Apples Funkkopfhörer starteten mit Verspätung. Aber jetzt starten sie durch. Wer sie bestellt, muss auch im März 2017 noch wochenlang warten. Was macht sie so besonders?
Eines waren die AirPods nicht: Eine Erfolgsgeschichte von Anfang an. Die Präsentation zusammen mit dem iPhone 7 im September vergangenen Jahres wurde im Netz mit viel Häme bedacht. Das lag zum einen sicherlich daran, dass Apple beim iPhone den Klinkenstecker für Kopfhörer abgeschafft hat. Die AirPods sind die Antwort darauf, wie sich der Hersteller die kabellose Zukunft des Kopfhörers vorstellt. Aber: Die AirPods waren damit anfangs auch „Blitzableiter“ für die mittlerweile weitgehend verstummte Kritik an dieser Veränderung.
Viel gewichtiger war als Kritikpunkt aber, dass es die AirPods monatelang schlichtweg nicht zu kaufen gab. Wer sich an ihrem Design störte oder den Preis von 179 Euro kritisierte, der tat dies basierend auf Berichten und Abbildungen. Apple lieferte zwar – wie im September angekündigt – im Dezember. Mit dem Vorbestellungsbeginn in der Weihnachtswoche und einer nur kleinen Charge, die noch im selben Monat ausgeliefert wurde, war das aber mehr Gesichtswahrung in letzter Minute als ein Start nach Maß.
Doch Schwamm drüber: Im Jahr 2017 sind die AirPods käuflich erhältlich, wenn auch momentan immer noch mit mehreren Wochen Lieferzeit, was auf einen Verkaufserfolg schließen lässt.
Apple und der Coup – endlich mal wieder
Mit den AirPods ist Apple buchstäblich wieder einmal ein kleiner Coup gelandet. Wer an Funkkopfhörer denkt, der stellt im Kopf unweigerlich die Gleichung „Kopfhörer minus Kabel“ auf. Und genau das sind die AirPods.
Die beiden Ohrstecker sind – anders als viele Bluetooth-Kopfhörer am Markt – tatsächlich einzeln nutzbar. Dies ist insofern eine technische Meisterleistung, weil sie dadurch jeweils einen eigenen Akku und beide eine eigene Funkverbindung besitzen. Und diese Verbindung muss haargenau synchron sein, denn sonst gäbe es unschöne Verzerrungen im Ton. Genau das ist der Grund, warum die meisten Hersteller ihre Funkkopfhörer untereinander per Kabel verbinden. Die Kabellosigkeit umfasst dort nur den Weg zum Gerät.
Die Magie des W1-Chips
Der zweite entscheidende Unterschied durch die AirPods ist das Verbinden mit dem Gerät. Der eigens entwickelte W1-Chip nimmt einem die lästigen Aspekte der Bluetooth-Verbindung ab und setzt dennoch diese grundsätzlich gut funktionierende Technologie für die Übertragung ein. Im Zusammenhang mit aktuellen iOS-Geräten verbinden sich die AirPods beim ersten Mal automatisch, wenn man das mitgelieferte Ladecase aufklappt. Ein Antippen auf dem Bildschirm – schon kennen sich iPhone und die AirPods. Über die iCloud kennen aber auch gleich alle anderen (modernen) Apple-Geräte, die mit dem eigenen Account verbunden sind, die AirPods. Dies erleichtert den Wechsel, etwa zwischen iPhone, iPad und Mac: Kein lästiges Aufsuchen der Bluetooth-Einstellungen, kein Pairing: Einfach nur Kopfhörer in die Ohren stecken, den Ausgabekanal wählen – los geht’s. Schade ist nur, dass auf dem iPad nicht wie auf dem iPhone ein Dialogfenster angezeigt wird, das den aktuellen Ladestand anzeigt. Dieser kann aber im Benachrichtigungscenter eingesehen werden.
Mir Android-Geräten lassen sich die AirPods über den konventionellen Bluetooth-Weg auch verwenden. Allerdings büßen sie durch den Wegfall der W1-Funktionen einen Teil ihrer Magie ein.
Abgestuftes Akku-Konzept
Punkt drei dieser Erfolgsgeschichte ist das Akkukonzept: Mit einem abgestuften Modell hat Apple einerseits elegant das Problem gelöst, dass die klitzekleinen AirPods selbst nur wenig Platz für leistungsstarke Akkus haben. Zugleich wünschen sich Nutzer meist ohnehin mehr Leistung, als mobile Geräte bieten können. Die Lösung sitzt im Case: In dieser Schatulle werden die Kopfhörer magnetisch aufbewahrt. Und aufgeladen. Das Case ist damit zugleich eine Art Powerbank für 24 Stunden Laufzeit und es erhöht das Durchhaltevermögen der AirPods, die fünf Stunden schaffen und binnen 15 Minuten bis zu drei Stunden Laufzeit auftanken können, immens.
Bleiben also noch die klassischen Fragen, die jeden Kopfhörer umgeben: Wie sitzen sie in den Ohren? Und wie klingen sie?
Guter bis sehr guter Klang
Der Klang ist für Audiophile sicherlich nicht das Höchste der Gefühle. In dieser Preisklasse gibt es von anderen Herstellern schon Kopfhörer, die eine ganz andere Qualität bieten – aber eben nicht kabellos und mit dieser Einfachheit.
Der durchschnittliche Nutzer wird den Ton jedoch zwischen gut und ausgezeichnet einstufen. Grob gesagt ist er nicht besser und nicht schlechter als bei den mitgelieferten kabelgebundenen EarPods beim iPhone. Wer es basslastiger mag, greift besser zu den BeatsX. Ich finde den Ton hingegen sehr gut – beim Musik- und Podcasthören und beim Serienschauen wirkte er stets gut abgemischt.
Die Mikrofonleistung erschien im Test hingegen nicht so gut wie erwartet zu sein. Gegenüber der Freisprechfunktion des iPhones wurde von der Gegenseite keine qualitative Verbesserung festgestellt.
Sprachsteuerung statt Tasten
Die Steuerung erfolgt über die Sprachsteuerung Siri durch Antippen des Hörers. Dies ist für einige gewöhnungsbedürftig. Wer eine Apple Watch besitzt, kann diese aber auch als Fernsteuerung nutzen. Großartig ist, dass die AirPods beim Rein- oder Herausnehmen aus den Ohren automatisch die Wiedergabe starten oder stoppen. Da das Herausnehmen üblicherweise mit dem Wunsch nach Unterbrechung der Wiedergabe verbunden ist, macht diese Funktion Sinn. Wer sie nicht benötigt, kann sie aber auch abschalten.
Die Angst vorm Rausfallen
Der Sitz in den Ohren ist bei den AirPods umso wichtiger, da kein Kabel die Kopfhörer vor dem Verlust rettet. Hier gehen die Meinungen auseinander: Einigen sind die AirPods zu rutschig und zu filigran. Der feste Sitz in den Ohren scheint mir aber weniger ein Problem zu sein, als von vielen anfangs befürchtet. Schnell stellt sich heraus, dass es vor allem das Kabel ist, das die Hörer aus den Ohren zieht. Dies fehlt hier – insofern ist der Sitz schon alleine deshalb deutlich besser als bei den EarPods.
Etwas Vorsicht ist allerdings dennoch geboten: Beim Bücken nach vorne oder mit einer Kapuze, die man unbedacht vom Kopf streicht, kann man auch schon mal unabsichtlich die AirPods abheben lassen.
Eher dürften in der Öffentlichkeit einige das Design der Ohrhörer gewöhnungsbedürftig finden.
Fazit: Besser spät als nie
Unter dem Strich bewahrheitet sich das Sprichwort: Besser spät als nie. Die AirPods sind aus Sicht des Nutzers das, was er sich im Idealfall als einfach zu bedienenden Funkkopfhörer vorstellt. Kabelgebundene Kopfhörer an Einfachheit zu unterbieten, ist keine leichte Aufgabe. Bei den AirPods wurde sie gelöst. So sieht die kabellose Zukunft aus. So muss sie aussehen.
Im Test: Apple AirPods, 179 Euro