Technische Nasen: Wenn Transistoren schnüffeln

Aus: Spektrum der Wissenschaft, Juli 2012
Mal loben wir die Vanillenote eines Rotweins, dann wieder rümpfen wir die Nase über verdorbenes Fleisch. In beiden Fällen liefert der Geruchssinn die entscheidenden Informationen. Er bemerkt oft schon geringste Spuren eines Duftstoffs – auch solcher der unangenehmen Art. Warum sich die Natur diesen Sinn für die Chemie hat einfallen lassen, ist offensichtlich: Tiere erkennen gute oder giftige Nahrung am Geruch.
Seit gut 30 Jahren versuchen sich Forscher deshalb an künstlichen Nasen, um zum Beispiel die Frische von Lebensmitteln zu prüfen. Wie Spektrum der Wissenschaft in seiner Juli-Ausgabe berichtet, sollen technische Schnüffler auch gefährliche Mikroben, Nervengase oder Sprengstoffe aufspüren.
Doch die Aufgabe ist keine leichte. Säugetiere unterscheiden tausende Gerüche sekundenschnell, einerlei ob es sich dabei um eine einzige Molekülsorte handelt oder um ein Gemisch aus verschiedenen Komponenten. Davon sind elektronische Nasen noch weit entfernt.
Die meisten bereits kommerziell erhältlichen verwenden Halbleiter wie Silizium in Form von Transistoren, die mit Gas-aufnehmenden Schichten ausgerüstet wurden. Lagert sich ein Stoff an, verändert das die Zahl der Ladungsträger im Halbleiter und damit den Stromfluss durch den Transistor. Varianten ersetzen das teure Silizium durch preiswertere leitfähige Kunststoffe oder – die neueste Entwicklung – Kohlenstoffnanoröhrchen.
Gase lassen sich auch anhand ihrer Massen erkennen, beispielsweise mit einer Quarz-Mikrowaage. Man nutzt hier den piezoelektrischen Effekt: Wird Druck auf eine Quarzschicht ausgeübt, verformt sich ihr Kristallgitter. Dabei verschieben sich elektrische Ladungen gegeneinander und Spannung entsteht. Trägt der Quarz nun eine Substanz, die Gase absorbiert, wird wird die Kombination insgesamt "schwerer" – genauer gesagt nimmt ihre Masse zu – und das hat genau diesen Effekt.
Diese Verfahren arbeiten aber ziemlich unspezifisch und unterscheiden kaum zwischen den Komponenten einer Gasmischung. Dem sollen Kunstnasen abhelfen, die auf optische Prinzipien setzen. So wechseln manche Pigmente ihre Farbe, wenn sich ein ganz bestimmtes Gas in ihnen löst. Andere Farbstoffe fluoreszieren unter UV-Licht, wobei die Aufnahme von Gasen die Dauer ihres Leuchtens, dessen Spektrum oder Intensität verändert.
Schon heute werden elektronische Nasen vielfach eingesetzt und neue Anwendungen erprobt: Sie überwachten in Studien die Fermentation von Teeblättern und die biotechnische Herstellung von Antibiotika, warnen vor giftigen Gasen – selbst bei Konzentrationen noch unter den gesetzlichen Schwellenwerten – und wiesen in klinischen Studien den Erreger Heliobacter pylori – Mitverursacher von Magengeschwüren – im Atem von Patienten nach. Ideen haben die Entwickler genug. Wer weiß, vielleicht finden sie sich bald auch in den heimischen Küche: Wenn der Kuchen im Backofen den richtigen Duft verströmt, darf die elektronische Nase den Strom abschalten.

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