Teenager, Flüchtling, Mutter

Mit 19 hat man noch Träume. Ihr Gesicht fällt zuerst auf, die glänzenden Augen und die glatte, ebenmäßige Haut. Dann das weiße Tuch, das ihre Haare bedeckt. Eine klassische jugendliche Schönheit, im besten Sinne des Wortes. Ein junges Mädchen, wie man es überall treffen könnte: klug, hübsch und bereit, die Welt zu erobern. Doch dann schweift der Blick weiter und bleibt an ihrem Rücken hängen:
Dort trägt Aline ihre kleine Tochter, ein Baby eingewickelt in Laken. Die 19-Jährige sitzt in einem Versammlungs- raum, das Gebäude ist schnell und provisorisch aus Lehm und Ziegeln errichtet worden. Durch die Fenster fällt die grelle Mittagssonne in den dunklen Raum. Wir sind in Mugunga III, einem Lager rund zwölf Kilometer vor der ostkongolesischen Stadt Goma.

Warum die Zahl Drei?

Es gibt bereits Mugunga I und II. Eine traurige Aufzählung, sie erzählt die Geschichte dieses gebeutelten Teiles der Welt. Und sie erklärt, warum Alines Leben so völlig anders verlaufen ist als das ihrer Altersgenossinnen, zum Beispiel in Deutschland.

was weiss man schon … über den kongo?

Wenige afrikanische Länder wecken beim Zuhörer solch starke Bilder im Kopf wie dieses riesige Land, das sich im Herzen des Kontinentes über die Fläche von 2,3 Millionen Quadratkilometern erstreckt. Zum Vergleich: Deutschland würde sechsmal Platz finden auf diesem Gebiet. Tropische Wälder, der reißende Kongo-Fluss, überwältigende Naturgewalten.

Aber auch: Krieg, Armut und Hoffnungslosigkeit. Seit über 15 Jahren herrscht im Osten der Demokratischen Republik Kongo Gewalt. Ethnische Konflikte, Rivalitäten um Land und Rohstoffe, politische Machtkämpfe und der Einfluss regionaler wie internationaler Kräfte haben dazu geführt, dass Krieg hier zum Alltag geworden ist. Dazu kommt, dass die Region chronisch arm und unterversorgt ist. Die Hauptstadt Kinshasa liegt Tausende Kilometer  weiter im Westen. Straßen, Krankenhäuser, Schulen – all das ist im Osten des Kongo Mangelware.

Über 800.000 Menschen mussten alleine in der Provinz Nord- Kivu, deren Hauptstadt Goma ist, ihre Heimat verlassen. Aline ist eine von ihnen. Vertrieben aus ihren Dörfern, tagelang auf unsicheren Wegen unterwegs, auf der Suche nach Schutz vor Übergriffen, Plünderungen und Vergewaltigungen.

Dass ihre Körper missbraucht und benutzt werden, dass Sex gewaltsam erzwungen wird, dass ihnen mit dem Tod gedroht wird:

Dieser  Horror ist für Tausende Mädchen und Frauen hier trauriger Alltag. Man spricht nicht darüber, die Scham sitzt tief. Auch deshalb gibt es kaum zuverlässige Zahlen über das Ausmaß der sexualisierten Gewalt im Kongo. Eins aber ist klar: Vergewaltigungen werden von den Kriegsparteien benutzt, um ganze Dörfer zu erniedrigen und zu zerstören. Denn auch die Ehemänner und Kinder der Frauen erleben diese Verbrechen mit oder werden selbst vergewaltigt. Doch sexualisierte Gewalt hat viele Facetten. Und in einem Klima des Krieges und der Rechtslosigkeit, wie es seit Jahrzehnten im Ostkongo herrscht, dringt die Gewalt gegen den weiblichen Körper auch tief in die Gesellschaft ein.

Eine Frau muss gehorchen, eine Frau muss gebären. Viel mehr darf sie nicht.

Beitrag von Sabine Wilke, CARE-Mitarbeiterin

Lesen Sie hier nächsten Donnerstag Teil 2 “Aline hat nie eine Wahl”

Teenager, Flüchtling, Mutter

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