In diesem Teil der Serie “Pflegeeltern werden“, zeige ich Dir was alles auf Dich zu kommen kann.
Du hast nun also das passende Jugendamt bzw. den passenden Träger für Dich gefunden. Alle notwendigen Papiere liegen vor und Du bist “genehmigt”. Unerwartet klingelt das Telefon und Du hörst die Worte: “Wir haben ein Kind das zu Ihnen passen könnte.”
In diesem Augenblick gehen Dir 1000 Gedanken auf ein mal durch den Kopf. Zumindest war es bei mir so. Freude, Angst und Unsicherheit wechseln sich rasend schnell ab.
Nun beginnt also die sogenannte Anbahnungsphase. Anbahnung nennt man die Zeitspanne vom ersten Kennenlernen bis zum Tag der Aufnahme. Die Anbahnungsphase soll genutzt werden, um sich so gut es geht kennen zu lernen und dem Kind / dem Jugendlichen den Einzug zu erleichtern. Man “kennt” sich ja dann schon etwas.
Und ich gestehe, dass es für mich immer der unangenehmste Teil von allen ist. Zumindest das erste Treffen. Warum?
Es hat für mich immer den faden Beigeschmack der Fleischbeschauung. Man muss sich nur mal in das Kind bzw. den Jugendlichen rein versetzen. Da kommen nun 3-6 Leute. Das Kind weiß natürlich warum. Ich denke, ich muss jetzt nicht ausführlicher schreiben warum ich mich in solchen Situation sehr unwohl fühle.
Aber die Anbahnung ist unglaublich wichtig. Für Dich und das Kind bzw. den Jugendlichen.
Hier nun die in meinen Augen wichtigsten Punkte zum Thema Anbahnungsphase:
1. Zeit
Wie bei vielen wichtigen Fragen gibt es auch hier die unterschiedlichsten Meinungen. Meine ganz persönliche Meinung ist, dass es da keine Faustregel gibt. Eine Anbahnung mit Jugendlichen dauert in der Regel etwas länger, als die mit kleineren Kindern.
Ganz wichtig ist aber, dass Du Dir Zeit nimmst. Wenn Dir Dein Bauch sagt, dass Du noch ein, zwei Treffen mehr benötigst als vorgesehen, dann sag das. Ich weiß, dass die Jugendämter und Träger in der Regel eine Anbahnung so schnell wie möglich “erledigt” haben wollen. Warum? Das Jugendamt hat einen Fall weniger auf dem Tisch und der Träger bekommt sein Geld ab dem Tag der Belegung. Natürlich bestätigen auch hier wieder die Ausnahmen die Regel.
Lass Dich nicht hetzen! Nur Du weißt wie viel Zeit Du benötigst!
Stell Dir nur mal vor, Dein Bauch hätte gesagt: “Los, mach noch ein Treffen.” Und genau bei diesem Treffen hätte es “klick” gemacht und Du hättest gemerkt, dass es doch nicht 100% passt… Darum nimm Dir die Zeit die Du brauchst.
Ein kleiner Tipp für einen Eisbrecher in der Anbahnungsphase. Wenn Du für Dich klar bist und das Kind (Jugendliche sowieso) schon alt genug ist, dann nutz doch einen Tag in der Anbahnung um das Zimmer des “Neuankömmlings” gemeinsam zu gestalten. Also streichen, Poster aufhängen etc. Vielleicht kannst Du Dir ja vorstellen, das sich das Kind / der Jugendliche sogar die Farbe für sein Zimmer aussuchen darf? Also ab gemeinsam zum Baumarkt.
2. Druck
Mach Dir bloß keinen Druck. Keine Aufnahme um jeden Preis! Wenn Du den leisesten Zweifel merkst, sprich direkt darüber. Lass Dich auch hier nicht unter Druck setzen. Wenn Dir ein Kind unsympathisch ist, lass direkt die Finger davon.
Hinterfrag Dich genau, ob Du dem Kind / Jugendlichen das geben kannst was es brauchen wird. Viel Verständnis, viel Geduld, Nestwärme und Liebe.
Auch wenn einige Gutmenschen der Meinung sind, dass alle Kinder dieser Welt liebenswert sind…. BLÖDSINN!!
Denn genau wie man erwachsene Menschen sympathisch bzw. unsympathisch findet, ist das auch bei Kindern/Jugendlichen so.
Hinterfrag Dich genau, ob Du dem Kind / Jugendlichen das geben kannst was es brauchen wird.
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Du wirst vielleicht auch den Satz hören: “Überlegen Sie bitte noch einmal genau. Könnten Sie sich nicht doch vorstellen, das Kind aufzunehmen. Wir wissen nämlich nicht wann wir Ihnen das nächste Kind zur Aufnahme vorstellen können.”
Ja und? Lass Dich von solchen Phrasen nicht unter Druck setzen. Erstens, musst Du das Kind in Deinem Haushalt aufnehmen und zweitens ist der “Beruf” Pflegeeltern recht krisensicher. Leider!
Nimm Dir Zeit. Deine Entscheidung ist eine sehr einschneidende. Sowohl für Dich – wie auch für das Kind/Jugendlichen.Lass Dich nicht unter Druck setzen. Du musst viele Jahre (wenn es gut läuft) mit dem Kind zusammen leben.Du hast das Recht ein Kind unsympathisch zu finden. Lass Dir nichts anderes einreden.
Versuch darauf einzuwirken, dass die Anbahnung so sanft wie möglich verläuft.
Wenn Du Zweifel oder eine innere Ablehnung spürst – rede offen darüber.
Und auch wenn Jugendämter und Träger gerne mal so tun, als sei dieses Kind das Letzte auf der Welt das noch in eine Pflegefamilie vermittelt wird….Ich gebe Dir mein Papa-Ehrenwort: Gerade in diesem Moment, wird in Deutschland ein Kind in Obhut genommen. Leider ist der “Beruf” Pflegefamilie äußerst krisensicher.
Am Freitag werde ich zu diesem Artikel noch ein Video veröffentlichen.
Ich möchte mich mit den letzten Zeilen an die Leser unter Euch wenden, die selber schon ein Pflegekind aufgenommen haben. Wir war Deine Anbahnungsphase? Was ist gut gelaufen oder was hätte besser laufen können? Teil doch bitte Deine Erfahrung mit der Kommentar-Funktion.
Artikelbild: Quelle: Pixabay Bildrechte: stux