Teilzeit-Mutter: Auch wenn man alles richtig macht, ist es nicht gut.

Was mich an Teilzeit stört, ist ein Problem, das auch der beste Arbeitgeber nicht lösen kann. Mit diesen Worten startete die Gastautorin dieses Beitrages ihren Kommentar unter meinem Artikel „Ein paar persönliche Worte über Teilzeit…“. Ich schrieb ihr eine E-Mail und erzählte ihr, dass die Kaffeeküche auf meinem Blog der Ort sei, wo nicht nur ich mich auch mal so richtig schön aufregen darf und ganz subjektiv meinen Frust rauslassen kann, falls es nötig ist. Auch Gastbeiträge (auf Wunsch auch anonym) dürfen jederzeit für die Kaffeeküche eingereicht werden. Sie nahm das Angebot an:

Als Ann-Marie Slaughter, damals rechte Hand von Außenministerin Hillary Clinton,  eine Beförderung angeboten bekam, von der sie schon immer geträumt hatte, zögerte sie. Da war nur eine Kleinigkeit. Ihr Sohn war als Teenager mit Dingen beschäftigt, die ihr nicht recht gefielen. Sie hielt es nicht für besonders förderlich, unter der Woche in Washington zu sein und nur am Wochenende zuhause. Ihr Mann hatte zwar die Familienarbeit unter der Woche übernommen. Doch auch das konnte ihr die Entscheidung nicht abnehmen. Sie fehlte zuhause. Sie fand, sie müsste da sein. Sie hat die Stelle abgelehnt. 

Die Gefühle, die sie beim Ablehnen der Stelle geplagt haben, hat sie in einem Artikel zusammengetragen, der in The Atlantic veröffentlicht wurde. Sie hat damit mehr Wirbel ausgelöst, als ihre Juratexte zuvor. Hillary Clinton fand zwar das, was sie bei Ann-Marie Slaughter als Jammern empfand, etwas unter dem angemessenen Niveau, aber die Debatte war da. 

Hier der Link zum Artikel „Why Women Still Can’t Have It All“ von Ann-Marie Slaughter in The Atlantic:
https://www.theatlantic.com/magazine/archive/2012/07/why-women-still-cant-have-it-all/309020/

Ich bin Ann-Marie Slaughter. Auf einem völlig anderen Niveau. Irgendwo weit drunter. Ich habe eine Klasse übersprungen, zwei Schulabschlüsse gemacht, 2,5 Jahre im Ausland gelebt, spreche 4 Sprachen, habe promoviert und überhaupt offiziell erstmal alles vermeintlich richtig gemacht, um eine „Karriere“ zu ermöglichen. So bin ich auch direkt nach der Uni und mit leeren Taschen in einer amerikanischen Großkanzlei gelandet. Die einzigen Frauen über 40, die sich dort noch gehalten hatten, waren bekannt als bissig und in einstelliger Zahl vorhanden. Wenn man es genau nimmt, gab es eine, die unter all den Männern Karriere gemacht hatte. Sie war Partnerin, freilich keine Equity Partnerin und damit nicht direkt am Kuchen der Männer beteiligt. Kinderlos war sie natürlich trotzdem und damit ein tolles Vorbild für nichts. 

Unter den vielen Männern – einer der Chefs hatte Muhammed Ali, wie er in Kingshasa über Joe Frazier seine Faust ballt, hinter seinem Schreibtisch hängen – kam ich mir teils reichlich deplaziert vor. Trotzdem hatte ich einige Jahre durchgehalten. Klar war, dass die Arbeitsweise weder für irgendein Privatleben noch für eine langfristige Perspektive taugt. Aber das war zu dem Stadium kein völliges Ausschlusskriterium. Ich stand am Anfang von meiner Berufstätigkeit. Nachdem ich es leid war, oft bis um Mitternacht im Büro zu sein, bin ich zu einer Bundesbehörde gegangen. Die schien mir mit einem glaubwürdigen Arbeitszeitsystem zu arbeiten und die Arbeit klang inhaltlich vielversprechend.

Eine Bundesbehörde ist bekanntlich ein guter Arbeitgeber, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht. Ich habe erst einmal einige Jahre dort gearbeitet. Als ich den 37. Geburtstag hinter mir gelassen hatte, dachte ich bei der Kinderfrage: Jetzt oder nie. Jetzt hat geklappt. Und gleich nochmal. Sehenden Auges haben wir zwei Kinder innerhalb von 20 Monaten bekommen an einem Ort, an dem die nächste Verwandtschaft mehrere 100km weit weg ist.

Das hat den üblichen Stress ausgelöst, den man überall nachlesen kann. Männer arbeiten Vollzeit, Frauen sind in Elternzeit, ein kleines Kind schreit, nun bei mir war es: zwei kleine Kinder schreien, wenig Schlaf, man kann kaum einen Gedanken zuende denken, so müde ist man. Das Gefühl von Einsamkeit habe ich mit regelmäßigen Treffen während der Mittagspause von Bekannten und Kollegen abgemildert. Die Sandkastenbekanntschaften kamen nicht gut genug in Gang. Über die Trinkmenge anderer Kleinkinder wollte ich einfach nicht ständig reden, auch wenn ich nichts gegen Small Talk habe. 

Als ich aus der Elternzeit zurückkam, sagte ich zu meinen Arbeitgeber: ich komme mit x Stunden, ich arbeite davon y Stunden im Home Office und an den folgenden Tagen wären die Präsenztage ideal. Mein Arbeitgeber hat gesagt: Das ist in Ordnung. Ein Traum! Oder nicht? 

Wie Ann-Marie Slaughter spreche ich also von einem sehr hohen Niveau aus. Ich habe eine Festanstellung. Ich habe Teilzeit ohne Murren erhalten. Ich habe teilweise Home Office! Mein Büro war nicht auf magische Weise abhanden gekommen, als ich am ersten Tag nach der Elternzeit wieder da war. Eine Freundin, die Rechtsanwältin in einer großen Kanzlei war, hatte auf diese Weise ihr Büro verloren und stand am ersten Tag erstmal ziemlich dumm da.

Ich war auch euphorisch. Über Gespräche mit Erwachsenen über nicht-Kinderthemen habe ich mich richtig gefreut. Gut, bei Dienstreisen musste ich meistens passen, aber ich habe mich mit allem Positiven getröstet: Festanstellung, Teilzeit, Home Office! Gespräche mit Erwachsenen! Alles schien perfekt.

Natürlich ist im Büro nicht alles perfekt, aber das ist genauso normal für alle mit oder ohne Kinder, wie es für arbeitende Eltern normal ist, morgens schreiende Kinder verräumt zu haben und nach 3h Schlaf auf der Arbeit zu sein. Kollegen ohne Kinder werden öfter ausgeschlafen auf der Arbeit erscheinen als Kollegen mit. Sie werden an jedem Symposium, jeder mehrtägigen Fortbildung in einer anderen Stadt, jedem Vortrag, der etwas links oder rechts der Spur liegt, teilnehmen können. Sie werden immer präsenter sein. Sie werden am Nachmittag Ansprechpartner bleiben und daher andere Projekte bearbeiten. 

Hat man jemanden geheiratet, der weiterhin Vollzeit arbeitet und seinerseits ein klein wenig Karriere gemacht hat, also mit Dienstreisen und vielen Terminen belastet ist und hat man keine Großeltern vor Ort, dann fallen Vorträge, Symposien, mehrtägige Fortbildungen und weitestgehend interessante Aufgaben für das andere Elternteil überwiegend weg. Das andere Elternteil bin ich. 

Aber Festanstellung, Teilzeit, Home Office!

Arbeitet man in Teilzeit, fallen viele Dinge auf der Arbeit weg. Arbeitet man Vollzeit, sieht man seine Kinder allenfalls noch zur Stresszeit am Abend, wenn alle müde sind. Dann bleibt aber keine Energie für „Erziehung“ oder „Beziehung“. 

Teilzeit muss also die Lösung sein, oder nicht? Für Kinder ja. Für die Arbeit nein. In Teilzeit bleibt Vieles auf der Strecke für die Arbeitskraft: zB die rasche Einarbeitung in ein neues (Denk-)Gebiet, die Teilnahme an allem, was für die Einarbeitung und das Dranbleiben sinnvoll wäre (Vorträge, Symposien, Fortbildungen). Als Teilzeitkraft bin ich weniger gut aufgestellt. Ich bin am Nachmittag kein Ansprechpartner mehr. Ich kann bestimmte Vorgänge, die auch noch am Nachmittag besprochen werden sollten, weil ein Durchlauf wegen Terminierungen sinnvoll ist, nicht bearbeiten und hänge an den weniger wichtigen Dingen, die inhaltlich natürlich auch kaum interessant sind.

Teilzeit ist für mich nichts Ganzes und nichts Halbes. Ich mache es trotzdem. Es trägt immerhin zum Familieneinkommen bei. Ich bin bis zur Geburt der Kinder eine ganz andere Mitarbeiterin gewesen. Ich war für alle zu jeder Zeit ansprechbar. Ich war im Thema. Ich war überall dabei. Nun bin ich seltener da. Ich bin oft müde und tue so, als wäre ich es nicht. Ich kann mich aber deswegen schlechter konzentrieren. Abends habe ich ein volles Programm und kann den Tag nicht auf irgendeine Weise ausklingen lassen oder mich ausruhen (seit den Geburten eine interessante Vorstellung!). Am Morgen hatte ein Kind eventuell bereits einen Schreikrampf. Ich komme erschöpft zur Arbeit. Und es geht wieder los. 

Ich bin nicht mehr dieselbe. Ich glaube auch für die anderen nicht. Meine 10 Jahre jüngere kinderlose Kollegin vertritt unser Team, wenn der Chef nicht da ist. Sie hat ein paar Jahre Berufserfahrung, ich ungefähr die dreifache Anzahl an Berufsjahren. Ich bin aber am Nachmittag nicht da. 

Teilzeit ist unbefriedigend. Vollzeit geht aus einigen Gründen für mich schon organisatorisch nicht. Also zähle ich mir auf, jeden Tag: Festanstellung. Teilzeit. Home Office! Ist doch toll. Seufz.


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