Da lächelten sie noch alle und waren guter Dinge…acht Stunden später ächzten und stöhnten die Knochen dann doch ganz ordentlich. Aber 52 km mit 2.300 Hm mal eben im Training – das machen ja auch nicht so viele. Aber der Reihe nach…
Trailschnittchen Julia Böttger hatte die brillante Idee, statt einer schnöden Geburtstagsfeier (so spät ist mit Terrasse und Grillen im Warmen ja auch nichts mehr wie zwei Monate zuvor bei mir) einen Night-Trailrun mit Gleichgesinnten zu starten. Es sollte einmal um den Tegernsee gehen. Aber natürlich nicht wie der Halbmarathon am Seeufer entlang, sondern von Gmund über Neureuther wieder runter nach Rottach-Egern, hoch zum Wallberg, runter nach Kreuth, hoch zum Hirschberg, runter nach Bad Wiessee und zurück.
Sebastian sagte ebenfalls zu und so düsten wir am Freitag-Nachmittag geschwind zum Tegernsee rüber und trafen uns mit 9 (in Worten: NEUN!) weiteren Trailrunnern zu diesem außergewöhnlichen Trainigsläufchen. Alle hatten ihre funktionierenden Stirnlampen dabei, alle hatten sich mit langen Tights (gegen die angebliche Kälte der Nacht) gewappnet. Nur ich lief unten kurz (was sich als perfekt herausstellen sollte, da die Anderen nach und nach ihre Tights hochrollten). Es waren beim Loslaufen um 21:15 immer noch starke 15°C. Und das bei sternenklarem Himmel und (fast) Vollmond. Sensationelle Voraussetzungen!
Nach dem die Garmischer Gruppe auch endlich zu uns gestossen war (man kann auch noch länger am falschen Parkplatz warten und denken, dass sicher alle anderen falsch liegen…), ging’s mit etwas Verspätung los.
Nach kurzem Asphaltstück ging’s auch sogleich auf schönen Singletrails hinauf, hinauf, hinauf…und plötzlich standen wir auch schon im schönsten Mondschein auf dem Neureuther und blickten auf allen Seiten hinunter ins Tal, weit unter uns die Lichter vom Tegernsee und vom Schliersee. Über tiefe, matschige Almwiesen bahnten wir uns unseren Weg ins Tal, um in Rottach-Egern unseren ersten “Verlust” des Abends zu beklagen. Aber der Kollege lief auf Ansage nur bis hierhin und ließ sich dann von seiner Frau abholen. Und wir wollen nicht einen weiteren “Verlust” verschweigen, denn in einer dieser tiefen Almwiesen verlor Antja doch glatt ihren rechten Schuh.
Zum Glück hatten wir zwei ortskundige “Experten” dabei. So musste sich niemand um die Orientierung und Navigation kümmern. Ich war ja auch schon seit meiner Münchener Zeit (seit ca. 11 Jahren) nicht mehr in der Gegend. Aber irgendwann zogen die zwei zielstrebig Richtung völlig falschem Berg. Meine Intervention wurde abgeschmettert (“Was willst DU von der Schwäbischen Alb…”). Aber glücklicherweise handelte es sich um Artgenossen, die sehr rasch ihren Fehler erkennen und zugeben können (was ich leider sehr häufig – gerade in der Wirtschaft – nicht erkennen kann). Also zurück, rüber zur Wallbergbahn und Uphill again…
Auf wildem Downhill ging’s dann hinunter nach Kreuth und irgendwann realisierte ich trotz der dunklen Nacht im tiefen Wald, dass dies genau der Trail war, den ich mit Sebastian im Frühjahr gelaufen war. Unten in Kreuth verließ uns Kollege #2 und da waren’s nur noch neun kleine Negerlein…
Danach kamen aber ein paar Dinge zusammen: Erstens war die Gruppe nun wesentlich homogener und wir mussten viel weniger warten. Zweitens merkte ich, dass mich nun meine Achillessehnen mit grenzwertigen Schmerzen runterzogen. Und drittens tat die allgemeine Müdigkeit so um drei Uhr morgens ihr Übriges. Jedenfalls entschied sich die Mehrheit in Bad Wiessee flach am See zurück zu laufen und so kamen schließlich alle recht zügig (nach ca. 8½ Stunden) zum Startort zurück. Dort zogen wir uns rasch um und stürmten die lokale Bäckerei. Da war um 06:00 Uhr schon die Hölle los (die Leute in der Region machen entweder alle durch oder sind ausgewiesene Frühaufsteher). Nach einem Milchkaffee, einer Brezel und einem Croissant ging’s gleich wieder besser und das Lächeln kehrte in die meisten Gesichter zurück. Nur Julia und mein Fahrer Sebastian machten einen sehr müden Eindruck. Ich musste alle meine Konversationskünste aufbieten, um ihn als ordentlicher Co-Pilot bei der Rückfahrt zu unterhalten und wach zu halten. Zu einer Uhrzeit, wenn “normale” Menschen an einem Samstag-Morgen aufstehen, waren wir schon von unserem kleinen Abenteur zurück – als wär’ nichts gewesen…