WEIMAR. (fgw) Bereits kurz nach dem Start seiner neuen Reihe Carat (“Romantik, Liebe, Leidenschaft”) hat der Münchner Bookspot den zweiten Band in dieser Reihe historischer Liebesromane vorgelegt: Tereza Vaneks “Das Geheimnis der Jaderinge”. Die Geschichte vor dem Hintergrund des Taiping-Aufstandes (1851 – 64) spielt im China Anfang der 1880er Jahre. Ihren Anfang aber nimmt sie in der Hansestadt Hamburg.
In buchstäblich letzter Minute und in all ihrer Verzweiflung nimmt die junge Frau ein Angebot als Gesellschafterin einer alten und schwerkranken englischen Witwe in Shanghai an. Der Jadering hatte Viktorias Neugier auf das ferne und unbekannte China geweckt. Sie wird bald die Vertraute der alten Frau und stößt bei dieser auf einen zweiten, zu ihrem passenden Jadering. Dabei wird sie in ein dunkles Familiengeheimnis ihrer Arbeitgeber verwickelt. Die unkonventionelle Viktoria, die sich inzwischen auch eines chinesischen Jungen angenommen hat, verliert wegen ihrer Nachforschungen ihre Arbeit. Mit Hilfe der alten Lady jedoch findet sie eine neue Stelle als Sprachlehrerin eines hohen Mandarins in der Hauptstadt Peking. Dort freundet sie sich mit dessen dritter Frau an. Doch auch hier eckt sie an, wird wieder stellungslos. Bei ihrem Umherirren in der Stadt wird sie von einer alten Chinesin und deren Sohn gerettet. Wie es der Zufall will, handelt es sich bei diesen um die Familie der oben erwähnten dritten Ehefrau.
An dieser Stelle führt das Geschehen zurück in die Zeit des Taiping-Aufstandes, eine der blutigsten Rebellionen der Menschheitsgeschichte. Die alte Chinesin war seinerzeit Soldatin und Offizierin der Taiping-Armee. Sie verliebte sich in einen jungen Engländer, der Handelsverbindungen mit den christlich orientierten Aufständischen anknüpfen sollte. Trotz aller Verbote des Taiping-Herrschers wächst die Liebe des ungleichen Paares, ein gemeinsamer Sohn wird gezeugt. In Todesangst fliehen sie zurück nach Shanghai und es wird sogar christlich geheiratet. Doch der Mann kehrt aus dem Haus seiner Familie nicht zurück. Die Chinesin muß sich mit ihrem Kind irgendwie durchschlagen. Wie, das wird anschaulich beschrieben.
Das Familiengeheimnis wird nunmehr weitgehend offenbar, auch durch Viktorias Jadering. Also begeben sich die Chinesin, ihr Sohn Jinzi und Viktoria auf den Weg nach Shanghai. Unterwegs müssen sie viele lebensgefährliche Abenteuer bestehen. Die Chinesin stirbt. Und auf ihrem langen Wege verlieben sich Viktoria und Jinzi ineinander. In Shanghai gelingt es Viktoria nur durch eine List, ins Haus ihrer früheren Arbeitgeber zu kommen und mit der alten Lady zu sprechen. Nun klärt sich das bisherige Geheimnis vollständig auf. Aber Viktoria und Jinzi verlieren einander aus den Augen. Ob es dennoch auch für sie ein Happy End geben kann, das soll nicht verraten werden.
Dies ist zwar eine rein fiktive Geschichte, aber sie atmet dennoch Authenzität! Sie ist spannend und einfühlsam zugleich erzählt. Tereza Vanek gelingt es, sich in die damaligen Verhältnisse in China hineinzuversetzen und vermeidet so jeglichen romantisierenden Zungenschlag. Die Gesellschaftskritik wird offenbar: Hier die europäischen Herrenmenschen, die sich ungebeten in das uralte Reich eingenistet haben, mit aller Verachtung für Dienstboten und erst recht für die Menschen ihres “Gastlandes”. Dort die verderbten Mandarine des untergehenden Kaiserreiches. Dort auch die unbarmherzig ausgebeuteten Kulis in Land und Stadt. Die Beschreibungen von Stadtteilen und Dörfern sind gelungen, decken sich mit überlieferten bildlichen Zeugnissen.
Breiten Raum nimmt das Geschehen während des Taiping-Aufstandes ein. Die fiktive Geschichte liest sich wie ein Geschichtsbuch – spannend und faktenreich. Bei diesem Aufstand handelte es sich nicht nur um eine Bauernrevolte, wie so oft in China. Nein, der Anführer verstand sich nach der Lektüre als jüngerer Bruder des Jesus von Nazareth und wollte zugleich die Bibel auf seine Weise umsetzen. Das sicherte den Aufständischen zunächst die Unterstützung europäischer Mächte. Doch das vulgär-christliche Regiment der neuen Christen brachte nicht das Himmelreich auf Erden. Aber nicht deshalb entschieden sich die Kolonialmächte schließlich für die kaiserliche Seite…
Bei ihrem Lebensbericht gegenüber Viktoria sagt die alte Chinesin über die Verhältnisse im christlichen Taiping-Reich: “Ich habe viele Menschen getötet. Damals erschien es mir richtig. Ich folgte den Befehlen eines Mannes, der behauptete, den Willen des einzigen, allmächtigen Gottes zu kennen. Und dieser Gott befahl das Morden.” (S.244) Auch ihr englischer Liebster kommt zu Wort: “Ich habe es immer an den Chinesen geschätzt, dass dieser Irrsinn hier nicht stattfand. [Gemeint sind Bücherverbrennungen und die Vernichtung anderer Zeugnisse anderer Kulturen etc., die die christliche Priesterkaste von Anfang betrieben hat; SRK]. Buddhisten, Daoisten und Konfuzianer vermochten Seite an Seite zu leben, ohne sich um ihres Glaubens willen gegenseitig zu massakrieren.” (S.341) Und zum christlichen Anführer der Taipings bemerkt er: “Euer König hat die Unzucht verboten. Weshalb hat er selbst dann aber sogar mehrere Frauen?” (S.345)
Tereza Vanek (1966 in Prag geboren und in München aufgewachsen) hat mit ihrem historischen Frauenroman auf überaus gelungene und ansprechende Weise das Anliegen der neuen Reihe Carat “Romantik, Liebe, Leidenschaft” umgesetzt. Doch mehr als das! Auch wenn viele Wendungen und Begegnungen höchst wundersam sind, so mindert das nicht die historische Genauigkeit. Alles in allem: Ein sehr empfehlenswerter Roman mit subtiler Gesellschaftskritik.
Tereza Vanek: Das Geheimnis der Jaderinge. Roman. 656 S. Hardcover m.Schutzumschlag. Edition Carat im Bookspot-Verlag. München 2011. 16,95 Euro. ISBN 978-3-937357-53-9
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]