Tekirdag: Vier Runden gutes Boxen

„Wir liefern echten Sport und keine Show wie Klitschko gegen sein Opfer Mormeck!“, so Veranstalter Ahmet Öner. Es wurde ausdrücklich betont: „Der umtriebige Promoter [Öner] ist zwar in Bocholt im Ruhrgebiet geboren, ist aber türkischer Staatsbürger und hat seine Wurzeln in Tekirdag.“ Das konnte man so verstehen, dass Ahmet Öner in seiner Heimatstadt eine besondere Veranstaltung bieten wollte. „Nach der enttäuschenden Vorstellung des Franzosen Jean Marc Mormeck am vergangenen Samstag steigen (…) in der türkischen Hafenstadt Tekirdag zwei Schwergewichtler in den Ring, die Weltmeister Wladimir Klitschko mit Sicherheit mehr abverlangen würden.“ Daher konnte man sehr auf die Veranstaltung am 09.03.2012 gespannt sein.
Im ersten Kampf, den Eurosport übertrug, wurde lediglich der Kampfrekord von Schwergewichtler Varol Vekiloglu (23 Kämpfe, 19 Siege, 11 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) verbessert. Die Nummer 292 der Welt war in seinem letzten Kampf, am 14.10.2011, gegen Konstantin Airich in der ersten Runde KO gegangen. Daher gab man ihm nun Christian Schwäblein (11 Kämpfe, 5 Siege, 3 durch KO, 6 Niederlagen, 4 durch KO) als Gegner. Es kam wie geplant. Schwäblein hatte keine Chance und ging zweimal nach Körperhaken zu Boden. Das zweite Mal in der dritten Runde, was dann auch das Ende des ungleichen Duells bedeutete.
Im zweiten Kampf konnte man Erkan Teper (8 Kämpfe, 8 Siege, 6 durch KO) sehen. Für mich sah Teper so aus, als hätte er einen sehr langen All-Inklusive Urlaub, bei dem er es sich sehr gut hat gehen lassen, nur mal kurz unterbrochen, um mal eben in den Ring zu steigen. Der Mann aus Ahlen suchte den schnellen Erfolg – wohl aus Angst, ihm könnte die Puste ausgehen. Er machte Druck, rutschte immer wieder aus, weil etwas mit seinen Schuhen nicht stimmte, und drosch relativ planlos auf Ivica Perkovic (29 Kämpfe, 15 Siege, 11 durch KO, 14 Niederlagen, 6 durch KO) ein. In der Ecke von Teper stand nicht sein Trainer Conny Mittermeier, sondern irgendein anderer. Was der nun auch immer mit Teper gemacht haben mag, nach Training sah das nicht aus.
Immer wieder stellte Teper den Boxer, der seine letzten vier Kämpfe in Folge verloren hatte, in einer der Ringecken. Dass Teper in der dritten Runde sogar selber Treffer nehmen musste, spricht allerdings auch nicht für die boxerische Qualität des Mannes aus Sibenik, Kroatien. In der Rundenpause beklagte dann Perkovic eine Verletzung des linken Ellenbogens. Der Ringrichter Daniel Van de Wiele forderte ihn aber auf, es noch eine Runde lang zu versuchen, was er dann auch machte. Auch in der vierten Runde sah Teper einfach nur unpräzise boxend und schlecht trainiert aus. Nach der vierten Runde war dann endlich Schluss, aufgrund der schon angesprochenen Verletzung.
Im Mittelgewicht boxte Alptug Öner (4 Kämpfe, 4 Siege, 1 durch KO). Öner boxte zwar aggressiv und variabel, aber seine zur Schau gestellte Lässigkeit, seine Showeinlagen, seine Selbstgefälligkeit, möglichst ohne Deckung zu boxen, ermüdeten mich sehr. Ach so, sein Gegner, Ilja Slahota (7 Kämpfe, 3 Sie, 2 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO), zeigte eine recht solide Leistung und bereitete Öner mehr Schwierigkeiten als dieser wohl erwartet hatte. Der Kampf dauerte dann 1.080 lange Sekunden und der Punktsieger hieß wie geplant Alptug Öner.
Im Hauptkampf des Abends standen sich Konstantin Airich (29 Kämpfe, 22 Siege, 16 durch KO, 5 Niederlagen, 3 durch KO, 2 Unentschieden), die Nummer 86 in der Welt, und Ondrej Pala (32 Kämpfe, 20 Siege, 21 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO), die Nummer 16 in der Welt, gegenüber. Pala, der Mann aus Prag, Tschechische Republik, brachte seinen IBF Intercontinental Titel und seinen Europatitel der WBO, was immer das auch sein mag, mit. In diesem Kampf trafen die beiden zum zweiten Mal aufeinander. Am 06.03.2009 hatte Pala Airich in einem Zehnrunder ausgepunktet.
Der Rückkampf machte da weiter, wo die beiden in Cuxhaven aufgehört hatten. Pala punktete aufgrund seiner besseren Technik und Airich fand keine Mittel. Bis zum Ende der fünften Runde fand ich die Veranstaltung von Arena Boxpromotion in Tekirdag schlichtweg schlecht und langweilig. Für mich sah es so aus, als ob hier so wenig Geld wie möglich für eine Profiboxveranstaltung ausgeben werden sollte. Dann passierte ein Wunder, das den Zuschauern doch noch vier gute Runden Boxen bescherte.
Nach einer Minute in der sechsten Runde kam Airich einmal mit einer Rechten und kurze Zeit später mit einem kurzen linken Haken zum Kopf von Pala durch. Pala wackelte und wusste sich nicht anders zu helfen, als den Mundschutz auszuspucken. Der russische Ringrichter Yuri Koptsev war offensichtlich mit einer solchen Situation vollkommen überfordert. Anstatt den Kampf weiter laufen zu lassen oder ihn abzuwinken, unterbrach er ihn. Er schickte Airich in die neutrale Ecke und Pala in eine andere. Jetzt ließ er die Zeit anhalten. Hiernach geleitete er Pala in seine Ecke, wo ihm der Mundschutz wieder eingesetzt wurde. Dann mussten beide Boxer in eine andere Ecke gehen, bevor er den Kampf wieder frei gab. Die ganze Hampelei von Ringrichter Koptsev dauerte 35 Sekunden, die Pala nutzte, um sich zu erholen. Pala konnte in den folgen beiden Runden wieder das Geschehen im Ring bestimmen.
Anfang der neunten Runde trieb eine Links-Rechts-Kombination zum Kopf Pala in eine Ringecke. Dort deckte Airich ihn mit einer Vielzahl von Schlägen ein. Pala, in Not, spuckte wieder den Mundschutz aus, und der Ringrichter gab ihm wieder Zeit zum Erholen. Diesmal tat er das, indem er Pala mit einem Punktabzug wegen wiederholten Ausspuckens seines Mundschutzes bestrafte. Die 30 Sekunden Pause reichten Pala dieses Mal aber nicht. Er kam wieder in den Kampf, nur um sich wehrlos ein paar Schläge abzuholen, bis dann der schlechteste Mann im Ring, der Ringrichter, den guten Schwergewichtskampf abbrach.
Dies war nun die Veranstaltung, die Ahmet Öner seiner Heimatstadt Tekirdag schenkte. Ich bin ja nur froh, dass er nicht auf die Idee kam, an einem Ort zu veranstalten, den er nicht mag. Denn vier Runden gutes Boxen reichen noch lange nicht für eine gute Veranstaltung. Und ob Konstantin Airich und Ondrej Pala Weltmeister Wladimir Klitschko wirklich „mehr abverlangen würden“ als Jean-Marc Mormeck bezweifele ich doch nun auch.
© Uwe Betker



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