Test: Garmin Forerunner 620

Von Brennr @BrennrDE

Als ich die ersten Informationen über den angekündigten Garmin Forerunner 620 erhielt, war ich schnell neugierig geworden. Die neuen Funktionen klangen sehr spannend. Messung der Bodenkontaktzeit, der vertikalen Bewegung und der Schrittfrequenz fielen dabei besonders ins Auge. Doch der FR620 hat noch mehr zu bieten. Ermittlung von VO2max, Erholungsratgeber, Recovery-Check, Datenübertragung per WLAN, Livetrackung via Smartphone mit Bluetooth smart, und und und. Alles nur technischer Schnickschnack oder nützliche Funktionen?

Gleich vorweg: Der FR620 ist die beste GPS-Laufuhr, die ich je hatte. In meinem Test werde ich nicht auf jede einzelne Funktion eingehen und bis ins Detail beschreiben. Das haben “Eiswürfel im Schuh” und “DC Rainmaker” bereits in gewohnt hoher Qualität getan. Ich möchte vor allem auf die Dinge eingehen, die mir persönlich besonders positiv, aber auch negativ aufgefallen sind.

+ schnelle Satellitensuche
Während man noch vor ein paar Jahren eine kleine Ewigkeit warten musste, bis die Uhr endlich ausreichend Satelliten für den GPS-Empfang gefunden hatte, funktioniert das inzwischen richtig schnell. Ein Grund hierfür ist die sogenannte Hotfix-Funktion. Hierbei merkt sich die Uhr den letzten bekannten Standort, wodurch die Satellitensuche deutlich kürzer ausfällt. Beginnt man jedoch seinen Lauf an einem etwas weiter entfernten Ort, muss man sich zwar ein wenig länger gedulden, was allerdings immer noch mehr als akzeptabel ist.

+ Recovery-Status
Nach einem Lauf zeigt die Uhr an, wie lange man sich erholen sollte, bis man die nächste harte Einheit absolviert. Dies errechnet sie anhand der Pulswerte, der Intensität und der Dauer. Für Anfänger ist dies eine gute Orientierung, um Übertaining und somit Verletzungen vorzubeugen. Angeblich „lernt“ die Uhr dabei aus den Laufgewohnheiten und passt sich dem Leistungsstand des Läufers an. Gemessen an den eigenen Lauferfahrung hat das immer gut gepasst. Nach einer lockeren Einheit waren es ca. 20 Stunden, nach einer harten Tempoeinheit auch mal 60+ Stunden. Wohlgemerkt bis zur nächsten harten Einheit.

+ Bestzeiten / Rekorde nach dem Lauf
Ist man während eines Laufs eine neue Bestzeit (z.B. auf 10km) gelaufen oder hat einen neuen Rekord (z.B. weitester Lauf) aufgestellt, dann wird man nach dem Beenden der Laufaufzeichnung darüber informiert. Das wirkt sich natürlich positiv auf die Motivation aus, wenn nach dem Lauf ein Pokal auf dem Display erscheint.

+ Gewicht
Nimmt man den FR620 zum ersten Mal in die Hand, fällt einem sofort das geringe Gewicht auf. Im Vergleich zu den Vorgängern hat die Uhr nochmal deutlich abgespeckt. Beim Tragen nimmt man das Gewicht kaum bis gar nicht mehr wahr, was sich auf den Tragekomfort sehr positiv auswirkt.

+ Armband für dünne Handgelenke geeignet
Läufer mit dünnen Handgelenken hatten den Forerunnern oft das Problem, das die Uhr aufgrund der steifen Form des Armbandes am Uhrengehäuse keinen guten Halt hatte. Der FR620 hat diese Bauweise nicht mehr und das Armband passt sich somit besser dem Handgelenk an bzw. kann bei dünnen Handgelenken enger getragen werden. Hierfür sind ausreichend Löcher im Armband vorhanden. Außerdem ist es möglich das Armband zu tauschen.

+ Vibration
Inzwischen haben diese Funktion viele Laufuhren, dennoch möchte ich sie nicht unerwähnt lassen, da ich sie sehr hilfreich finde. Bei meinem FR405 gibt es keine Vibration (sondern nur ein Piepton), wenn ich einen vollen Kilometer gelaufen bin. Somit verpasse ich öfter mal die Anzeige und weiß dann nicht, wie schnell ich war. Mit dem FR620 passiert das nicht. Man spürt ein angenehmes Vibrieren am Arm und ist informiert.

+ Display
Das Display des FR620 hat eine höhere Auflösung als der Vorgänger FR610. Die Größe ist allerdings gleichgeblieben. Im Verhältnis zum Uhrengehäuse wirkt es etwas klein und könnte gerne ein wenig größer sein. Dafür ist es nun farbig, was vor allem bei Anzeigen von diversen Bereichen (z.B. Schrittfrequenz) von Nutzen ist. Die Daten lassen sich aufgrund der Farbe schneller einordnen. Der Kontrast ist gut und die Beleuchtung per Knopfdruck ist hilfreich. Während beim FR405 das Glas ein wenig im Gehäuse eingelassen ist, wirkt es beim FR620 aufgrund der bündigen Bauweise ungeschützt.

+ magnetische Dockingstation ohne Probleme
Um die Uhr aufzuladen, gibt es eine kleine magnetische Dockingstation. Auf der Rückseite des FR620 gibt es Kontaktstellen, die mit der Dockingstation verbunden werden müssen. Aufgrund des eingebauten Magneten funktioniert das absolut prblemlos. Die Kontakte werden auf diese Weise schnell und präzise miteinander verbunden.

+ viele Displayeinstellungen möglich
Die Forerunner sind allgemein bekannt dafür, dass man die Datenfelder individuell einrichten und anordnen kann. Beim FR620 sind es maximal vier Datenfelder auf einer Seite (bei maximal vier Seiten). Das ist viel, eigentlich schon zu viel. Beim Laufen diese Flut an Informationen zu verarbeiten, ist mit jeder zusätzlichen Seite eine Herausforderung. Ich wusste manchmal nicht, welche Daten mir gerade angezeigt werden. Man sollte sich daher auf die wichtigsten Daten beschränken. Aber das ist ein Luxusproblem.

+ WLAN-Funktion
Sehr komfortabel ist die integrierte WLAN-Funktion, welche einen automatischen Upload der Daten zu Garmin Connect ermöglicht. Das funktioniert bei mir einwandfrei, sofern ich mich unmittelbar nach dem Lauf in Reichweite meines WLAN-Netzes befinde. Ansonsten muss ich diesen Upload per Klick auf den rechten unteren Knopf manuell anstoßen.

* Vdot & Prognose
Anhand der gesammelten Laufdaten ermittelt die Uhr einen VO2max-Wert, womit eine Prognose für diverse Wettkampfdistanzen gegeben werden kann. Mir kam der Wert etwas zu hoch vor und auch die Prognose machte einen etwas optimistischen Eindruck. Man sollte dabei beachten, dass die Prognose nur aussagefähig ist, wenn man aktuell auch für die jeweilige Distanz trainiert. Nur dann kann man einigermaßen einschätzen, wie der aktuelle Leistungsstand ist und was man derzeit laufen kann. Außerdem braucht es ein paar Läufe, bis sich ein vernünftiger Wert einpendelt.

* weißes Armband ist schmutzanfällig
Den FR620 gibt es in Weiß und Schwarz. Ich testete die weiße Variante und ich hatte das Gefühl, dass das Armband mit der Zeit einen Grauschleier bekam. Dies konnte an der dunklen Kleidung liegen, die beim Laufen über der Uhr lag. Oder einfach auch am Schmutz. Das Armband lässt sich zwar gut abwaschen, aber ich persönlich würde die nicht so anfällige schwarze Variante bevorzugen, die mir auch optisch besser gefällt.

* Nutzen der neuen Daten ohne Trainer?
Die neuen Daten sind schön und gut, aber was macht man damit? Es gibt leider keine Informationen, wie man seinen Laufstil verbessern kann, damit die Analyseergebnisse besser ausfallen. Man ist auf sich alleine gestellt und muss sich selbst schlau machen. Manch einer landet letztendlich doch bei einem echten Lauftrainer. Zumindest ein paar Tipps wären wünschenswert. Aufgefallen ist mir, dass die Werte zumindest bei mir stark vom jeweiligen Lauftempo abhängen. Beim Intervalltraining (z.B. hier) sieht man die Unterschiede bei Trittfrquenz, vertikale Bewegung und Bodenkontaktzeit deutlich.

* neue Daten nur bei Ebene aussagekräftig?
Das Messen der vertikalen Bewegung (Auf und Ab des Körpers beim Laufen), sowie der Schrittfrequenz und Schrittlänge ist an sich eine interessante Sache. Doch ich frage mich, ob diese Daten nur auf ebener Laufstrecke aussagekräftig sind. Ich kann mir nämlich gut vorstellen, dass auf hügeligem bzw. unebenem Terrain die Ergebnisse anders ausfallen, da man seinen Laufrhythmus den jeweiligen Umständen permanent anpasst. Um sicher zu gehen, sollte man daher für eine Analyse seines Laufstils besser in der Ebene laufen.

* Touchscreen teilweise schwerfällig
Wie auch der Vorgänger FR610 hat der FR620 ein Touchscreen. Ich war bzgl. Bedienbarkeit im Winter etwas skeptisch, doch es funktionierte sogar mit Handschuhen ausreichend gut. Allgemein muss ich jedoch sagen, dass das Touchscreen manchmal etwas schwerfällig ist und man wiederholt tippen muss, bis es auf die Eingabe reagiert. Leider lässt sich die Sensibilität nicht einstellen.

* Recovery-Check fragwürdig
Diese Funktion klingt auf den ersten Moment vor allem für Anfänger gut, da sie nach ein paar gelaufenen Minuten informiert werden, in welcher Verfassung bzw. wie erholt sie sind. Bei jedem meiner Läufe zeigte der Check jedoch „good“ an. Selbst nach einer harten 5km-Tempoeinheit, wovon ich mich laut Recovery-Status einen Tag hätte erholen sollen, bekam ich ein paar Minute später beim anschließenden lockeren 5km-Lauf wieder „good“ angezeigt. Auch wenn ich einen langen Lauf hatte und am nächsten Tag wieder lief, der gleiche Status. Daher ist es meines Erachtens fraglich, ob diese Info glaubwürdig ist.

* Brustgurt etwas schwierig zu verstellen
Meine bisherigen Brustgurte waren alle gleich aufgebaut. Auf der einen Seite lag das Band zum Teil doppelt übereinander, wodurch man die Länge durch einfaches Verschieben anpassen konnte. Beim Brustgurt des FR620 war diese Schleife nun dreifach. Dadurch fiel mir das Anpassen der idealen Länge deutlich schwerer. Irgendwie etwas ungeschickt gelöst. Einmal eingestellt, hielt es dann aber auch besser die Position. Allerdings ist mir aufgefallen, dass der Gurt seitlich dazu neigt, Falten zu schlagen.

* virtueller Gegner nur grob einstellbar
Etwas schade finde ich, dass man den virtuellen Gegner nicht auf Bestzeit einstellen kann (z.B.: 10km in 42:33). Man kann lediglich die Pace angeben (z.B.: 4:15 min/km), aber auch das nur in 5s-Schritten. Somit ist diese Funktion für den Wettkampf zur Orientierung nur bedingt geeignet.

* aktuelle Pace nur in 5s-Schritten
Wenn man sich die aktuelle Pace anzeigen lässt, bekommt man diese nur in 5s-Schritten dargestellt (z.B. 4:20 min/km, 4:25 min/km,..) und nicht auf die Sekunde genau. Bei der Runden-Pace oder durchschnittlichen Pace geht das sekundengenau. Keine Ahnung, wieso das so ist. Finde ich etwas unschön. Beim FR405 ging das.

- Handgelenk muss stärker gedreht werden
Ich hatte den Eindruck, dass man das Handgelenk stärker drehen muss, wenn man beim Laufen auf das Dispaly schauen möchte. Grund hierfür sehe ich in der Gestaltung des Uhrengehäuses bzw. des Armbandes. Während beim FR405 und FR610 das Gehäuse und das Band vorgeformt waren, ist beim FR620 mehr Spielraum und das Gehäuse bewegt sich beim Drehen des Handgelenkes.

- auto. Upload nur auf Garmin Connect
Die Daten des Laufs werden nicht automatisch (wie z.B. noch beim FR405 per ANT+ Stick) in den Garmin Communicator geladen. Dieser Schritt ist manuell zu tätigen und die Uhr muss hierfür per Kabel an den PC angeschlossen werden. Etwas nervig, wenn man die .tcx-Dateien für andere Tools oder Plattformen benötigt. Alternativ kann man die .tcx-Dateien von Garmin Connect herunterladen. Zudem funktioniert die API-Schnittstelle zu Tools wie z.B. Runalyze nicht mehr. Angeblich sollen diese Schnittstellen zukünftig kosten.

- keine Navigation (zurück zum Start)
Eine Funktion, die ich vermisst habe, war die Navigation zurück zur Startposition. Für mich nicht nachvollziehbar, die dies bereits mein FR405 kann. Wieso wurde diese sinnvolle Funktion rausgenommen? Schade, denn gerade wenn man im Wald auf unbekannten Pfaden unterwegs ist, kann dies doch manchmal sehr nützlich sein. Vielleicht kommt die Funktion wieder mit dem nächsten Software-Update.

- Messung neuer Daten zweilmal ausgefallen
Die Messung der vertikalen Bewegung, Bodenkontaktzeit und Schrittfrequenz wird vom Pulsgurt vorgenommen, in dem spezielle Sensoren eingebaut sind. Allerdings ist es zweimal vorgekommen, dass diese Messung ausgefallen ist. Weshalb, weiß ich leider nicht. Ist zwar nicht dramatisch, aber ärgerlich wäre es, wenn dies z.B. bei einem Marathon passiert und man auf die Daten verzichten muss.

- hoher Preis
So viele Funktionen haben ihren Preis. Ob dieser mit einer UVP von 449 EUR gerechtfertigt ist, darüber kann man diskutieren. Ich habe zmindest mit Garmin gute Erfahrungen gemacht und mein FR405 funktioniert auch nach mittlerweile über fünf Jahren einwandfrei. Wer die vielen (teils neuen) Funktionen nicht benötigt, für den lohnt sich ein Blick auf den kleinen Bruder, dem FR220. Dieser ist etwas abgespeckter als der FR620, kostet dafür aber auch deutlich weniger.

Fazit:
Der neue Garmin Forerunner 620 ist zweifelsohne eine super GPS-Laufuhr. Für mich persönlich die beste, die ich je am Arm hatte. Die Dinge, die mir negativ aufgefallen sind, sind nicht weltbewegend. Allerdings hat sie meines Erachtens noch etwas Verbesserungspotenzial. Die neue Funktionen sind zwar sehr spannend, doch man muss sich selbst fragen, ob man sie tatsächlich braucht. Falls nicht, käme der kleine Bruder FR220 in Frage, die mit einer UVP von 299 EUR deutlich günstiger (aber auch deutlich abgespeckter) erhältlich ist. Ich würde mir mehr Hilfe bei der Auswertung der neuen Daten (Schrittfrequenz, vertikale Bewegung, Schrittlänge), sowie deren Bedeutung wünschen. Der FR620 wird als “persönlicher Lauftrainer” beworben. Doch von einem Trainer erwarte ich Anweisungen, wie ich genau ich etwas besser machen kann und nicht nur eine reine Analyse bzw. Nennung der Daten. Man kann zwar erahnen, was zu ändern ist, aber wie bleibt einem selbst überlassen. Gerade Anfänger sind hier sicher überfordert. Erfahrene Läufer wissen da eventuell schon eher, was sie mit den Daten anfangen sollen und was sie ändern müssen. Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass es bei Anfängern leichter ist, messbare Laufstilanpassungen vorzunehmen, da deren Fehler meist gröber sind. Der FR620 kann letztendlich keinen menschlichen Lauftrainer voll ersetzen, doch er analysiert den Laufstil und gibt somit Hinweise, wo noch Optimierungspotenzial besteht. Wie man dies jedoch ausschöpft, bleibt einem selbst überlassen. Dennoch ist der FR620 eine gelungene GPS-Uhr, die sicher viele Fans finden wird. Einen hat sie bereits.

Hinweis: Dieses Produkt wurde mir zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. Der Testbericht wurde von mir verfasst und gibt meine persönliche Meinung wieder. Auf Inhalt und Testurteil hat der Hersteller keinerlei Einfluss.