Terror im Alltag

Der Terror ist in Deutschland angekommen. Er hat sich über den Umweg der Sprache, in den Köpfen festgesetzt - nur stofflich ist er noch nicht in der deutschen Wirklichkeit angelangt. Der Terror ist jedoch anwesend: aufgrund Terrorgefahr schlägt man regelmäßig Terroralarm, um etwaige Terrorverdächtige von ihren Terrorplänen abzubringen; man berichtet überdies von Terrorcamps, Terrorflügen, Terrorpaketen, Terrorchefs und Terrormoscheen, die von Terrorexperten beleuchtet werden - am Ende klopft sich diese Republik auf die Schulter, weil wieder einmal ein Terroranschlag vereitelt wurde. Terror, der selbst zum Terror wurde... 

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Photo: zoonabar

Kuriose Komposita sind dabei entstanden. So zum Beispiel der Terrorexperte, der in den Medien auftritt um diverse Terrorpraktiken (noch so eine Komposition!) zu erklären und aufzeigen, der aber per definitionem auch auf der anderen, nämlich der terroristischen Seite stehen könnte, als ausgewiesene Kapazität und sachkundiger Bombenbauer etwa. Der Begriff hat sich allerdings verselbständigt, einen Terrorexperten aus dem terroristischen Lager nennt man eher Terrorchef - und dies, obwohl ein solcher gleich gut der Leiter eines fiktiven Ressorts Terrorismus bei einer Zeitung oder der Vorgesetzte eines Bombenentschärfungskommandos sein könnte. Es handelt´sich demnach um Begriffe, die trotz ihrer unkonkreten Haltung, dennoch zielgerichtete Verwendung finden.
Der Terroranschlag ist eine weitere höchst fadenscheinige Zusammenstellung. Der Anschlag für sich alleine bedeutete schon eine gewalttätige Handlung, die zielgenau gegen Mensch oder Material verübt wird - der Anschlag ohne eine Voranstellung verbreitet damit Schrecken. Terror ist mit Schrecken übersetzbar: aus dem Anschlag einen Terroranschlag zu konstruieren, ist in etwa so, als würde man dem Zwerg ein Klein- oder dem Riesen ein Groß- vorschieben. Eine effektheischende Komposition endlich, die dem Terrorhype (nein, nicht noch so ein Wort: davon liest man nämlich äußerst wenig!) gerecht werden soll.

Als besonders interessant erweist sich das Terrorpaket, wobei anzumerken ist, dass es auch ein Anti-Terror-Paket gibt - letzteres ist aber nicht etwa das Gegenteil, nicht etwa ein Paket gefüllt mit unterroristischen Keksen oder Büchern: es ist ein Substantiv, dass der heute beliebten Paketierung geschuldet ist; einer Paketschnürung, die mehrere Gesetze, Vorhaben, Pläne metaphorisch zu einem Paket verknotet. Das Terrorpaket ist eine Schachtel, in der Sprengstoff liegt; kein metaphorisches Paket: ein wirklicher Karton. Und in diesem Karton liegt, jedenfalls terminologisch, keine Bombe: es liegt der Terror darin - womöglich der gesamte Terrorismus dieser Welt. Es gäbe alternativ dazu den Begriff der Paketbombe, der aber in Tagen der Terrormania nicht herangezogen wird. Das Paket ist damit mehr als bloßer Sprengstoff, im Paket ist der Terror verpackt und damit die Möglichkeit, die kollektive Panik nicht gegen eine konkrete Bombe, sondern gegen den gesamten abstrakten Terrorismus zu wenden; somit mittels Panikmache eine Bereitschaft zu erschleichen, die weiteren Eingriffen in die Privatsphäre geduldig gegenübersteht.
Dort wo Terror herrschte, wäre die stete Bemühung terroristischer Wortvoranstellungen entbehrlich, sinnlos geradezu - man müsste nicht mehr pointieren, dass Terror oder Schrecken wütete, man spürte es ohnedies. Die Verterrorisierung der politischen Umgangssprache holt den Terror ins Bewusstsein, wenn schon nicht in die Wirklichkeit - sie holt ihn dergestalt in die Besinnung, als sei er unumwunden ante portas. Der Terror mit dem Terror solleine latente Terrorstimmung verankern - wenn der Terror schon nicht ankommt, um etwaige Freiheitsbeschneidungen zu begründen, so muß er zumindest sprachlich eingebettet werden.


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