Testfall Corona-Krise: Kriegt die EU die Kurve zwischen Anspruch und Leistungen ihrer Mitglieder?

Die EU ist ein kompliziertes Gebilde aus (noch) 27 Nationalstaaten. Sie geben Teile ihrer Kompetenzen an Europa ab und empfangen dafür Leistungen. Damit die kleinen Staaten dabei nicht untergingen und überhaupt an diesem Europa interessiert waren, waren sie alle gleichberechtigt, Einstimmigkeit war bei Entscheidungen das Gebot der Stunde, die man sich zuweilen teuer bezahlen ließ. Da ging es dann zuweilen zwar zu, wie auf dem Basar, aber irgendwie hatten am Ende dann doch meistens alle irgendwie den Eindruck, es habe sich für sie gelohnt, ein Teil dieser EU zu sein.

Einer der Geburtsfehler dieser EU war im Nachhinein betrachtet, die Einführung einer gemeinsamen Währung, des €uro. Er führte schnell zur Verschuldung der schwächeren Peripheriestaaten, denen die Möglichkeit der Inflation, der Abwertung genommen war.
Man hätte es bei der Verrechnungseinheit ECU belassen sollen.

Faktisch hat dies zu einem Mehrklassen-Europa geführt, in dem offiziell gleichberechtigte Europäer aus Süd- und Osteuropa, als Billigarbeitskräfte, ob nun als Erntehelfer, als LKW-Fahrer, auf dem Bau oder in Kranken- und Pflege- und Alteneinrichtungen „benutzt“ und ausgebeutet wurden. Faktisch keine Spur von Gleichberechtigung auf Augenhöhe.

Jetzt, in der akuten Corona-Krise, geht es für viele Menschen in den meisten Staaten, ganz unabhängig von der EU ums schlichte Überleben. Dazu fehlt es ÜBERALL an Kapazitäten von adäquaten Krankenhauskapazitäten, inklusive Personal und Schutzkleidung. Es hat den Eindruck, daß die Pandemie in den einzelnen Staaten sehr ähnlich, aber zeitversetzt abläuft. Die Ansteckungskurven folgen dicht auf dicht mit jeweils exponentiellem Anstieg.

Allen betroffenen EU-Mitgliedsstaaten fehlt es buchstäblich an ALLEM. Alle versuchen sich verzweifelt Nachschub an den fehlenden Kapazitäten zu verschaffen, wenn es sein muß mit Forderungen, die entweder humanitär oder durchaus auch mit handfesten Drohungen bezüglich der Zukunft der EU in der Nach-Corona-Zeit verknüpft werden.

Aus Italien hören wir entsetzt, daß Ärzte und wohl auch Pflegepersonal ungewollt als Herren über Leben und Tod agieren müssen und täglich entscheiden wer gleich stirbt und wer zumindest noch eine befristete Chance zum Weiterleben erhält.

Jetzt kommt die menschlich verständliche Forderung an die EU, SIE müsse die vorhandenen Resourcen verwalten und zuteilen und zwar an diejenigen, die sie am dringendsten bräuchten. Dazu müssten zunächst ALLE 27 EU-Staaten nationale Kompetenzen abgeben, die das Überleben ihrer Bürger direkt beeinflussen. Das wäre der Offenbarungseid der nationalen Regierungen z.B. in Paris, Berlin, Madrid, Rom, Wien, Warschau, Budapest, allen halt! Angenommen, dies geschähe und zwar EU unüblich sehr schnell, dann müssten die einzelnen Nationalstaaten ihre Bestände vollständig, komplett und ohne stille Reserven der EU zugänglich machen. Diese Maßnahme würde rückwirkend alle nationalen Vorsichtsmaßnahmen und Planungen außer Kraft setzen.
„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ sagt ein altes Sprichwort. Ein Anderes sagt „den Letzten beissen die Hunde!“ Wer, welche demokratisch legitimierte Institution der EU dürfte diese Schiksalsfrage über Leben und Tode entscheiden und würden deren Entscheidungen in den betroffenen Nationen akzeptiert, oder käme sofort die übliche Schuldumlenkung zur Verhüllung der eigenen Unfähigkeit, der Spruch „die EU ist Schuld“? Populisten und Demagogen werden dies reflexartig tun, sie können sonst nix!

Dazu kursieren fake-news über riesige Bestände an Mangelwaren in einigen Nationalstaaten (welchen bitte?) und deren fehlende Bereitschaft diese zu verkaufen, besser natürlich, sie zu verschenken, aber ganz, ganz schnell, dabei kennen wir die realen Bestände nicht und auch nicht die Verfügbarkeit von angeblich riesigen Nachbestellungen, die dann auf einem afrikanischen Provinzflughafen spurlos verschwinden, sich in Luft auflösen…

In Deutschland und Luxembourg gibt es kleinere Aktionen schwererkrankte Corona-Patienten aus dem Elsaß grenzüberschreitend über den Rhein in freie deutsche Intensivkapazitäten zu holen und sie dort zu behandeln. Das ist menschlich sehr schön, aber wohl zeitlich sehr begrenzt? Würde man dies auch mit Erkrankten aus Flüchtlingslagern in Griechenland oder sonstwo tun? Ich las, es dauere im Schnitt ca. eine Woche der Intensivpflege, bis klar würde, ob der Patient gesunden oder sterben würde?

Was geschähe also, wenn in dieser Woche der Bedarf vor Ort so ansteigt, daß die Intensivbetten nicht ausreichen? Wer entscheidet dann, wer sterben muss und wer leben darf? Die EU, der nationale Staat? Kann man von den Menschen in der EU wirklich erwarten, daß sie akzeptieren als später Erkrankte leider sterben zu müssen, weil die Kapazitäten leider schon aufgebraucht wurden?

(Ich habe vor vielen Jahren im reichen Deutschland einen mir nahe stehenden alten Mann mangels Bett im Flur eines Krankenhauses sterben sehen und seine Leiche wurde, als er Tod war, aus Platzgründen in einer Garage zwischengelagert.)


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