Terror-Fahnder Kurtulus überlebt ein letztes Mal

Von Newssquared @Oliver_schreibt

Terror-Fahnder Kurtulus überlebt ein letztes Mal

Es ist der letzte Tatort, den Cenk Batu überleben wird. Leser der Bild-Zeitung haben bereits die Bilder des toten verdeckten Ermittlers gesehen. Wie er am Boden liegt, mit Einschussloch in der Stirn und mit von Blut durchtränktem Hemd. Dazu die Schlagzeile «Hier stirbt der Tatort-Kommissar für Til Schweiger». Der Keinohrhasen- und Kokowääh-Star hatte Anfang Dezember nach wochenlangen Spekulationen bestätigt, dass er im nächsten Jahr den Dienst als Kommissar in Hamburg antritt.

Doch noch ist Mehmet Kurtulus im Revier, noch muss er als verdeckter Ermittler seinen Ausstand geben. Und der wird spektakulär. Darauf deutet schon sein vorletzter Fall hin, der manchen Tatort-Zuschauer verstören wird. Wieder einmal. Man denke nur an die Proteste vor zwei Wochen, die auf die Tatort-Folge Das Dorf mit Ulrich Tukur folgten. Nun ermittelt Kurtulus in einem Tatort, in dem es noch nicht einmal einen Mord gibt.

Spannend ist die Folge trotzdem. Und für Kurtulus ist es «sicher einer der heikelsten» Tatorte seiner Kommissar-Laufbahn, wie der 39-jährige Schauspieler sagt. Die Folge Der Weg ins Paradies führt den türkischstämmigen Ermittler mitten in islamistische Kreise und an seine persönliche Belastbarkeitsgrenze.

Aus Cenk wird ein radikaler Moslem

Getarnt als radikaler Moslem wird er in eine terroristische Zelle eingeschleust, um einen Bombenanschlag zu verhindern, der die westliche Lebensweise und das Bundeswehr-Engagement in Afghanistan abstrafen soll. Zeitpunkt und Ziel soll Batu herausfinden. Der Ermittler muss für diesen Einsatz wieder einmal seine komplette Identität aufgeben, muss seine Wohnung auflösen und persönliche Kontakte abbrechen. Auch den zu einer jungen Frau (Anne Bederke), die er gerade kennen gelernt hat und in die er sich zu verlieben beginnt. Aus Cenk wird Taylan – ein griesgrämiger Mann mit buschigem Bart.

«Seine türkischen Wurzeln und sein muslimischer Hintergrund machen Batu zum passenden Kandidaten für diese heikle Mission», erklärt Ira Neukirchen, zuständige Redakteurin beim Norddeutschen Rundfunk (NDR). Zudem erinnere der Fall an die «ganz eigene Bedeutung» der Terroranschläge vom 11. September 2001 für die Hansestadt: «In der sogenannten Hamburger Zelle lebten und studierten einige der Attentäter unauffällig mitten unter uns.» Hier wurde der Anschlag auf das World Trade Center in New York geplant und vorbereitet.

Im Tatort wird die Terrorzelle von einem deutschen Konvertiten angeführt: Christian Marschall (Ken Duken) ist ein hochintelligenter junger Mann – und extrem misstrauisch. Batu gelingt es, zu ihm vorzudringen, und wird von Marschall mehrfach auf die Probe gestellt, bevor er ihn offiziell in die Terrorzelle aufnimmt. Das ist jedoch nicht Batus einziges Problem bei dieser Operation: Das Bundeskriminalamt (herrlich zynisch: Martin Brambach) hat den Fall mittlerweile übernommen und selbst Batus Chef Uwe Kohnau (Peter Jordan) wird nicht mehr in alle Details des Falls eingeweiht. Der verdeckte Ermittler weiß zunehmend weniger, wer mit oder gegen ihn arbeitet.

Der Psychopath hinter der Maske

Mehmet Kurtulus ist kein klassischer Held, er ist rau und doch gutherzig und kämpft vor allem gegen sich selbst. Wo hört die Loyalität zur eigenen Religion auf und wo fängt Extremismus an? Für Kurtulus’ Batu zum Beispiel, wenn eine junge unschuldige Frau ins Visier der Terrorzelle gerät. Sein Gegenspieler Ken Duken gibt den Anführer der Terrorzelle als einen Psychopathen hinter der Maske eines vernachlässigten Sohnes. Und die Mitglieder seiner Organisation sind im Grunde verlorene Seelen, die sich aus vielerlei Gründen dem Terror verschrieben haben und eigentlich doch nur einem Familienersatz nachtrachten: Akbar (Murali Perumal) hat Familienangehörige beim Militäreinsatz in Afghanistan verloren und der Loser-Typ Sperling (Tristan Seith) findet in der Islamistenclique endlich einen Sinn für sein verkorkstes Leben.

Der Weg ins Paradies ist nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera exzellent besetzt. Regie führte Lars Becker, dessen Tatort von der ersten Minute an fesselt und sich abhebt von der sonntäglichen Krimi-Unterhaltung, in der üblicherweise ein Zweierpärchen ermittelt und sich in Dialogen über den Fall austauscht.

Zugegeben: Leicht haben es die Batu-Fälle dem Zuschauer nie gemacht, die große Mehrheit des Tatort-Klientels wurde mit dem einsamen Undercover-Cop und der unkonventionellen Erzählweise einfach nicht warm. Becker hält Batu hingegen «für eine total unterschätzte Figur, weil sie einfach nicht zur Erwartungshaltung des üblichen Tatort-Zusehers passt». Frei nach dem Motto: «Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht.» Man dürfe auch nicht vergessen, «dass hier ein Kommissar mit türkischen Wurzeln erzählt wird. Das muss man einem deutschen Millionenpublikum erst mal verkaufen.»

Der NDR muss dies nur noch einmal tun: Im März wird der sechste und letzte Fall mit Mehmet Kurtulus ausgestrahlt. Dann kommt Til Schweiger. Und der kann, wie NDR-Fernsehspielchef Christian Granderath in einem Interview mit spiegel-online sagte, «gerne bis 2068 ermitteln».

Bestes Zitat: «Wen sollen eure Schwestern heiraten? Einen Hans-Jörg aus Buxtehude? Oder einen Mann, der bereit ist, für seine Familie und seinen Glauben zu sterben?» (Christian Marschall hetzt beim Nachhilfeunterricht in der islamistischen Gemeinde Schüler auf)

Was passiert in Mehmet Kurtulus’ vorletzten Tatort? In unserer Bilderstrecke erfahren Sie es.

Titel: Tatort – Der Weg ins Paradies
Regie: Lars Becker
Darsteller: Mehmet Kurtulus, Peter Jordan, Ken Duken, Martin Brambach, Tristan Seith
Sendetermin: Sonntag, 18. Dezember 2011, 20.15 Uhr, Das Erste

Quelle:
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Hamburger «Tatort» – Terror-Fahnder Kurtulus überlebt ein letztes Mal