von Bernd Zywietz
Gregory D. Miller präsentierte im Februar 2006 in Washington D.C. auf dem „Summer Workshop On Teaching Terrorism“ (SWOTT) der Political Science Association Teaching and Learning Conference einen Vortrag, in dem er sich dankenswerterweise in die Untiefen der filmfiktionalen Darstellung von Terrorismus begibt und nach dem Zweck jenseits der üblichen Kinounterhaltung fragt.
„Fear on Film: Can Hollywood Teach Us about Terrorism?“ heißt sein Papier. Auch wenn die empfehlenswertesten Filme zum Thema Terrorismus nach Millers Einschätzung leider trotz Titel nicht – oder nur mit THE SIEGE (USA 1998) – aus Hollywood stammen (Pontecorvos LA BATTAGLIA DI ALGERI / SCHLACHT UM ALGIER [I/ALG 1966] und THE TERRORIST, auf den Miller trotz Verweis in seinem Vortragspapier nicht weiter zu sprechen kommt und daher nur spekuliert werden kann, ob es sich dabei um THEEVIRAVAATHI [IND 1999] handelt), ist es begrüßenswert, dass nach dem Erkenntnisgewinn von und durch Spielfilme zum Thema Terrorismus gefragt wird.
Wenn es um die „Bildung“ geht, die solche Filme – zum Beispiel Studenten – vermitteln mögen, rührt freilich solche hüftsteife Annäherung. Filme sind kein Lehrbuch, und wenn Lehrer sie als solche nutzen oder aber kritisieren, kommt dabei oftmals Putziges heraus.
Vor allem wird aber einmal mehr (wenn hier auch nicht sonderlich schwerwiegend) deutlich, wie wenig „Laien“ zum einen von der Welt des Films und des Filmemachens wissen, und wie – nun ja, nicht gefährlich, aber unbequem dies werden kann. Da werden schon mal bei der Erforschung von Filmgewalt indizierte, nachgerade „perverse“ Underground-Horrorfilme mit kinderfreundlichen Jugendprodukten aus Hollywood in einen Topf geworfen – und auch wenn der Name „James Bond“ erklingt, wird sofort auf comic-haftes Überwältigungskino nicht nur bar, sondern fern jeder Substanz mental zurückgegriffen, ohne Rücksicht auf die kleinen aber feinen Unterschiede.
Was das nun mit Gregory D. Miller und James Bond zu tun hat? Unter „Movies with ‚terrorists‘ that I would not use“ vermerkt er: „Historically, many films have used the term terrorist as a vague label to suggest the ‚bad guy‘ in the film. James Bond films are notorious as using this device, but many other films have employed the same tactic“ (S. 4).
Das Problem hierbei: Es schleicht sich hier eine Art Meta-Klischee, ein stereotype Vorstellung über eine über stereotype Figuren und Konstellationen funktionierende Filmserie ein, eine Vorstellung, die in die Irre führt, die nicht zuletzt die erfolgreichste Reihe der Kinowelt ins falsche Licht rückt.
Grundsätzlich ist es legitim weil deutlich, wenn man die Darstellung von Terroristen als eine „wie in einem James-Bond-Film“ beschreibt: Diese Schurken-Figuren sind dann „larger than life“, überzeichnet, in einer fast juvenilen Welt angesiedelt und entsprechend rudimentär und tendenziös ausgestaltet, was auch und vor allem heißt: reduziert.
Wenn man es wörtlich nimmt, wird es allerdings heikel, denn tatsächlich ist man in Sachen Terrorismus einem so folgenschweren wie zugleich – zumindest film- und genregeschichtlich – aufschlussreichen Fehler aufgesessen, wie wenn man die Kinofigur auf einen „Kommunistenjäger“ herunterbricht, die der Agent 007 wenigstes im Kino so nie war.
Der Brite Ian Flemming, selbst während des Zweiten Weltkriegs im Geheimdienst aktiv, mag in seinen Roman in den 1950ern ehre noch die bösen Russen ins Feld geführt haben. In den zunächst von Albert R. Broccoli und Harry S. Saltzman, ab den 1970ern von Broccoli allein und seit Mitte der 1990er von dessen Tochter Barbara und seinem Stief- bzw. Adoptivsohn Michael G. Wilson produzierten Reißern ist dieses Element massiv in den Hintergrund gerückt worden. Der Geheimagent der Krone geht stattdessen überwiegend gegen megalomanische Superschurken vor, die Privatiers sind und mit denen gerade der Kapitalisten und Ausbeuter lustvoll neu- und zugleich dekonstruiert wie im Exzess zelebriert wird.
Ob mit Sean Connery, George Lazenby, Roger Moore, Timothy Dalton, Pierce Brosnan oder nun Daniel Craig: Die Nationalstaaten und ihre Ideologien mitsamt „ihrer“ Zeit des Kalten Krieges waren für den post-noblen Angestellten-Supermann zwischen Luxus, Libido und Lizenz zum Töten zu klein und steif. Schurken wie Dr. No oder Goldfinger oder mehrfach die Nemesis Ernst Stavro Blofeld waren eher die Kalter-Kriegsgewinnler, spielten die Staaten und Blöcke gegeneinander aus, erpressten sie, wollten einen Krieg zwischen ihnen anzetteln und nahmen immerzu die Privatisierung wie Globalisierung vorweg, wobei sie stets eine ökonomische Zwecklogik antrieb (die zwei Utopien-Schurken in THE SPY WHO LOVED ME / DER SPION, DER MICH LIEBTE und MOONRAKER / MOONRAKER – STRENG GEHEIM mal abgesehen).
Allein schon deswegen, wegen ihrer „Stillosigkeit“ und ihrem Ernst und Engagement für eine Glaubensfrage (ob sozialrevolutionärer, separatistischer oder religiöser Art), sind Terroristen als Gegenspieler für 007 schlecht geeignet weil ihm in seinem Hedonismus und seiner Abgeklärtheit bei allem Gutem Soldatentum unterlegen. Der richtige Bösewicht ist immer Gegenpart und Zerrbild des Helden und entsprechend müssen sie sich auf einer Ebene verständigen, sich in die Augen sehen, eine bestimmte Achtung und zugleich Verachtung für einander erübrigen können. Zum Beispiel, wenn es um das Edle und Teure geht, der Garderobe, der gesellschaftlichen Anlässe und ihren Institutionen – dem Golf- und Kartenspiel, dem Ball –, der Architektur, Autos, der Erotik und Exotik. Das ist der richtige Stand, und auch wenn sie beide, 007 und sein Gegenspieler, auf jeweils ihre eigene Art allen Luxus, der stets ein genüsslich egoistischer ist, als leere Hülle zurücklassen, braucht es in beiden einen (gemeinsamen) Level, auf den sie für sich, für einander und jeder für den Zuschauer damit „ihr“ Spiel treiben können.
Funktioniert das, wenn man vom – bestenfalls – Terrorfinanzier hinuntersteigt? James Bond im Smoking gegen die ETA? Oder am Roulette-Tisch gegen Osama Bin Laden?
Neben der strukturellen ergibt sich für die Terroristen noch eine weit simplere Hürde, die ihnen die Stellung als Weltverbrecher mit dem passenden Kaliber in den 007-Filmen verwehrt: Zu konkret und zu politisch würden sie mit ihrer unbequemen Ambivalenz den einfache Handling durch den Zuschauer in seiner Evasion stören und eine solche gewalttätige Realität mit einbringen, dass die unbeschwerte Gut-Böse-Balance kippte.
Die Spuren des Terrorismus sind denn auch sehr dünn in der nun bald 50-jährigen James-Bond-Filmgeschichte. Eine Sprengung in der Vortitel-Sequenz von GOLDFINGER, mit der (kubanische?) Revolutionäre in ihrem Treiben sabotiert werden, könnte man mit etwas gutem Willen noch dazu zählen, ansonsten aber hat sich 007 in den 1960ern und -70ern weder dem Linksextremismus (obwohl ein verlockendes Feindbild für den Snob Bond), noch dem internationalen Terrorismus der Palästinenser gewidmet – und wohlweislich schon gar nicht Nordirland, wo der britische Geheimdienst zu oft nicht sonderlich stilvoll und heldenhaft agierte und die Frage nach dem Verbleib des britischen Empires, das James Bond im Auftrag Ihrer Majestät als letzter Wachhund rund um den Globus kodiert verteidigt, allzu schmerzlich direkt an die Oberfläche getrieben und die Traum-Figur als solche entlarvt hätte (vgl. Bennett/Woollacott 1987; Zywietz 2007a).
1977 hatte Richard Maibaum allerdings die Idee, 007 gegen terroristische Nihilisten antreten zu lassen, die die alte Verbrecherorganisation SPECTRE übernehmen und kein anderes Ziel als die Weltvernichtung haben, was Broccoli zu politisch war (vgl. Tesche 2002, S. 147 f.; Cork/Scivally 2002, S 165). Stattdessen beabsichtigt nun der Schurke, der Schiffsmagnat Carl Stromberg, zwischen der Sowjetunion und den USA den Dritten Weltkrieg anzetteln, um auf dem Meeresboden eine neue Weltordnung zu begründen.
Erst zehn Jahre später, 1987 in THE LIVING DAYLIGHT /DER HAUCH DES TODES, wird Bond, nicht zuletzt mit Timothy Dalton als neuem Darsteller, etwas mehr „Realismus“ verliehen und Andreas Wisniewski als Killer Necros gegenübergestellt, dessen Kameraden vom Auftraggeber und Co-Ober-Schurken, dem Waffenhändler Whitaker (Joe Don Baker) für ihren „Kampf“ beliefert werden. Der gebürtige Westberliner gemahnt als Linksterrorist an die Zeit der RAF und ihre Ausbildung in Fatah-Lagern; hochgewachsen und blond ist er damit nicht nur einer der typischen, deutschen Helfershelfer wie „Hans“ (Ronald Rich) in YOU ONLY LIVE TWICE / MAN LEBT NUR ZWEIMAL (1967), sondern auch der perfide, hinterlistige infiltrierende Killer, der sich in Landhaus des Secret Services als Milchmann einschmuggelt oder mit „terroristischen“ Anschlägen Agenten tötet und damit im Kleinen den von größeren Schurken gesteuerten Radikalen gibt. Ein Jahr später war Wisniewski in DIE HARD zu sehen, als einer der als Terroristen „getarnten“ Gangster, die ein Hochhaus besetzen, um an die Wertpapiere in dessen Tresor zu kommen.
Mit den Mudschaheddin kämpft 007 in diesem Film auch in Afghanistan gegen die Russen – doch damals wie heute gilt und wird gerne vergessen, dass die Mudschaheddin nicht mit den Taliban gleichzusetzen sind wie auch diese nicht mit al-Qaida.
Der Begriff des „Terroristen“ findet erst in den 1990ern Einzug in den Sprachschatz der Serie. Abermals 10 Jahre später, 1997, erscheint in TOMORROW NEVER DIES Henry Gupta (Ricky Jay), der den üblichen Wissenschaftler für den diabolischen Medienmogul Elliot Carver (Jonathan Price) abgibt – der erneut einen Krieg für mehr Auflagen und die TV-Rechte für den chinesischen Markt lostreten will. Gupta, ehemals in Berkeley studiert, gelte, so Geheimdienstchefin M (Judi Dench), als Erfinder des „High-Tech-Terrorismus“, darf in Pluderhosen herumlaufen und auf einem Waffenbasar in – abermals – Afghanistan entdeckt werden. Darüber hinaus liefert er nur ein Gerät, mit dem Carver die GPS-Satelliten manipulieren kann und spielt keine größere Handlanger-Rolle als die Laser- und Atomwissenschaftler der übrigen Filme. Einen deutschen blonden Hünen als rechte Hand des Schufts, Stamper (Götz Otto), hat auch dieser Film.
Im nächsten Abenteuer findet sich endlich ein Terrorist - und ausgerechnet dieser Schurke ist einer der tragischsten und damit ambivalentesten der gesamten Bond-Reihe: Renard, dargestellt von einem fahlen, schmalen, hohlwangingen und -äugigen Robert Carlyle. Der Plot hat Züge einer klassischen Tragödie und kennt in seinen drei Hauptfiguren nur „lebende Tote“:
Nach dem Anschlagstod eines Erdölmagnaten, soll Bond (Pierce Brosnan) dessen Tochter und Erbin Elektra King (Sophie Marceau) beschützen, die in Aserbaidschan eine Ölpipeline baut. Vor Jahren wurde sie von dem weltbummelnden Terroristen Renard entführt. Doch dessen Lösegeldforderung wurde nicht erfüllt; Elektra konnte entkommen, und jetzt wird vermutet, dass Renard erneut hinter seinem Opfer her ist, sich gar mit der Ölkonkurrenz zusammengetan hat.
Doch tatsächlich sind Elektra und Renard zusammen, in einem gegenseitigen Stockholm-Syndrom verfangen: Elektra liebt Renard, der dank eines vom britischen Geheimdienst-Projektil im Schädel keine (physischen) Schmerzen mehr spürt und dem Tod geweiht ist; Renard wiederum will die seelisch vereiste Elektra die Welt zu Füßen legen, ihr bei ihrer Rache an denen helfen, die sie ihm damals überlassen haben (ihr Vater und die Geheimdienstchefin M, Bonds Vorgesetze).
Zuletzt muss Bond – qua Profession ebenfalls und notgedrungen abgestumpft – Elektra erschießen und Renard stoppen, der mittels eines russischen Atom-U-Boots den Bosporus atomar verseuchen, um Elektra das Monopol für ihre Öltransportlinie zu sichern. Soviel Emotionen hat man einem Bondschurken zuvor nicht zugestanden: Mitleid bekommt man angesichts Renards Schmerzensschreies, wenn er von Elektras Tod erfährt, sich, U-Boot und Istanbul nun in die Luft jagen will, weil es sonst nichts mehr gibt, wozu es sich zu leben lohnt. Wenn Bond ihn schließlich tötet, tauschen sie gar noch so etwas wie freundliche, mitfühlende Blicke, ein kurzes Innenhalten, und in des traurigen Renards fischige Augen schleicht sich so etwas wie Erlösung.
Auch in THE WORLD IS NOT ENOUGH schert man sich wenig um eventuelle politische Hintergründe; wie üblich bei Bond wird Renard in den schnellen Backgroundinfos des Secret Service zu einer Art Söldner gemacht, indem man einige Krisenherde als sein Betätigungsfeld aufzählt.
Auch im nächsten Bond nutzt man den in der Serie den da plötzlich in aller Munde geführten Begriff „Terrorist“, in DIE ANOTHER DAY / STIRB AN EINEM ANDEREN TAG der 2002 in die Kinos kam. Rick Yune spielt hier Zao, den Handlanger des nordkoreanischen Oberst Moon (Will Yun Lee), der sich per „Gen-Therapie“ in einen englischen Self-Made-Millionär namens Gustav Graves verwandelt (Toby Stephens) und per Killersatellit den Überfall des koreanischen Nordens auf den Süden zu forcieren. Entfernt sind hier politische Ziele erkennbar, doch Zao als Assistent wie Moon/Graves erfüllen nur wieder die typischen Bond-Schurken-Rollen, die hier in die wohl absurdesten Höhen der gesamten Serie geführt werden.
Auch der Neustart und „Prequel“ der Serie mit Daniel Craig in der Hauptrolle – CASINO ROYALE (2006) – gibt sich härter und realistischer, scheut aber weiterhin in der Frage des Terrorismus. Immerhin: Ein afrikanischer Warlord (Terrorist?) (Isaach De Bankolé) vertraut dem humorlosen Rechengenie und Finanzjongleur Le Chiffre (Mads Mikkelsen) sein Geld an – woraufhin Le Chiffre als „Bankier der Terroristen“ gehandelt wird. Einen Sprengstoffexperten (ebenfalls als Terrorist bezeichnet) kann Bond in Madagaskar ausschalten, den zweiten in letzter Sekunde davon abhalten, ein neues Flugzeugmodell in Miami in die Luft zu jagen. Doch keine ideologischen oder religiösen Gründe stecken hinter dem Attentatsplan, sondern Le Chiffres Aktienleerverkäufe der Fluggesellschaft. Nun lädt Le Chiffre zum exklusiven Pokerspiel, um den Verlust wett zu machen, derweil ihm die Afrikaner bereits wegen ihres verspekulierten Geldes im Genick sitzen.
Auch in CASINO ROYALE spielen die Macher mit dem Schauder und der Gefahr des Terrorismus, ohne ihm sonderlich nahe zu kommen oder sich die Hände daran schmutzig zu machen. Originell ist jedoch auch hier die Schurkenfigur – gerade in diesem Kontext. In der neuen Unübersichtlichkeit ist Schurke Le Chiffre, ganz in Schwarz, selbst nur ein Dienstleister, der unter Druck gerät und in als Rädchen in einem schmutzigen internationalen Getriebe selbst wiederum von einer namenlosen Dienstleistungsgesellschaft – repräsentiert von einem mysteriösen Mr. White (Jesper Christensen) – „vermittelt“ wird. Schon einen Film später, in QUANTUM OF SOLACE / EIN QUANTUM TROST (2008) kehrt man wieder zurück zu dem Großschurken, der ganze Länder beherrschen will. CASINO ROYALE aber vermittelt auf seine Weise einen – ganz und gar „Un-James-Bond-haften“ Eindruck von der modernen komplexen Vernetzung von Gewalttätern, Kriminellen, Spekulanten, Geheimdienstlern und Geschäftemachern, die alle verbunden und doch in ihrer Spezialisierung und Rationalisierung ganz für sich arbeiten bzw. keine Scheu haben, Aufgaben auszulagern. Nach der weltpolitischen ist bei Bond hier auch die wirtschaftstheoretische Wende eingeläutet.
SCHLUSS
Man sieht, die James-Bond-Filme halten sich fern von den Terroristen oder gehen mit ihnen recht vorsichtig um. Darüber hinaus sind die 007-Streifen jedoch höchst spannend, wenn es um die Terror- bzw. Katastrophen-Maschinen geht, die zumeist zur Erpressung eingesetzt werden, die die Großanschlagsszenarien und sonstige Super-Terror-Plots des (Terrorismus-) Actionfilms massiv mitbegründeten und den 11. September 2001 quasi „vorwegnahmen“.
Auch Bond selbst, bei allem Smoking und schießenden Luxusauto, verkörpert in gewisser Weise ein terroristisches Grundprinzip, wie es besonders nach 9/11 paradigmatisch in der Vorstellung geworden ist.
„[…] [G]erade in Zeiten des ‚Krieges gegen den Terror‘ [kann man] die Figur James Bond als durchweg pikanten Helden verstehen, was seiner Art der ‚Kriegsführung‘ betrifft. Wenn das Metier der Schurken in den 007-Filmen die Technikplanung ist, ist Bonds jenes der -improvisation, und wo es auf die Auseinandersetzung zwischen Höllenmaschine und Taschenmesser hinausläuft, kann man letzteres leicht als Teppichmesser lesen, mit dem sich z.B. Passierflugzeuge kapern lassen. Bond als asymmetrischer Krieger, der sich in den Apparat des Feindes einschleicht, um ihn mit allerlei Täuschung, von innen her zu besiegen? Man kann James Bond bei all dem spielerischen Charakter seiner Abenteuer als mittlerweile unangenehm vertraute Version des David sehen, der gegen Goliath antritt“ (Zywietz 2007b, S. 171).
Literatur:
Bennett, Tony / Woollacott, Janet (1987): Bond and Beyond. The Political Career of a Popular Hero. London: Routledge
Cork, John / Scivally, Bruce (2002): James Bond. Die Legende von 007. Bern, München, Wien: Scherz
Tesche, Siegfried (2002): Das große James-Bond-Buch. Berlin: Henschel
Zywietz, Bernd (2007a): Faszinosum 007. Mythos, Souveränität und Nostalgie oder: Wie „James Bond“ funktioniert. In: Andreas Rauscher / Bernd Zywietz / Georg Mannsperger / Cord Krüger (Hrsg.): Mythos 007. Die James-Bond-Filme im Fokus der Popkultur. Mainz: Bender Verlag,S. 16–35
Zywietz, Bernd (2007b): „Schmutziges Gerät“. Zur Technik der Bond-Schurken. In: Andreas Rauscher / Bernd Zywietz / Georg Mannsperger / Cord Krüger (Hrsg.): Mythos 007. Die James-Bond-Filme im Fokus der Popkultur. Mainz: Bender Verlag, S. 160–180
Gregory D. Miller präsentierte im Februar 2006 in Washington D.C. auf dem „Summer Workshop On Teaching Terrorism“ (SWOTT) der Political Science Association Teaching and Learning Conference einen Vortrag, in dem er sich dankenswerterweise in die Untiefen der filmfiktionalen Darstellung von Terrorismus begibt und nach dem Zweck jenseits der üblichen Kinounterhaltung fragt.
„Fear on Film: Can Hollywood Teach Us about Terrorism?“ heißt sein Papier. Auch wenn die empfehlenswertesten Filme zum Thema Terrorismus nach Millers Einschätzung leider trotz Titel nicht – oder nur mit THE SIEGE (USA 1998) – aus Hollywood stammen (Pontecorvos LA BATTAGLIA DI ALGERI / SCHLACHT UM ALGIER [I/ALG 1966] und THE TERRORIST, auf den Miller trotz Verweis in seinem Vortragspapier nicht weiter zu sprechen kommt und daher nur spekuliert werden kann, ob es sich dabei um THEEVIRAVAATHI [IND 1999] handelt), ist es begrüßenswert, dass nach dem Erkenntnisgewinn von und durch Spielfilme zum Thema Terrorismus gefragt wird.
Wenn es um die „Bildung“ geht, die solche Filme – zum Beispiel Studenten – vermitteln mögen, rührt freilich solche hüftsteife Annäherung. Filme sind kein Lehrbuch, und wenn Lehrer sie als solche nutzen oder aber kritisieren, kommt dabei oftmals Putziges heraus.
Vor allem wird aber einmal mehr (wenn hier auch nicht sonderlich schwerwiegend) deutlich, wie wenig „Laien“ zum einen von der Welt des Films und des Filmemachens wissen, und wie – nun ja, nicht gefährlich, aber unbequem dies werden kann. Da werden schon mal bei der Erforschung von Filmgewalt indizierte, nachgerade „perverse“ Underground-Horrorfilme mit kinderfreundlichen Jugendprodukten aus Hollywood in einen Topf geworfen – und auch wenn der Name „James Bond“ erklingt, wird sofort auf comic-haftes Überwältigungskino nicht nur bar, sondern fern jeder Substanz mental zurückgegriffen, ohne Rücksicht auf die kleinen aber feinen Unterschiede.
Was das nun mit Gregory D. Miller und James Bond zu tun hat? Unter „Movies with ‚terrorists‘ that I would not use“ vermerkt er: „Historically, many films have used the term terrorist as a vague label to suggest the ‚bad guy‘ in the film. James Bond films are notorious as using this device, but many other films have employed the same tactic“ (S. 4).
Das Problem hierbei: Es schleicht sich hier eine Art Meta-Klischee, ein stereotype Vorstellung über eine über stereotype Figuren und Konstellationen funktionierende Filmserie ein, eine Vorstellung, die in die Irre führt, die nicht zuletzt die erfolgreichste Reihe der Kinowelt ins falsche Licht rückt.
Grundsätzlich ist es legitim weil deutlich, wenn man die Darstellung von Terroristen als eine „wie in einem James-Bond-Film“ beschreibt: Diese Schurken-Figuren sind dann „larger than life“, überzeichnet, in einer fast juvenilen Welt angesiedelt und entsprechend rudimentär und tendenziös ausgestaltet, was auch und vor allem heißt: reduziert.
Wenn man es wörtlich nimmt, wird es allerdings heikel, denn tatsächlich ist man in Sachen Terrorismus einem so folgenschweren wie zugleich – zumindest film- und genregeschichtlich – aufschlussreichen Fehler aufgesessen, wie wenn man die Kinofigur auf einen „Kommunistenjäger“ herunterbricht, die der Agent 007 wenigstes im Kino so nie war.
Der Brite Ian Flemming, selbst während des Zweiten Weltkriegs im Geheimdienst aktiv, mag in seinen Roman in den 1950ern ehre noch die bösen Russen ins Feld geführt haben. In den zunächst von Albert R. Broccoli und Harry S. Saltzman, ab den 1970ern von Broccoli allein und seit Mitte der 1990er von dessen Tochter Barbara und seinem Stief- bzw. Adoptivsohn Michael G. Wilson produzierten Reißern ist dieses Element massiv in den Hintergrund gerückt worden. Der Geheimagent der Krone geht stattdessen überwiegend gegen megalomanische Superschurken vor, die Privatiers sind und mit denen gerade der Kapitalisten und Ausbeuter lustvoll neu- und zugleich dekonstruiert wie im Exzess zelebriert wird.
Ob mit Sean Connery, George Lazenby, Roger Moore, Timothy Dalton, Pierce Brosnan oder nun Daniel Craig: Die Nationalstaaten und ihre Ideologien mitsamt „ihrer“ Zeit des Kalten Krieges waren für den post-noblen Angestellten-Supermann zwischen Luxus, Libido und Lizenz zum Töten zu klein und steif. Schurken wie Dr. No oder Goldfinger oder mehrfach die Nemesis Ernst Stavro Blofeld waren eher die Kalter-Kriegsgewinnler, spielten die Staaten und Blöcke gegeneinander aus, erpressten sie, wollten einen Krieg zwischen ihnen anzetteln und nahmen immerzu die Privatisierung wie Globalisierung vorweg, wobei sie stets eine ökonomische Zwecklogik antrieb (die zwei Utopien-Schurken in THE SPY WHO LOVED ME / DER SPION, DER MICH LIEBTE und MOONRAKER / MOONRAKER – STRENG GEHEIM mal abgesehen).
Allein schon deswegen, wegen ihrer „Stillosigkeit“ und ihrem Ernst und Engagement für eine Glaubensfrage (ob sozialrevolutionärer, separatistischer oder religiöser Art), sind Terroristen als Gegenspieler für 007 schlecht geeignet weil ihm in seinem Hedonismus und seiner Abgeklärtheit bei allem Gutem Soldatentum unterlegen. Der richtige Bösewicht ist immer Gegenpart und Zerrbild des Helden und entsprechend müssen sie sich auf einer Ebene verständigen, sich in die Augen sehen, eine bestimmte Achtung und zugleich Verachtung für einander erübrigen können. Zum Beispiel, wenn es um das Edle und Teure geht, der Garderobe, der gesellschaftlichen Anlässe und ihren Institutionen – dem Golf- und Kartenspiel, dem Ball –, der Architektur, Autos, der Erotik und Exotik. Das ist der richtige Stand, und auch wenn sie beide, 007 und sein Gegenspieler, auf jeweils ihre eigene Art allen Luxus, der stets ein genüsslich egoistischer ist, als leere Hülle zurücklassen, braucht es in beiden einen (gemeinsamen) Level, auf den sie für sich, für einander und jeder für den Zuschauer damit „ihr“ Spiel treiben können.
Funktioniert das, wenn man vom – bestenfalls – Terrorfinanzier hinuntersteigt? James Bond im Smoking gegen die ETA? Oder am Roulette-Tisch gegen Osama Bin Laden?
Neben der strukturellen ergibt sich für die Terroristen noch eine weit simplere Hürde, die ihnen die Stellung als Weltverbrecher mit dem passenden Kaliber in den 007-Filmen verwehrt: Zu konkret und zu politisch würden sie mit ihrer unbequemen Ambivalenz den einfache Handling durch den Zuschauer in seiner Evasion stören und eine solche gewalttätige Realität mit einbringen, dass die unbeschwerte Gut-Böse-Balance kippte.
Die Spuren des Terrorismus sind denn auch sehr dünn in der nun bald 50-jährigen James-Bond-Filmgeschichte. Eine Sprengung in der Vortitel-Sequenz von GOLDFINGER, mit der (kubanische?) Revolutionäre in ihrem Treiben sabotiert werden, könnte man mit etwas gutem Willen noch dazu zählen, ansonsten aber hat sich 007 in den 1960ern und -70ern weder dem Linksextremismus (obwohl ein verlockendes Feindbild für den Snob Bond), noch dem internationalen Terrorismus der Palästinenser gewidmet – und wohlweislich schon gar nicht Nordirland, wo der britische Geheimdienst zu oft nicht sonderlich stilvoll und heldenhaft agierte und die Frage nach dem Verbleib des britischen Empires, das James Bond im Auftrag Ihrer Majestät als letzter Wachhund rund um den Globus kodiert verteidigt, allzu schmerzlich direkt an die Oberfläche getrieben und die Traum-Figur als solche entlarvt hätte (vgl. Bennett/Woollacott 1987; Zywietz 2007a).
1977 hatte Richard Maibaum allerdings die Idee, 007 gegen terroristische Nihilisten antreten zu lassen, die die alte Verbrecherorganisation SPECTRE übernehmen und kein anderes Ziel als die Weltvernichtung haben, was Broccoli zu politisch war (vgl. Tesche 2002, S. 147 f.; Cork/Scivally 2002, S 165). Stattdessen beabsichtigt nun der Schurke, der Schiffsmagnat Carl Stromberg, zwischen der Sowjetunion und den USA den Dritten Weltkrieg anzetteln, um auf dem Meeresboden eine neue Weltordnung zu begründen.
Erst zehn Jahre später, 1987 in THE LIVING DAYLIGHT /DER HAUCH DES TODES, wird Bond, nicht zuletzt mit Timothy Dalton als neuem Darsteller, etwas mehr „Realismus“ verliehen und Andreas Wisniewski als Killer Necros gegenübergestellt, dessen Kameraden vom Auftraggeber und Co-Ober-Schurken, dem Waffenhändler Whitaker (Joe Don Baker) für ihren „Kampf“ beliefert werden. Der gebürtige Westberliner gemahnt als Linksterrorist an die Zeit der RAF und ihre Ausbildung in Fatah-Lagern; hochgewachsen und blond ist er damit nicht nur einer der typischen, deutschen Helfershelfer wie „Hans“ (Ronald Rich) in YOU ONLY LIVE TWICE / MAN LEBT NUR ZWEIMAL (1967), sondern auch der perfide, hinterlistige infiltrierende Killer, der sich in Landhaus des Secret Services als Milchmann einschmuggelt oder mit „terroristischen“ Anschlägen Agenten tötet und damit im Kleinen den von größeren Schurken gesteuerten Radikalen gibt. Ein Jahr später war Wisniewski in DIE HARD zu sehen, als einer der als Terroristen „getarnten“ Gangster, die ein Hochhaus besetzen, um an die Wertpapiere in dessen Tresor zu kommen.
Mit den Mudschaheddin kämpft 007 in diesem Film auch in Afghanistan gegen die Russen – doch damals wie heute gilt und wird gerne vergessen, dass die Mudschaheddin nicht mit den Taliban gleichzusetzen sind wie auch diese nicht mit al-Qaida.
Der Begriff des „Terroristen“ findet erst in den 1990ern Einzug in den Sprachschatz der Serie. Abermals 10 Jahre später, 1997, erscheint in TOMORROW NEVER DIES Henry Gupta (Ricky Jay), der den üblichen Wissenschaftler für den diabolischen Medienmogul Elliot Carver (Jonathan Price) abgibt – der erneut einen Krieg für mehr Auflagen und die TV-Rechte für den chinesischen Markt lostreten will. Gupta, ehemals in Berkeley studiert, gelte, so Geheimdienstchefin M (Judi Dench), als Erfinder des „High-Tech-Terrorismus“, darf in Pluderhosen herumlaufen und auf einem Waffenbasar in – abermals – Afghanistan entdeckt werden. Darüber hinaus liefert er nur ein Gerät, mit dem Carver die GPS-Satelliten manipulieren kann und spielt keine größere Handlanger-Rolle als die Laser- und Atomwissenschaftler der übrigen Filme. Einen deutschen blonden Hünen als rechte Hand des Schufts, Stamper (Götz Otto), hat auch dieser Film.
Im nächsten Abenteuer findet sich endlich ein Terrorist - und ausgerechnet dieser Schurke ist einer der tragischsten und damit ambivalentesten der gesamten Bond-Reihe: Renard, dargestellt von einem fahlen, schmalen, hohlwangingen und -äugigen Robert Carlyle. Der Plot hat Züge einer klassischen Tragödie und kennt in seinen drei Hauptfiguren nur „lebende Tote“:
Nach dem Anschlagstod eines Erdölmagnaten, soll Bond (Pierce Brosnan) dessen Tochter und Erbin Elektra King (Sophie Marceau) beschützen, die in Aserbaidschan eine Ölpipeline baut. Vor Jahren wurde sie von dem weltbummelnden Terroristen Renard entführt. Doch dessen Lösegeldforderung wurde nicht erfüllt; Elektra konnte entkommen, und jetzt wird vermutet, dass Renard erneut hinter seinem Opfer her ist, sich gar mit der Ölkonkurrenz zusammengetan hat.
Doch tatsächlich sind Elektra und Renard zusammen, in einem gegenseitigen Stockholm-Syndrom verfangen: Elektra liebt Renard, der dank eines vom britischen Geheimdienst-Projektil im Schädel keine (physischen) Schmerzen mehr spürt und dem Tod geweiht ist; Renard wiederum will die seelisch vereiste Elektra die Welt zu Füßen legen, ihr bei ihrer Rache an denen helfen, die sie ihm damals überlassen haben (ihr Vater und die Geheimdienstchefin M, Bonds Vorgesetze).
Zuletzt muss Bond – qua Profession ebenfalls und notgedrungen abgestumpft – Elektra erschießen und Renard stoppen, der mittels eines russischen Atom-U-Boots den Bosporus atomar verseuchen, um Elektra das Monopol für ihre Öltransportlinie zu sichern. Soviel Emotionen hat man einem Bondschurken zuvor nicht zugestanden: Mitleid bekommt man angesichts Renards Schmerzensschreies, wenn er von Elektras Tod erfährt, sich, U-Boot und Istanbul nun in die Luft jagen will, weil es sonst nichts mehr gibt, wozu es sich zu leben lohnt. Wenn Bond ihn schließlich tötet, tauschen sie gar noch so etwas wie freundliche, mitfühlende Blicke, ein kurzes Innenhalten, und in des traurigen Renards fischige Augen schleicht sich so etwas wie Erlösung.
Auch in THE WORLD IS NOT ENOUGH schert man sich wenig um eventuelle politische Hintergründe; wie üblich bei Bond wird Renard in den schnellen Backgroundinfos des Secret Service zu einer Art Söldner gemacht, indem man einige Krisenherde als sein Betätigungsfeld aufzählt.
Auch im nächsten Bond nutzt man den in der Serie den da plötzlich in aller Munde geführten Begriff „Terrorist“, in DIE ANOTHER DAY / STIRB AN EINEM ANDEREN TAG der 2002 in die Kinos kam. Rick Yune spielt hier Zao, den Handlanger des nordkoreanischen Oberst Moon (Will Yun Lee), der sich per „Gen-Therapie“ in einen englischen Self-Made-Millionär namens Gustav Graves verwandelt (Toby Stephens) und per Killersatellit den Überfall des koreanischen Nordens auf den Süden zu forcieren. Entfernt sind hier politische Ziele erkennbar, doch Zao als Assistent wie Moon/Graves erfüllen nur wieder die typischen Bond-Schurken-Rollen, die hier in die wohl absurdesten Höhen der gesamten Serie geführt werden.
Auch der Neustart und „Prequel“ der Serie mit Daniel Craig in der Hauptrolle – CASINO ROYALE (2006) – gibt sich härter und realistischer, scheut aber weiterhin in der Frage des Terrorismus. Immerhin: Ein afrikanischer Warlord (Terrorist?) (Isaach De Bankolé) vertraut dem humorlosen Rechengenie und Finanzjongleur Le Chiffre (Mads Mikkelsen) sein Geld an – woraufhin Le Chiffre als „Bankier der Terroristen“ gehandelt wird. Einen Sprengstoffexperten (ebenfalls als Terrorist bezeichnet) kann Bond in Madagaskar ausschalten, den zweiten in letzter Sekunde davon abhalten, ein neues Flugzeugmodell in Miami in die Luft zu jagen. Doch keine ideologischen oder religiösen Gründe stecken hinter dem Attentatsplan, sondern Le Chiffres Aktienleerverkäufe der Fluggesellschaft. Nun lädt Le Chiffre zum exklusiven Pokerspiel, um den Verlust wett zu machen, derweil ihm die Afrikaner bereits wegen ihres verspekulierten Geldes im Genick sitzen.
Auch in CASINO ROYALE spielen die Macher mit dem Schauder und der Gefahr des Terrorismus, ohne ihm sonderlich nahe zu kommen oder sich die Hände daran schmutzig zu machen. Originell ist jedoch auch hier die Schurkenfigur – gerade in diesem Kontext. In der neuen Unübersichtlichkeit ist Schurke Le Chiffre, ganz in Schwarz, selbst nur ein Dienstleister, der unter Druck gerät und in als Rädchen in einem schmutzigen internationalen Getriebe selbst wiederum von einer namenlosen Dienstleistungsgesellschaft – repräsentiert von einem mysteriösen Mr. White (Jesper Christensen) – „vermittelt“ wird. Schon einen Film später, in QUANTUM OF SOLACE / EIN QUANTUM TROST (2008) kehrt man wieder zurück zu dem Großschurken, der ganze Länder beherrschen will. CASINO ROYALE aber vermittelt auf seine Weise einen – ganz und gar „Un-James-Bond-haften“ Eindruck von der modernen komplexen Vernetzung von Gewalttätern, Kriminellen, Spekulanten, Geheimdienstlern und Geschäftemachern, die alle verbunden und doch in ihrer Spezialisierung und Rationalisierung ganz für sich arbeiten bzw. keine Scheu haben, Aufgaben auszulagern. Nach der weltpolitischen ist bei Bond hier auch die wirtschaftstheoretische Wende eingeläutet.
SCHLUSS
Man sieht, die James-Bond-Filme halten sich fern von den Terroristen oder gehen mit ihnen recht vorsichtig um. Darüber hinaus sind die 007-Streifen jedoch höchst spannend, wenn es um die Terror- bzw. Katastrophen-Maschinen geht, die zumeist zur Erpressung eingesetzt werden, die die Großanschlagsszenarien und sonstige Super-Terror-Plots des (Terrorismus-) Actionfilms massiv mitbegründeten und den 11. September 2001 quasi „vorwegnahmen“.
Auch Bond selbst, bei allem Smoking und schießenden Luxusauto, verkörpert in gewisser Weise ein terroristisches Grundprinzip, wie es besonders nach 9/11 paradigmatisch in der Vorstellung geworden ist.
„[…] [G]erade in Zeiten des ‚Krieges gegen den Terror‘ [kann man] die Figur James Bond als durchweg pikanten Helden verstehen, was seiner Art der ‚Kriegsführung‘ betrifft. Wenn das Metier der Schurken in den 007-Filmen die Technikplanung ist, ist Bonds jenes der -improvisation, und wo es auf die Auseinandersetzung zwischen Höllenmaschine und Taschenmesser hinausläuft, kann man letzteres leicht als Teppichmesser lesen, mit dem sich z.B. Passierflugzeuge kapern lassen. Bond als asymmetrischer Krieger, der sich in den Apparat des Feindes einschleicht, um ihn mit allerlei Täuschung, von innen her zu besiegen? Man kann James Bond bei all dem spielerischen Charakter seiner Abenteuer als mittlerweile unangenehm vertraute Version des David sehen, der gegen Goliath antritt“ (Zywietz 2007b, S. 171).
Literatur:
Bennett, Tony / Woollacott, Janet (1987): Bond and Beyond. The Political Career of a Popular Hero. London: Routledge
Cork, John / Scivally, Bruce (2002): James Bond. Die Legende von 007. Bern, München, Wien: Scherz
Tesche, Siegfried (2002): Das große James-Bond-Buch. Berlin: Henschel
Zywietz, Bernd (2007a): Faszinosum 007. Mythos, Souveränität und Nostalgie oder: Wie „James Bond“ funktioniert. In: Andreas Rauscher / Bernd Zywietz / Georg Mannsperger / Cord Krüger (Hrsg.): Mythos 007. Die James-Bond-Filme im Fokus der Popkultur. Mainz: Bender Verlag,S. 16–35
Zywietz, Bernd (2007b): „Schmutziges Gerät“. Zur Technik der Bond-Schurken. In: Andreas Rauscher / Bernd Zywietz / Georg Mannsperger / Cord Krüger (Hrsg.): Mythos 007. Die James-Bond-Filme im Fokus der Popkultur. Mainz: Bender Verlag, S. 160–180