Von Günter Verdin www.verdinguenter.blogspot.com
Es gibt unterschiedliche Verbrecher-Profile. Sicher ist, dass die gefährlichsten Täter die sind, welche nichts zu verlieren haben. So einer ist Uwe Braun: ein Mann ohne soziale Bindung, ohne festen Wohnsitz, ohne Bankkonto. Braun entführt einen neunjährigen Buben, den Sohn des Bankdirektors Hermann Steiner und lässt sich bei der Übergabe des ersten Teils der Lösegeldsumme auf dem Berliner Alexanderplatz widerstandslos festnehmen. Im ARD-"Tatort" mit dem Titel "Machtlos" wird die für die zum Abwarten verurteilten Eltern des Kindes unendlich langsam und für die Ermittler viel zu schnell verrinnende Zeit zum Handlungsträger. Dem Regisseur Klaus Krämer , der sich beim Verfassen des Drehbuchs von Beamten des Berliner LKA intensiv beraten ließ, gelingt es mit einfachen filmischen Mitteln den Zuschauer in diese Zeitspirale hineinzuzwingen: langsame Überblendungen und chronologische Zeitangaben vermitteln uns ein fast körperliches Gefühl der Machtlosigkeit einem Täter gegenüber, der den Aufenthaltsort des entführten Jungen nur gegen die Auszahlung des zweiten Teils der Lösegeldsumme in Höhe von 10 Millionen Euro bekannt geben will.
Den aufklärerischen Anspruch der "Tatort"-Reihe entspricht das Motiv des Entführers: er will durch den in Kauf genommen möglichen Tod des einen Kindes auf den Hungertod von Millionen anderen aufmerksam machen, der durch Wetten auf Nahrungsmittelpreise, von denen auch deutsche Banken profitieren , verursacht wird. Edgar Selge spielt diesen Mann in einer hypnotischen Regungslosigkeit und Weltverlorenheit, die uns den Blick öffnet für die Einsamkeit , in der der schmale Grat zwischen Gut und Böse keine Bedeutung mehr hat.