The Act of Killing

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Veröffentlicht am 25. Februar 2014 | von Christoph Stachowetz

Summary: Surreale und verstörende Aufarbeitung eines historisch unaufgearbeiteten Genozids, die in allen Belangen schlichtweg beeindruckt.

Dokumentation

Eine kreative Aufarbeitung eines kaum beachteten Genozids mit den Regielegenden Errol Morris und Werner Herzog als ausführende Produzenten an Bord: Die ungewöhnliche Dokumentation The Act of Killing begeistert und schockiert gleichermaßen.

Der Dokumentarfilm-Regisseur Joshua Oppenheimer plante ursprünglich ein Projekt über die Kommunistenjagd in Indonesien zwischen 1965 und 1966 nach einem Militärputsch, bei der (sich selbst schmeichelhaft als “Gangster”-bezeichnende) Todesschwadronen zusammen mit Teilen der Armee hunderttausende Menschen auf brutalste Weise gefoltert und getötet haben.

Angesichts der Hürden bei der Umsetzung kam Oppenheimer zusammen mit seinen Regie-Kollegen (sie werden aus Angst vor Repressalien, wie viele der beim Dreh involvierten Mitarbeiter, als “Anonymous” im Abspann geführt) eine ungewöhnliche Idee: Anstatt einer Aufarbeitung aus der Sicht der Opfer oder Hinterbliebenen sollten die Akteure ihre Taten mithilfe des Drehteams bzw. dessen Equipment einfach selbst nachstellen, ohne in ihrer – rückblickend betrachtet überaus eigentümlichen – Kreativität eingeschränkt zu werden. Aufgrund der Tatsache, das auch fast 50 Jahre nach diesem groß angelegten und durchgeführten Massenmord diese vorsätzlichen Straftaten nicht historisch aufgearbeitet und die in der Öffentlichkeit hoch gehandelten Delinquenten geradezu heldenhaft verehrt werden, konnte, wie nun ersichtlich, mit Leichtigkeit auf die Eitelkeit und den Geltungsdrang der Übeltäter appelliert werden.

So folgt Oppenheimer mehreren Kleinganoven, die maßgeblich an der gezielten Auslösung der angeblichen Kommunisten, chinesischen Einwanderer und auch Intellektuellen beteiligt waren und lässt ihnen dabei freie Hand, mit bizarrsten Szenen ihrer Gräueltaten nachzuspielen. Ein Massaker in einem abgelegenen Dorf mit, im Nachhinein traumatisierten Laiendarstellern, wird dabei ebenso wie eine musikalische Traumsequenz mit choreographierten Tanzeinlagen vor einem malerischen Wasserfall methodisch inszeniert, unfreiwilliger Humor vermischt sich dabei mit den verwirrten Vorstellungen der Protagonisten hinsichtlich ihrer eigenen Verdienste.

Immer wieder wechseln diese surrealen Auszüge mit realen, aber nicht weniger absonderlichen Einblendungen aus dem (vermeintlichen) Alltag der Protagonisten: Sei es eine Ehrung durch die paramilitärische Pancasila Youth, Prahlereien vor den eigenen Enkelkindern oder ein befremdlich eindimensionales Interview in einer TV-Show – zur Erkenntnis, das hier die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sowohl in der Gedankenwelt der Akteure als auch in The Act of Killing selbst wohl fließend sind, gelangt der Zuseher ohne größere Anstrengungen.

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Über diese erschütternden Bilder hinaus schafft es Regisseur Oppenheimer überraschenderweise, mit fortschreitender Laufzeit das scheinbar unbeugsame Selbstbild zumindest eines der Darsteller aufzubrechen, was  in weiterer Folge wohl auch als eine der eindrucksvollsten Leistungen des Films heraussticht: Während der Protagonist Anwar Congo zu Beginn von The Act of Killing noch vor Stolz strotzend über die großen Vorzüge der Erdrosselung seiner unzähligen Opfer mittels selbstgebastelter Drahtschlinge schwadroniert, lässt sich der Wandel seiner bislang moralisch abgestumpften Geisteshaltung gegen Ende hin ausmachen.

Das nun vorliegende Werk The Act of Killing verblüfft seit seiner Uraufführung beim Filmfestival von Toronto im Jahr 2012 (und auch bei der letztjährigen Viennale) Kritiker und Publikum gleichermaßen, auch eine Oscar-Nominierung verschafft dem Dokumentarfilm die Öffentlichkeit, die er verdient. Noch selten konnte auf so ungewöhnliche Weise ein dunkles Kapitel eines Landes aufgerollt werden, ebenso selten konnte wohl bisher verstörendes Unbehagen und beklemmender Humor sowohl bei den Zusehern als auch – in weiterer Folge – bei den Darstellern selbst hervorgerufen werden.

Regie: Joshua Oppenheimer, Christine Cynn, Anonymous
Laufzeit: 115 Minuten (159 Minuten ungekürzt)
Kinostart: 21.02.2014, http://theactofkilling.com

Weitere Links für Interessierte:
Ein Interview mit Errol Morris und Werner Herzog,
das AMA (Ask me Anything) auf Reddit mit Herzog, Morris und Oppenheimer

Tags:5 von 5DokumentationFilm-FestivalJoshua OppenheimerViennaleViennale V'13

Über den Autor

The Act of Killing

Christoph Stachowetz Aufgabenbereich selbst definiert als: Chief of Operations. Findet “Niemand ist so uninteressant wie ein Mensch ohne Interesse” (Browne) interessant.


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