Tereza Vanek – Das Geheimnis der Jaderinge

Von Nicsbloghaus @_nbh

WEIMAR. (fgw) Bereits kurz nach dem Start sei­ner neuen Reihe Carat (“Romantik, Liebe, Leidenschaft”) hat der Münchner Bookspot den zwei­ten Band in die­ser Reihe his­to­ri­scher Liebesromane vor­ge­legt: Tereza Vaneks “Das Geheimnis der Jaderinge”. Die Geschichte vor dem Hintergrund des Taiping-Aufstandes (1851 – 64) spielt im China Anfang der 1880er Jahre. Ihren Anfang aber nimmt sie in der Hansestadt Hamburg.

Viktoria Virchow, die Tochter und Erbin eines Großreeders, fei­ert ihren 21. Geburtstag. Ihr Vater gibt aus die­sem Anlaß Viktorias Verlobung mit einem Baron aus ver­arm­ter Familie bekannt. So wie das sei­ner­zeit üblich war, als sich Geburtsadel und Geldadel mit­ein­an­der ver­ban­den. Und… der kunst­lie­bende Vater schenkt sei­ner Tochter noch einen unschein­ba­ren Jadering aus China. Viktoria ist in roman­ti­scher Liebe zu “ihrem” Baron ent­brannt und läßt sich des­halb von die­sem noch vor der Ehe ent­jung­fern. Doch schon bald nach ihrem Geburtstagsfest ver­liert der Reeder durch Piraten seine Schiffe, es kommt zum Totalruin. Der Vater erschießt sich, der Verlobte will von der nun­mehr bet­tel­ar­men jun­gen Frau nichts mehr wis­sen. Viktoria ver­sucht nun, aller­dings ver­geb­lich, in Hamburg beruf­lich Fuß zu fas­sen.

In buch­stäb­lich letz­ter Minute und in all ihrer Verzweiflung nimmt die junge Frau ein Angebot als Gesellschafterin einer alten und schwer­kran­ken eng­li­schen Witwe in Shanghai an. Der Jadering hatte Viktorias Neugier auf das ferne und unbe­kannte China geweckt. Sie wird bald die Vertraute der alten Frau und stößt bei die­ser auf einen zwei­ten, zu ihrem pas­sen­den Jadering. Dabei wird sie in ein dunk­les Familiengeheimnis ihrer Arbeitgeber ver­wi­ckelt. Die unkon­ven­tio­nelle Viktoria, die sich inzwi­schen auch eines chi­ne­si­schen Jungen ange­nom­men hat, ver­liert wegen ihrer Nachforschungen ihre Arbeit. Mit Hilfe der alten Lady jedoch fin­det sie eine neue Stelle als Sprachlehrerin eines hohen Mandarins in der Hauptstadt Peking. Dort freun­det sie sich mit des­sen drit­ter Frau an. Doch auch hier eckt sie an, wird wie­der stel­lungs­los. Bei ihrem Umherirren in der Stadt wird sie von einer alten Chinesin und deren Sohn geret­tet. Wie es der Zufall will, han­delt es sich bei die­sen um die Familie der oben erwähn­ten drit­ten Ehefrau.

An die­ser Stelle führt das Geschehen zurück in die Zeit des Taiping-Aufstandes, eine der blu­tigs­ten Rebellionen der Menschheitsgeschichte. Die alte Chinesin war sei­ner­zeit Soldatin und Offizierin der Taiping-Armee. Sie ver­liebte sich in einen jun­gen Engländer, der Handelsverbindungen mit den christ­lich ori­en­tier­ten Aufständischen anknüp­fen sollte. Trotz aller Verbote des Taiping-Herrschers wächst die Liebe des unglei­chen Paares, ein gemein­sa­mer Sohn wird gezeugt. In Todesangst flie­hen sie zurück nach Shanghai und es wird sogar christ­lich gehei­ra­tet. Doch der Mann kehrt aus dem Haus sei­ner Familie nicht zurück. Die Chinesin muß sich mit ihrem Kind irgend­wie durch­schla­gen. Wie, das wird anschau­lich beschrie­ben.

Das Familiengeheimnis wird nun­mehr weit­ge­hend offen­bar, auch durch Viktorias Jadering. Also bege­ben sich die Chinesin, ihr Sohn Jinzi und Viktoria auf den Weg nach Shanghai. Unterwegs müs­sen sie viele lebens­ge­fähr­li­che Abenteuer beste­hen. Die Chinesin stirbt. Und auf ihrem lan­gen Wege ver­lie­ben sich Viktoria und Jinzi inein­an­der. In Shanghai gelingt es Viktoria nur durch eine List, ins Haus ihrer frü­he­ren Arbeitgeber zu kom­men und mit der alten Lady zu spre­chen. Nun klärt sich das bis­he­rige Geheimnis voll­stän­dig auf. Aber Viktoria und Jinzi ver­lie­ren ein­an­der aus den Augen. Ob es den­noch auch für sie ein Happy End geben kann, das soll nicht ver­ra­ten wer­den.

Dies ist zwar eine rein fik­tive Geschichte, aber sie atmet den­noch Authenzität! Sie ist span­nend und ein­fühl­sam zugleich erzählt. Tereza Vanek gelingt es, sich in die dama­li­gen Verhältnisse in China hin­ein­zu­ver­set­zen und ver­mei­det so jeg­li­chen roman­ti­sie­ren­den Zungenschlag. Die Gesellschaftskritik wird offen­bar: Hier die euro­päi­schen Herrenmenschen, die sich unge­be­ten in das uralte Reich ein­ge­nis­tet haben, mit aller Verachtung für Dienstboten und erst recht für die Menschen ihres “Gastlandes”. Dort die ver­derb­ten Mandarine des unter­ge­hen­den Kaiserreiches. Dort auch die unbarm­her­zig aus­ge­beu­te­ten Kulis in Land und Stadt. Die Beschreibungen von Stadtteilen und Dörfern sind gelun­gen, decken sich mit über­lie­fer­ten bild­li­chen Zeugnissen.

Breiten Raum nimmt das Geschehen wäh­rend des Taiping-Aufstandes ein. Die fik­tive Geschichte liest sich wie ein Geschichtsbuch – span­nend und fak­ten­reich. Bei die­sem Aufstand han­delte es sich nicht nur um eine Bauernrevolte, wie so oft in China. Nein, der Anführer ver­stand sich nach der Lektüre als jün­ge­rer Bruder des Jesus von Nazareth und wollte zugleich die Bibel auf seine Weise umset­zen. Das sicherte den Aufständischen zunächst die Unterstützung euro­päi­scher Mächte. Doch das vulgär-christliche Regiment der neuen Christen brachte nicht das Himmelreich auf Erden. Aber nicht des­halb ent­schie­den sich die Kolonialmächte schließ­lich für die kai­ser­li­che Seite…

Bei ihrem Lebensbericht gegen­über Viktoria sagt die alte Chinesin über die Verhältnisse im christ­li­chen Taiping-Reich: “Ich habe viele Menschen getö­tet. Damals erschien es mir rich­tig. Ich folgte den Befehlen eines Mannes, der behaup­tete, den Willen des ein­zi­gen, all­mäch­ti­gen Gottes zu ken­nen. Und die­ser Gott befahl das Morden.” (S.244) Auch ihr eng­li­scher Liebster kommt zu Wort: “Ich habe es immer an den Chinesen geschätzt, dass die­ser Irrsinn hier nicht statt­fand. [Gemeint sind Bücherverbrennungen und die Vernichtung ande­rer Zeugnisse ande­rer Kulturen etc., die die christ­li­che Priesterkaste von Anfang betrie­ben hat; SRK]. Buddhisten, Daoisten und Konfuzianer ver­moch­ten Seite an Seite zu leben, ohne sich um ihres Glaubens wil­len gegen­sei­tig zu mas­sa­krie­ren.” (S.341) Und zum christ­li­chen Anführer der Taipings bemerkt er: “Euer König hat die Unzucht ver­bo­ten. Weshalb hat er selbst dann aber sogar meh­rere Frauen?” (S.345)

Tereza Vanek (1966 in Prag gebo­ren und in München auf­ge­wach­sen) hat mit ihrem his­to­ri­schen Frauenroman auf über­aus gelun­gene und anspre­chende Weise das Anliegen der neuen Reihe Carat “Romantik, Liebe, Leidenschaft” umge­setzt. Doch mehr als das! Auch wenn viele Wendungen und Begegnungen höchst wun­der­sam sind, so min­dert das nicht die his­to­ri­sche Genauigkeit. Alles in allem: Ein sehr emp­feh­lens­wer­ter Roman mit sub­ti­ler Gesellschaftskritik.

Tereza Vanek: Das Geheimnis der Jaderinge. Roman. 656 S. Hardcover m.Schutzumschlag. Edition Carat im Bookspot-Verlag. München 2011. 16,95 Euro. ISBN 978-3-937357-53-9

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]