Da unsere Erkältungen unseren ganzen Zeitplan durcheinander gebracht haben, wäre unsere Abreise aus der Stadt der Lotosse (Ubon = Lotos; Ratchathani = Stadt) genau auf meinen Geburtstag gefallen. Wir entschieden uns, noch einen Tag länger zu bleiben, um nicht im Bus feiern zu müssen. Da es Samstag war, mussten wir uns schon vorher von einigen unserer Kursmitglieder verabschieden, da die über das Wochenende wieder in das English-Camp für die Kinder fuhren. Außerdem musste Oz in seine Heimat an der kambodschanischen Grenze fahren, weil dort Unruhen wegen des strittigen Tempels (Weltkulturerbe, um das sich Thailand und Kambodscha streiten; er soll durch die Schusswechsel nun eingestüzt sein.) ausgebrochen waren. Wir aßen auf dem Nachtmarkt ein letztes Mal zusammen und der Abschied war wiedereinmal schwer. Uma und ihre Freundin Samantha (wie die Taiwanesinnen geben sich manche Thais englische Namen, damit sie sich Ausländer besser merken können) versprachen uns, dass sie zu Ehren meines Geburtstags und als Dankeschön für unseren Kurs eine Stadttour vorbereiten würden.
Wir trafen die zwei am nächsten Morgen, nachdem wir mit Kuchenstückchen um Mitternacht in meinen Geburtstag gefeiert hatten. Mit dem Minibus fuhren wir in die Stadt hinein und Samantha packte ihre Zettel aus: Sie hatte sich unheimlich viel Arbeit gemacht und zu allen möglichen Tempeln Informationen auf Englisch vorbereitet. Trotzdem die Studenten Englisch studieren, haben sie es doch sehr viel schwerer als wir, denn sie müssen die völlig neue Aussprach und die Buchstaben lernen. Viele, wie auc Samantha, sind zudem noch sehr schüchtern.
Wir gingen gleich in den ersten Tempel und der war riesig! Ein Tempel hier ist oft nicht nur ein Gebäude, sondern ein ganzer Komplex von Häusern, Türmen, Statuen und Bäumen. Als wir ankamen, hörten wir sofurt das Summen der Mönche, die, wie Samantha uns erklärte, vor dem Frühstück und Mittagessen beteten. Abendbrot gibt es nicht. Übrigens muss laut Uma jeder Mann hier Mönch gewesen sein, bevor er heiratet. Es gibt jedoch Schnellkurse (7 Tage oder so). Auf der rechten Seite des Eingangs stand ein Haus mit einem komischen hohen Turm darauf. Später erfuhren wir, dass das Gebäude eine Art Krematorium sei. Die Asche der Toten wird, wenn sie genug Geld für den Tempel gespendet hatten, in einer Art Grabstein eingemauert, der auf dem Grundstück des Tempels steht. Manchmal zeigen die zugemauerten Stücke ein Bild von dem Verstorbenen. Oft finden sich um ihn herum noch offene Stellen im Stein, in denen die Verwandten bestattet werden. Vor dem ersten Tempelgebäude standen zwei riesige Stoßzähne und zwischen ihnen wie in einem kitschiegen Gartenzwerg-Hintergarten viele Figuren auf Steinen platziert. Es waren so viele und in ihrer Art völlig durcheinander gewürfelt (asiatische Figuren, aber auch Rehe und eine Soldat), so dass es erst einmal übertrieben wirkte, Doch dann erklärte Samantha ein paar der schöneren Figuren und wir erkannten auf einmal das Kunstvolle und Schöne in ihnen. Zum Beispiel gab es da den Rahu, der den Mond in seinen Händen hält und daran rumknabbert und der bei jeder Mondfinsternis mit Stöcken, die gegen Bäume geschlagen werden, wieder vom Himmel verscheucht wird, damit der Mond wieder scheinen und die Welt sich vom Tag regenerieren kann.
Dann betraten wir unser erstes Tempelgebäude, natürlich barfuß. Der Raum an sich war eher altmodisch, aber noch nicht so alt, dass er als schön gelten würde. Der „Altar“ war jedoch überwältigens mit den vielen goldbemalten Figuren. In der Mitte saß natürlich der goldene, in Thailand sehr schlanke, Buddha. Links davor werden die Knochen eines berühmten Mönches in einer Kiste aufbewahrt, davor noch einmal ein kleiner Buddha aus Jade. Links an der Decke wird die Geschichte Buddhas erzählt. All diese Kleinigkeiten nimmt man gar nicht wahr, wenn sie einem nicht erklärt werden, und so waren wir sehr dankbar, dass wir unsere zwei Führerinnen dabei hatten. Weiter auf dem Tempelgelände gelangten wir zu einer Reihe von Buddhas, die in verschiedenen Positionen verharrten. Jede Position stehr für einen Wochentag, an dem man Geburtstag haben kann. Da musste ich gleich mal schauen und Jere fand heraus, dass ich vor 26 Jahren an einem Dienstag und Jere fast ein Jahr vorher an einem Freitag geboren wurde. Mein Buddha war somit, wie sollte es auch anders sein, der liegende Buddha. Jeres Buddha steht und hat die Hände vor der Brust verschränkt. Alle Statuen stehen für einen Teil der Buddha-Geschichte. Mein liegender Buddha hat sich in die Position begeben, um dem eitlen Riesen, der sich nicht vor ihm verneigen will, eine Lehre zu erteilen.
Andere Teile des Tempels wurden gerade neu gebaut und man sah die unbemalten Figuren aus Zement. Generell, erklärten uns die beiden Mädels, sei der Tempel eine Mischung aus verschiedenen Kulturen. So zeigten sie uns zum Beispiel chinesische Ornamente und den indischen Buddha, der viel runder gebaut ist. In einem anderen Gebäude standen an der linken Wand Glaskästen mit den jeweiligen Wochentagsbuddhas. Nach Münzeinwurf wurde ein Band mit der Stimme eines Mönchs abgespielt, der ein Gebet sprach. Außerdem befanden sich in dem Raum zwi merkwürdig aussehende Steine. Samantha erklärte uns, wie man diese „benutzt“. Man kniet sich vor den ersten Stein und wünscht sich etwas mit der Frage, ob dies in Erfüllung geht und wenn man den Stein bis zu einer gewissen Höhe anheben kann (grob bis über die Augenbrauen), dann erfüllt sich der Wunsch. Beim zweiten Stein ist die Frage etwas anders zu stellen, aber das gleiche Prinzip. Weiterer Wunscherfüller ist ein großer Blechgong, den man drei mal schlagen muss, während man sich etwas wünscht, und der einen erstaunlich tiefen angenehmen Ton macht. Der Gong soll Buddha auf den Wunsch aufmerksam machen.
An einem Schrein, ebenfalls auf dem Gelände, gab es ein Orakel. Die beiden Mädels machten es vor und ich versuchte auch einmal mein Glück: Man wählt sich einen Becher mit Stäben drin aus (sehen aus wie Essstäbchen) und schüttelt diesen vor dem Körper, während man sich auf einen Wunsch oder so konzentriert. Der erst Stab, der rausfällt, hat eine Nummer, die dann eine Verhersage an der Wand daneben bezeichnet. Sucht man an der Wand nach der Nummer, steht darunter ein kleiner Text in Thaisprache. Die Mädels übersetzten für mich und leider war mein Orakel nicht so gut wie das ihre. Es war auch nicht vollkommen schlecht. Was ich mir merken konnte (alles auf die unmittelbare Zukunft bezogen): Ich werde krank, aber erhole mich schnell wieder. Ich werde nicht schwanger werden und auch nicht reich. Da mich kurze Zeit später irgendwas in die Seite stach, dass sehr weh tat und dann bald wieder alles gut war, hoffe ich mal, dass ich die Krankheit schon hinter mir habe.
Als wir weiter durch die Anlage gingen, die an sich nicht groß waŕ, aber total vollgestopft mit Gebäuden und Figuren, gelangten wir an einen sehr gut riechenden Baum. Die zwei erklärten uns, dass dies der Baum sei, unter dem Buddha geboren wurde (also die Art von Baum). Wenn einem ein Blatt der Blüten auf den Kopf fällt, bringt das übrigens Glück. Ein anderer Baum fiel uns auf. Dieser war von der Art, unter der Buddha saß, als er erleuchtet wurde. Um ihn waren viele bunte Bänder gebunden, was man hier in Thailand oft sehen kann. Mit den Bändern sollen die Spirits, also die Geiser der Bäume beschwichtigt werden. Denn, wie uns Oz beim letzten BBQ erzählt hatte, fürchten sich die thailändischen Menschen vor Geistern. Deswegen stehen hier vor vielen Gebäuden diese „kleinen Tempel“, an denen Blumen befestigt werden, aber auch farbige Softdrinks stellen die Geister scheinbar zufrieden.
Wir verließen den ersten Tempel, gingen ein paar Schritte weiter und schon war da der nächste. Hier gab es ein etwas älteres Gebäude, in dem die Malereien schon 200 Jahre an der Wand langsam verblassten. Ich muss sagen, dass dies an diesem Tag mein Lieblingsraum war. Samantha und Uma hatten dann noch eine ganz besondere Überraschung für uns. Sie wiesen uns an, ordentlich zu knien und uns in einer Reihe auszurichten. Und dann kam ein Mönch in gelborangenem Stoff gehüllt zu uns. Nach einer Begrüßung segnete er uns. Dazu tauchte er einen Stab der aus mehreren Stücken bestand in einen Kübel und wedelte ihn so, dass kleine Tropfen auf uns fielen. Es hörte sich an, wie ein kurzer leichter Regenschauen auf unseren Klamotten, und ich musste direkt an Nieselregen und Herbst in Deutschland denken, allerdings im positiven Sinne. Ich bin zwar froh, die trübe Jahreszeit in Deutschland zu überspringen und doch habe ich dadurch gemerkt, dass mir etwas fehlt. Das sich einmummeln, hinaus in die kalte frische Luft gehen, einen warmen Tee trinken, sich in den dicken Mantel kuscheln, die Natur sich verändern sehen. Ich hoffe, ich werde mich am Ende dieses Jahres wieder daran erinnern, wenn die Tage kürzer werden, dass ich mich darauf freuen kann.
Ja, ich hatte also während der Segnung ein schönes Gefühl und empfand es auch als eine Ehre, dass der Mönch sich für uns vier Zeit genommen hat. Er erlaubte uns dann auch noch etwas, was keine unserer beiden Führerinnen zuvor durfte: Es war uns gestattet, in das Haus auf den Stelzen im Wasser zu gehen: Neben dem alten Tempel befindet sich nämlich ein Aufbewahrungsort für kostbare uralte Aufzeichnungen. Um die vor Termiten zu schützen, hat man das Haus in dem sie gelagert werden auf Stelzen gestellte. Leider hat man dabei nicht bedacht, dass die Brücke den Fiehchern trotzdem einen Zugang verschafft. Ehrfürchtig betraten wir also dieses alte Haus mit seinen verschwärzten Holzwänden, leichten Goldbemalungen und massiven Balken. Es war nicht abgeschlossen und auch die Dokumente lagen in einem leicht zugänglichen Bereich. Es gab zwar eine Kamera, aber wahnsinnig geschützt waren die Sachen hier nicht. Wahrscheinlich würde sich aber keine trauen, die zu entwenden. In dem Becken unter uns wuchsen viele Seerosen und des Gebäude hatte einen angenehmen Geruch nach Geschichte.
Wir luden die zwei zum Mittagessen ein und nach dem dritten Tempel entschieden wir uns, Gai zu suchen, einen älteren Studenten, der uns mit seiner Rabattkarte Bustickets nach Chiang May kaufen wollte. Wir trafen ihn in einem kleinen stylischen Laden, wo er auf seinen nächsten Schüler wartete. Um etwas Geld zu verdienen, bringt Gai als Privatlehrer anderen Kindern in der Stadt Englisch bei. Wir gaben ihm das Geld für die Busfahrt und er lud uns zu Ehren meines Geburtstags noch auf einen Eisbecher ein. Wir hatten eine tolle Zeit, quatschten und genossen das Eis an diesem heißen Tag. Gai empfohl den Mädels, in welchen Tempel wir zum Abschluss gehen sollten.
Diesmal liefen wir ein ganzes Stück bis zum Moon River, an dessen Ufer ein riesiger bekannter Tempel liegt. Hier konnte man an einem Stand Brot für die heiligen Fische kaufen. (Man konnte auch kleine Babyfische und Vögel kaufen, wahrscheinlich, um sie dann frei zu lassen. Grausam!) Auf einer Art verbreitertem Steg rissen sich die Tauben um die herunter fallenden Stücke und um das Floß herum sprangen hunderte dicker Fische. Es war verboten, diese zu fangen, solange sie sich in den Absprerrungen des Tempels befanden. Auch wenn Fische eigentlich eklig sind, war es doch witzig, sie zu füttern. Außerdem soll das Glück bringen, wenn man es am Geburtstag macht – ihr seht, ich hab alles gegeben!
Das viele Laufen und Staunen hatte uns dann genug ausgepowert, um den nächsten halbwegs leeren Minibus zurück zum Hotel zu nehmen. Wir verabschiedeten uns von Samantha, die in der Stadt zurück blieb und freuten uns auf eine Dusche.
Um den Tag noch ausklingen zu lassen, verabredeten wir uns mit Uma für ein erneutes BBQ zu dritt. War sie am Tag mit langer Hose und Jacke unterwegs (um sich vor der Sonne zu schützen), kam sie am kühlen Abend mit kurzer Hose und leichtem Hemd zum Hotel. Wir hatten noch einen schönen Abend und tauschten uns weiter über unsere Kulturen aus.
Was für ein toller Geburtstag! Ein Stadtbesuch mit Tempelbesichtigung und persönlicher Führung in Thailand! Außerdem mit vielen netten Leuten und gutem Essen! Ein guter Start ins siebenundzwansigste Lebensjahr.