Wir haben schon im ersten Beitrag geklärt, dass der Serie sehr vorlagentreu ist, aber einen Aspekt dieser Vorlagentreue sollten wir noch genauer ansehen: Watson. David Burke ist nicht der erste, der Watson so intelligent und heldenhaft spielt, wie ihn Arthur Conan Doyle geschrieben hat, aber man darf ihm und der Serie wohl zuschreiben, dass er dieses Bild von Watson wieder fest beim Publikum etabliert hat, nachdem über vieleJahre hinweg Watson entweder unscheinbar oder trottelig gespielt wurde.
Und das alles ist eine unglaublich gute Entscheidung. Denn während man in anderen Filmen einen brillanten Detektiv sieht, bei dem man sich fragt, warum er die Gesellschaft von so einem Langweiler/Trottel aushält, sieht man hier zwei Männer, die sich bestens ergänzen und jeweils das Beste in ihrem Gegenüber herausbringen, die sich gegenseitig aufziehen und ärgern und doch miteinander darüber lachen, wo Holmes über Watsons schriftstellerische Tätigkeit herzieht und Watson Holmes wegen seines Drogenkonsums schimpft, und sie sich trotzdem voll vertrauen, und deren Interaktionen allein deswegen häufig die besten Szenen der Serie ausmachen.
Man kann Burke und den Autoren der Serie also nicht dankbar genug sein – und bedauert es natürlich, dass David Burke nur diese ersten beiden Staffeln bei der Serie geblieben ist, und dann die Watson-Rolle aufgegeben hat
Vielleicht noch eine kurze Bemerkung, damit manche Kommentare zu den Bildern nicht missverstanden werden: Holmes und Watson sind nicht mehr als engste Freunde, Watson ist eindeutig heterosexuell und Holmes klar an der ganzen Sache nicht interessiert. Das ist so bei Arthur Conan Doyle, das ist so in dieser Serie und das ist so in meinem Kopf. Das hält mich aber nicht davon ab, Holmes/Watson-Slash-Witze zu machen und mich herzlich zu freuen, wenn die beiden ihre Zuneigung zueinander zeigen.
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The Copper Beeches
Eine junge Frau bekommt eine Arbeitsstelle mit seltsamen Bedingungen und zieht Holmes zu Rate. Auch wenn das Holmes zu Beginn sehr unter seiner Würde findet, ist es ein faszinierender Fall mit gruseliger Atmosphäre und drum herum sehr nette Holmes-Watson-Szenen, in denen sich die beiden über Watsons literarische Aufzeichnungen kabbeln.
Grumpy!Holmes ist so mies drauf, dass er glühende Kohlen braucht um seine Pfeife anzuzünden..
Ich liebe es, wenn Holmes mit einem kleinen Fingerschwurbel Watson aufträgt, irgendwas zu machen. Außerdem: Watson in Hemd und Weste – ich hab doch so eine Schwäche für diese Kombination.
Seid ehrlich, könnt ihr diesen Gesichtsausdruck ansehen, ohne in Kichern auszubrechen? Und Watson dahinter genießt seinen Irrglauben, grad ein Kompliment bekommen zu haben…
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The Greek Interpreter
Ein Dolmetscher wird zu einer höchst ungewöhnlichen Übersetzungstätigkeit gezwungen und bittet Mycroft Holmes um Hilfe. Diese Geschichte dient mit einer düsteren Stimmung und natürlich der Einführung von Sherlocks Bruder Mycroft und des Diogenes Clubs, die zwar vielleicht einen Tick zu surreal sind für die rationale Holmes-Welt, aber trotzdem immer Spaß machen.
Ganz offensichtlich hat Sherlock den ganzen Sex-Appeal der Familie abbekommen.
Gut, man sieht hier nicht viel – aber ich finds niedlich, wie sich Holmes und Watson in dieser Szene gegenseitig festhalten.
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The Norwood Builder
Ein junger Mann steht unter Verdacht einen Mann ermordet zu haben um an sein Erbe zu kommen, und Holmes soll seine Unschuld beweisen. Kein allzu spektakulärer Fall, aber dafür bekommen wir zum ersten Mal in der Serie Lestrade zu sehen, typisch überheblich aber doch sympathisch, Watson darf wichtige Sachen herausfinden und Holmes bemuttern, und wir bekommen eine Obdachlosen-Verkleidung von Holmes.
Akrobatischer Holmes: So richtig vernünftig ist es ja nicht, auf Brettern herumzuhüpfen, die gerade abgebrannt sind…
Obdachloser Holmes: Awww. Er wär ein klasse Bettler, ich würd ihn sofort mit nach Hause nehmen und umsorgen.
Hach, Nachthemd und verwuschelte Haare. Ist ja auch schon viel zu lang her, dass wir das gesehen haben.
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The Resident Patient
Holmes wird von einem jungen Arzt zu Rate gezogen, dessen Geschäftspartner und Patient sich höchst seltsam verhält. Der Fall ist nichts Besonderes, aber wir bekommen eine Fülle an sehr schönen Holmes-Watson-Szenen. Der Anfang ist schon mal höchst niedlich: Watson analysiert (eher erfolglos) Holmes und anschließend gehen sie singend und Arm in Arm die Straße entlang. Und solche Momente gibts die ganze Folge hindurch, bis zum abschließenden Kabbeln über Geigenspielen und Watsons literarische Tätigkeiten.
Ist Arm in Arm Spazieren von zwei Männern im viktorianischen London tatsächlich normal, oder ist Holmes einfach nur sehr besitzergreifend?
Awww. Der Slash-Faktor in dieser Episode ist schon verdächtig hoch.
Kein Holmes, aber dafür Mrs Hudson, die aufgrund des von Holmes verursachten Chaos verzweifelt.
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The Red-Headed League
Ein Mann wird von einer Liga zur Unterstützung der Rothaarigen angestellt und konsultiert aufgrund der seltsamen Umstände Holmes. Ein kurioser und witziger Fall, der in dieser Serie düster Untertöne bekommt, weil er auf Moriarty (siehe nächste Folge) hinarbeitet. Dazwischen aber wie gesagt mehr witzig und mit Holmes und Watson in bester Laune und der herrlichen Couch-Hüpf-Szene.
Lachanfall. Und der rapide Wechsel zurück zum Ernst (mit ein paar unterdrückten Glucksern) ist mindestens so witzig wie das ansteckende Lachen selbst.
Eigentlich sollte man nicht so verträumt gucken, wenn man gerade an seinen Erzfeind denkt…
Ein letzter Moment von trügerischer Sicherheit, bevor wir uns zum Final Problem und Moriarty machen..
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The Final Problem
Holmes plant die Zerstörung der Kriminalorganisation von Professor Moriarty, doch dieser droht mit dem sicheren Tod, wenn Holmes dies tatsächlich angeht. Eeep. Schon bei der in dieser Folge ganz melancholisch gespielten Titelmelodie werd ich ganz traurig. Die ganze Folge steht im Zeichen von Moriartys Untergang und Holmes’ Tod und wird mit aller Spannung und Dramatik erzählt, die die Serie aufbringen kann. Der in der Vorlage nicht vorhandene kurze Einschub des Falls der Mona Lisa ist unnötig und wirkt etwas störend, der Rest ist aber auf höchstem Niveau: Eric Porter gibt einen großartigen Moriarty ab, und Holmes und Watson sind in Bestform.
Drei Mordanschläge an einem Tag – da darf unser Holmes auch mal etwas zersauster aussehen.
Dramatische Szenen: Holmes weiß ganz genau, was ihm bevorsteht und schickt Watson, der natürlich nichts ahnt, zu dessen Sicherheit weg.
Nach über hundert Jahren zählt das wohl nicht mehr als Spoiler.
Noch nicht dramatisch genug? In der letzten Szene bricht Watson (komplett in Trauerkleidung) die vierte Wand, sieht uns direkt an und spricht von seiner großen Wertschätzung für seinen toten Freund. Schluchz.
Nun – wir wissen, dass wir Holmes wieder sehen. Aber als Conan Doyle die Geschichte schrieb, meinte er es durchaus ernst – und das spürt man auch. Und es ist natürlich auch so ein ganz echter Abschied von David Burke, der seine Rolle für den Rest der Serie in die Hände von Edward Hardwicke legt. Genauso war es ein ganz realer Abschied für Jeremy Brett und zwar von seiner Frau, die nach den Dreharbeiten zu The Final Problem verstorben ist. In den nächsten Beiträgen zu dieser Serie sehen wir dann, welche Auswirkungen das alles hatte.