Teppich stolpert.
Ihr Name ist Peppy Miller und sie hat gerade angefangen, als Statistin Filmluft zu schnuppern. Nun darf sie auch im neuen Film von George einen kleinen Part übernehmen.
Die Zeiten ändern sich allerdings rasend schnell. Die Filme lernen plötzlich sprechen. George nimmt das nicht all zu ernst und verweigert sich einfach der Innovation. Sein Stolz bringt ihn dazu sich vom Studio loszusagen und von nun an seine eigenen Filme zu machen. Er denkt, seine Fans kommen wegen ihm ins Kino und nicht wegen seiner Stimme.
Während George einen Rückschlag nach dem anderen einstecken muss, ist Peppy auf den großen Leinwänden angekommen und wird zum Star.
„The Artist“ ist eine, bis ins kleinste Detail durchdachte, Hommage. Der gesamte Film ist schwarzweiß und die Bilder laufen ein klein bisschen schneller, als man es von heute gewohnt ist. Außerdem ist „The Artist“ abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen ein Stummfilm. Die Besonderheiten hören an dieser Stelle aber noch lange nicht auf. Mit sehr viel Hingabe werden Zitate und Verbeugungen an Filmklassiker inszeniert, die sehr liebevoll in die Handlung mit eingebaut werden. Dazu merkt man den Darstellern eine regelrecht unbändige Spielfreude an, wodurch ein Großteil der stimmigen Atmosphäre getragen wird. Die komponierte und perfekt abgestimmte Musik von Ludovic Bource ist vielleicht nicht besonders innovativ und einfallsreich, aber absolut unverzichtbar für den gesamten Film.
Zu guter Letzt ist das schönste an dem Film, dass seine Grundaussage zu sein scheint, dass man trotz allem Bewährten und Etablierten, immer offen sein muss und gegebenenfalls Platz für das Neue machen muss und dass Stummfilme ihre große Zeit gehabt haben, nun aber der Ton ein nicht zu missender Bestandteil der Filme geworden ist. Der Film selbst revidiert diese Aussage jedoch durch seine pure Existenz. Denn trotz der modernsten Techniken und der allgemeinen Sehgewohnheiten des heutigen Kinopublikums, funktioniert dieser Film so gut, als hätte man nie auf eine andere Art und Weise Filme gesehen. Da gibt es nicht das Befremdliche, oder das Ungewohnte. Man braucht keine Eingewöhnungszeit und man ist sofort drin.
„The Artist“ mag eine Hommage an die 20er Jahre sein, ist für mich aber auf jeden Fall ein Signal, dass all die Innovationen in Filmen der letzten Jahre überflüssig sein können. Gute Filme brauchen keine CGI Effekte, oder 3D. Schwarzweiß ist auch nicht nur dogmaesquen, eigenbrödlerischen Kunstregisseuren vorbehalten. „The Artist“ funktioniert perfekt und die Sensation, die sich nachhaltig in den Köpfen der Menschen festsetzen dürfte, wird sich in zwei Wochen in Los Angeles lüften, auf der diesjährigen Oscar-Verleihung.
The Artist (F, USA, 2011): R.: Michel Hazanavicius; D.: Jean Dujardin, Berenice Bejo, John Goodman, u.a.; M.: Ludovic Bource; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, zwischen 12:00 und 13:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

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