Terror, Überwachung und Bespitzelung im Wandel der Zeiten

Terror, Überwachung und Bespitzelung im Wandel der Zeitenvon Siegfried R. Krebs

WEIMAR. (fgw) Überwachung, Kontrolle, Bespitzelung, schließlich Terror. Wer meint, das seien Schlagworte zur Kennzeichnung des 20. oder des beginnenden 21. Jahrhunderts, der irrt. Und man benötigt dafür auch nicht modernste Techniken und Technologien.

Dieses oben erwähnte Phänomen ist, wenn man sich intensiv mit der Geschichte befaßt, zwar nicht so alt wie die Geschichte der Menschheit. Wohl aber so alt, wie die Geschichte von Staaten und die diese tragenden Ideologien, sprich Religionen.

Die Herrschenden wollten eben zu jeder Zeit sicher sein, daß kein kritischer Geist diese ihre Macht in Frage stellt. Und das gilt ganz besonders da, wo Priesterkasten die weltliche Macht unterwandert haben. Oder da, wo sie unbedingt an die Macht kommen wollen.

Der von Ruben Wickenhäuser herausgegebene Episodenroman illustriert das auf eine ganz besondere Weise. Die 17 historischen Miniaturen, verfaßt von in ihrem Stil sehr unterschiedlichen Autoren beiderlei Geschlechts, lesen sich wie lebendige Geschichte und sprechen Kopf und Herz gleichermaßen an.

Den Reigen eröffnet eine Geschichte, die im Alten Ägypten vor gut 3.400 Jahren spielt. Pharao Echnaton stellte die religiöse Welt seines Volkes auf den Kopf: An die Stelle der vielen Götter trat der Eine. Und das, um selbst unmittelbarer herrschen zu können. Das aber konnte nur mittels einer Gedankenpolizei und brutalem Terror gelingen… Für nur kurze Zeit.

Zwei Geschichten führen ins Alte Rom. Eine davon greift das Thema von der angeblichen Brandstiftung Neros auf. Spionage und auf Machtergreifung gerichtete Sabotagepläne der frühen Christenführer treffen auf die Abwehr und Gegenspionage des Kaisers. Schon hier wird deutlich, es werden historische Quellen reflektiert, daß die Wortführer der Christen bereits damals Wasser predigten und selbst besten Wein tranken, daß für sie die Menschen keinesfalls Gleiche und Nächste waren. Sklaverei war für sie ein gottgebener Zustand und der christliche Sklave in erster Linie ein Sklave… Was die Verkünder des Monotheismus am meisten störte, das war die religiöse Toleranz der antiken Staaten… Wenn jeder nach seiner Fasson selig werden darf, dann kann man ihm auch keine Sünden und kein Hoffen auf ein besseres Leben erst im Jenseits einreden. Und dann bedarf es auch keiner Apostel, Beichtiger und Bischöfe…

Mehrere Geschichten widmen sich dann dem Thema der Heiligen Inquisition, die eine der schlimmsten Auswüchse der katholischen Kirche war.

Die für mich gelungenste Geschichte hat Olaf Kappelt beigesteuert: “Das verratene Briefgeheimnis”. Ein aus der Nachwelt auf die Ereignisse seiner Zeit zurückblickender Friedrich schildert das Preußen des beginnenden 18. Jahrhunderts. Einerseits erließ sein Vater eines der ersten Postgesetze, das das Postgeheimnis zum obersten Gebot erklärte. Anderseits brach der König es fortwährend, wenn es um die Korrespondenzen seines Sohnes ging. Friedrichs Ausbruchsversuch aus diesem Regime steht im Mittelpunkt. Und wie der König seine Persönlichkeit brach, indem er Katte, des Kronprinzen Freund, vor dessen Augen hinrichten ließ…

Der Reigen der Schlaglichter setzt sich fort mit Episoden aus der napoleonischen Besetzung des Rheinlandes, aus der Zeit des Bismarckschen Sozialistengesetzes, aus dem Nazi-Reich und dem ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik. Lesenswert ist hier vor allem die Offenlegung der den Hebammen in der Nazizeit zugedachten Aufgabe, angeblich lebensunwertes Leben gleich nach der Geburt den Behörden zu melden.

Einen Ausblick auf online-Bespitzelung und durch diese mögliche Zerstörung von Existenzen gibt eine Geschichte aus der Zukunft.

Verbindendes Element all dieser Episoden aus den verschiedensten Zeiten und Kulturen ist das “steinerne Auge”. Ein Augen-Achat, der als Talisman seinen Träger vor Unheil schützen soll. Alle Helden haben diesen Achat aus den unterschiedlichsten Gründen bekommen und nutzen ihn als Amulett, als bloßen Schmuck, als Souvenir oder nur als geologisches Sammelobjekt. Doch keinem seiner Besitzer bringt er Glück oder schützt vor Bespitzlung, Terror oder Tod auf höheren Geheiß.

Wickenhäuser, Ruben Philipp (Hg.): Das steinerne Auge. Historischer Episodenroman zu Terror, Überwachung und Bespitzelung im Wandel der Zeiten. 368 S. Hardcover. Bookspot-Verlag München 2009. 19,80 Euro. ISBN 978-3-937357-35-5

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]


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