THE ADVENTURES OF SHERLOCK HOLMES #1

Erstellt am 30. August 2010 von Mariakaefer

Ich habe nun schon häufiger Jeremy Bretts Sherlock Holmes erwähnt, es wird Zeit, diese Serie mal ordentlich zu besprechen. Von 1984 bis 1994 drehte Granada eine Serienadaption der Werke von Arthur Conan Doyle (Kurzgeschichten in 50 Minuten, Romane in Spielfilmlänge), eng an der Vorlage orientiert und neben Brett als Holmes mit David Burke und später Edward Hardwicke als Watson.
Ich bin schwer verliebt in diese Serie und will ihr natürlich auch gerecht werden und ausreichend Platz einräumen, und außerdem Jeremy Brett mit einem Haufen Bildern würdigen, also ändern wir ein bisschen das normale Schema. Es folgt hier erstmal eine generelle Besprechung der Serie und anschließend kurze Kommentare zu den einzelnen Episoden, jeweils mit ein paar Bildern von meinen liebsten Brett-Momenten dieser Episoden. Hier die ersten sieben Episoden (die erste Staffel), der Rest folgt dann nach und nach.

Literaturadaptionen sollte man nicht rein danach bewerten, inwiefern sie der Vorlage treu sind und deren Geist gerecht werden – zu verschieden sind die Medien und Drehbuchautoren und Regisseure dürfen sich ruhig Freiheiten nehmen, wenn dabei schließlich ein guter Film rauskommt. Für Sherlock Holmes hat das ja gerade erst die fantastische modernisierte BBC-Serie bewiesen. Das muss aber nicht heißen, dassVorlagentreue etwas schlechtes wäre – man kann sich auch sklavisch ans Original halten und damit etwas Großartiges schaffen. Das ist genau das, was diese Serie macht.

Da wäre natürlich die Treue den Geschichten gegenüber – es werden nur minimale Änderungen im Handlungsverlauf vorgenommen und häufig werden die Wortlaute der Dialoge übernommen. Diese Serie geht noch weiter und bietet optische Vorlagentreue – und zwar den Illustrationen von Sidney Paget gegenüber, die die Geschichten von Arthur Conan Doyle bei ihrer originalen Publikation begleiteten. Die Szenen dieser Zeichnungen werden häufig 1:1 nachgestellt, und selbst Kleidungsdetails übernommen.
Und vor allem bleibt man den Figurencharakterisationen treu. Nach vielen Jahren von dämlichen, unkompetenten Watsons, geprägt durch die Darstellung von Nigel Bruce, bietet die Serie endlich einen sympathischen, intelligenten Watson. David Burke mag ihn noch nicht so eigenständig spielen wie die moderneren Interpretationen von Jude Law oder Martin Freeman, aber es ist immerhin eine sehr gelungene Darstellung, über die man sich nicht aufregen muss – und Burke baut auch genau die Richtige Chemie mit seinem Holmes auf. Dieser ist schließlich der klar bestechendste Aspekt dieser Serie: Jeremy Brett ist Sherlock Holmes. Dieser Satz dürfte in sehr, sehr vielen Rezensionen dieser Serie auftauchen, aber man kann es nun mal einfach nicht besser sagen.

Die ersten Momente war ich noch skeptisch und eher irritiert von seiner Art, nach der ganzen Folge sicher, dass es die ultimative Holmes-Darstellung ist und ein paar Folgen später war ich hoffnungslos verliebt. Anfangs hab ich die Folgen noch als sehr gelungene Conan-Doyle-Verfilmungen gesehen, inzwischen sehe ich sie als… nun, natürlich immer noch als hervorragende Adaptionen, aber gleichzeitig auch mit Fangirl-Augen, so dass ich alle paar Minuten bei tollen Holmes- oder Watson-Momenten verzückt kicher und quietsche. Das nimmt echt unvernünftige Ausmaße an, aber ich bin da hilflos dagegen.

Die Inszenierung der Episoden wirkt von heutigen Standards aus gesehen meist unspektakulär, aber wenn man mal mit anderen zeitgleich entstandenen TV-Kostümfilmen vergleicht (*hust*), darf man die Regie durchaus loben. Das Tempo ist durchgehend flott, die Spannung wird gut aufgebaut und auch die von vielen Geschichten erforderte gruselige Atmosphäre bekommt die Serie recht gut hin. Dazu werden immer wieder schicke Bildkompositionen dazwischengeworfen, häufig mit durch Spiegel gefilmte Protagonisten oder stimmungsvoller Ausleuchtung.

Gut, das muss fürs erste reichen, weitere Kommentare zu Aspekten der Serie gibt es in den folgenden Besprechungen, nun erstmal die Episoden der ersten Staffel, zusammen mit einem Brett-Picspam.

A Scandal in Bohemia
Holmes soll für den böhmischen König ein belastendes Foto von Irene Adler klauen. Diese erste Geschichte bietet zwar kein spannendes Rätsel, das gelöst werden muss, hat aber trotzdem hohen Unterhaltungswert: Der herrlich lächerliche König, Holmes in gleich zwei verschiedenen Verkleidungen und natürlich eine starke Frauenfigur, die Holmes überlegen ist.

Das erste Grinsen, dass wir von Brett in der Serie bekommen. Und die sind sooo ansteckend.

Irene Adler und Holmes in Verkleidung.

The Dancing Men
Eine scheinbare Kinderzeichnung versetzt eine Frau in Todesangst und Holmes muss die Bedeutung der tanzenden Männchen entschlüsseln. Eine Story, die von harmlos-kurios zu tragisch-düster wechselt und für beide Bereiche einen bestens aufgelegten Holmes bietet.

Ah, Holmes, du Kindskopf. Es sind diese rapiden Wechsel zwischen ernst und albern, die mich immer wieder kriegen.

Kindskopf #2. Damit der Titel der Geschichte auch so richtig passt.

Watson hilft Holmes in Sachen menschliche Umgangsformen auf die Sprünge, wenn dieser mal wieder zu kalt ist.

The Naval Treaty
Geheime Regierungspläne, von denen eigentlich niemand weiß, werden auf unerklärliche Weise aus einem Raum gestohlen – eine ziemlich klassische Holmes-Geschichte also. Wir beginnen die Geschichte mit wunderbarem Chaos, das Holmes in der Wohnung angerichtet hat und bekommen dazwischen immer wieder schöne Holmes-Momente, von denen ich gar nicht alles hier auflisten kann.

Gleich zwei Dinge, die ich an Brett!Holmes liebe: Wenn seine Haare etwas durcheinander sind, und wenn er mit angezogenen Beinen auf Stühlen sitzt.

Ein höchst ungewöhnlicher Moment: Holmes sinniert über die hoffnungsspendene Wirkung von Blumen…

Und auch Faulenzen in der Abendsonne ist nicht gerade typisches Verhalten.

The Solitary Cyclist
Eine junge Musiklehrerin wird von einem seltsamen Radfahrer verfolgt. Ähnlich wie bei The Dancing Men stellt sich hier eine scheinbar harmlose Sache als sehr dramatisch heraus, außerdem gibt es hier einige ganz wunderbare Interaktion zwischen Holmes und Watson

Aww, Holmes boxt so energisch, dass man keinen klaren Screenshot machen kann. Nur seine Beinarbeit sieht für mich etwas albern aus.

Holmes’ höchst erfolgreiche Chemieexperimente.

The Crooked Man
Ein Colonel scheint von seiner Frau ermordet worden zu sein, doch niemand traut ihr so eine Tat zu. Diese Folge bietet wie so manch andere Holmes-Story eine ausführliche Hintergrundgeschichte in Indien zur Zeit des Aufstands von 1857 – und ist (soweit ich das sehe) die einzige Granada-Folge, in der das “Elementary” auftaucht, allerdings umgedreht: Watson darf am Ende “Elementary, my dear Holmes” sagen (und das, obwohl er viel Zeit der Folge mit Captain-Obvious-Einsätzen verbringt “There must have been a THIRD PERSON!!”)

Ich sollte Männer, die mehr als doppelt so alt sind wie ich und  einen asexuellen Detektiv spielen, nicht so verdammt attraktiv finden…

The Speckled Band
Der unerklärliche Tod ihrer Schwester und ein mysteriöses nächtliches Pfeifen machen einer jungen Frau zu schaffen. Eine tolle Geschichte mit einem faszinierenden Rätsel, Spannung und schauriger Atmosphäre

Creepy!Holmes sieht Watson beim Schlafen zu. Aber er darf das.

Der Deerstalker, der in dieser Serie zum Glück spärlich und passend (sprich: nur bei Ausflügen aufs Land) eingesetzt wird, und hier von Holmes keck über die Augen gedrückt wird. Aww.

Bewundernswerte Detailfreude: Nach einer Nacht außer Haus haben Holmes und Watson natürlich Bartstoppeln.

The Blue Carbuncle
Ein wertvoller Edelstein wird gestohlen und findet sich in einer Weihnachtsgans wieder. Hier bekommen wir eine hübsche kleine Weihnachtsgeschichte ohne Mord und Totschlag, aber dafür mit Herzwärme und vor allem am Anfang einem unglaublich niedlichen Holmes.

Holmes wir von Mrs Hudson aufgeweckt – es folgt ein mürrisches “Go away…” und der Griff zur ersten Zigarette…

Ich hab schonmal erwähnt, wie sehr ich Holmes mit verwuschelten Haaren mag… und dann noch im Morgenrock und Nachthemd…

Die Ohren! Kann der Mann noch niedlicher sein?