Regisseur Markus Imboden hatte im vergangenen Jahr wohl nicht ganz so ein abwechslungsreiches Jahr. Zum dritten Mal innerhalb von vier Wochen lief jetzt ein Tatort, inszeniert von gerade ihm. "Land in dieser Zeit" heißt der neuste Streich, wieder aus Frankfurt (zuletzt kam aus der hessischen Landeshauptstadt der Fall "Wendehammer"). Und auch diesmal überzeugt der Regisseur (Buch: Khyana el Bitar, Dörte Franke, Stephan Brüggenthies) mit seinem Machwerk zu größten Teilen. Da, wo Imboden drauf steht, steckt auch Imboden drin. Imboden heißt stilsichere Inszenierung, das Faible für witzige, aber nicht alberne Kuriositäten, lustvolle Darsteller - und bei diesem Fall sogar ein Plot, der auch wirklich nachdenklich stimmt und mal nicht ausartet oder nur am Rande mitzieht.
Zuallererst ist da die Story, der Fall der Woche, der einerseits recht normal gestrickt wurde - und genau wegen dieser vielen üblichen Versatzstücken doch zu überzeugen weiß. Ein Friseursalon brennt aus, ins Visier geraten aufgrund diverser Aussagen von Vera, Rosi (Birge Schade), der Besitzerin des Friseursalons, und der dritten Augenzeugin, Margaux (Odine Johne) vom Kiosk gegenüber, ein nordafrikanischer Drogendealer. Der Fall scheint schnell gelöst, besonders Jannekes Kollege Brix (Wolfram Koch) nimmt John Aliou (Warsama Guled) in die Mangel. Doch irgendwann mehren sich die Zweifel, kann es nicht doch sein, dass Vera, Margaux und Veras WG-Mitbewohnerin Juliane (Anna Brüggemann) nicht nur drei Chor-Schwestern sind, sondern auch Schwestern im (rechtsextremen) Geiste?
Alles Schutt und Asche
Der Frage gehen Brix und Janneke nach, unterstützt vom diesmal mit deutlich mehr Screentime ausgestatteten Assistenten Jonas (ein Segen für den Standort Frankfurt: Isaak Dentler). Dafür schlagen sie sich Nächte in rechtsextremen Clubs um die Ohren. Dort verkehrt Vera, hat auch Liebesbeziehungen zu bekannten Neonazis (Enno Hesse). Was wiederum Juliane und Margaux nicht passt. Die beiden sind nach außen die gutbürgerlichen, intelligenten Damen von nebenan, gehen zusammen mit Vera auch in einem Chor singen. Dort steht demnächst der große Auftritt an, gesungen werden bekannte deutsche Volkslieder wie z.B. "Hoch auf dem gelben Wagen" oder "Kein schöner Land in dieser Zeit".
Doch die drei singen nicht nur gemeinsam, sie sind auch staats-bekannt. Stehen sie doch einer als rechtsextrem eingestuften Gruppierung nahe. Einer gefährlichen Gattung, die nicht auf äußerliche "Heil Hitler"-Sprüche setzt, sondern auf eine intelligentere, weitaus gefährlichere Weise. Sie hauen Sprüche raus, die sich gegen "die Vermischung der Ethnien" richten. Haben die den Verdacht absichtlich auf die nordafrikanischen Dealer gerichtet, um die Öffentlichkeit gegen diese aufzuwiegeln? Ein perfides Spiel, ein perfider Plan. Und Vera, die nicht gerade zu den klügsten Köpfen unter der Sonne zu zählen ist, war die Marionette?
Die drei vom rechten Irrweg.
Dieser Fragen muss in diesem sehr musischen Tatort nachgegangen werden. Mal singen die Kommissare gemeinsam vollmundig "Auf der Mauer, auf der Lauer" oder zusammen mit einer der Verdächtigen "Froh zu sein, bedarf es wenig". Hier wird quasi kein bekannter alter Musik-Kalauer ausgelassen, doch es passt irgendwie in die Inszenierung und wirkt - komischerweise - auch nie albern. Ein schöner Tatort-Slang hier. Und während die Kommissare sich durchs Geheimnis-Dickicht der drei Frauen wühlen, kriegen sie es auf dem Revier mit einem neuen Chef zutun.
Der alte namens Riefenstahl (Roeland Wisnekker) wurde - leider ohne Erwähnung im Fall - abgelöst durch Herrn Fosco Cariddi (Bruno Cathodas). Und das ist ein sehr, sehr seltsamer Vogel. Ständig zitiert er, vollkommen grundlos und aus dem Zusammenhang gerissen, den österreichischen Dichter Ernst Jandl. Das könnte monströs albern wirken, doch Situationskomik, ja, das hat Imboden halt auch drauf. Und Cathodas passt für sowas irgendwie auch wirklich phänomenal gut. Es ist wirklich stark, wie Imboden hier mir nichts, dir nichts Kinderlieder mit den neuen Rechten verknüpft, mit Schicksalen von Flüchtlingen und solchen grotesken Momenten.
Brix, der Clown, Janneke und der neue Chef.
Ein wildes Potpourri eben. Zudem gibt's dann noch die finanziellen Probleme von Rosi. Auch sie kommt so schnell in den Verdacht, ihren eigenen Salon vielleicht angezündet zu haben. Ist klar. Und dann hat Brix' Vermieterin Fanny (Zazie de Paris) noch Flüchtlinge bei sich aufgenommen. Der übliche Kniff, wie oben erwähnt. Im Fall geht's um das Thema, dann halt auch im Leben der Protagonisten. Im Flüchtlingsheim nebenan gab's 'nen Wasserrohrbruch, daher hat sie drei Flüchtlinge bei sich aufgenommen. Die kleben auf jedes Möbelstück die deutschen Bezeichnungen, versperren aber das Bad. Brix kommt nicht rein. Während Janneke blühende Reden schwingt, wird der mürrisch und murmelt "scheiß Flüchtlinge" vor sich her. Was er natürlich nicht so meint, wie er es sagt. Nur der Punkt, dass der eine seiner neuen kurzzeitigen Mitbewohner kurz darauf von der Bundespolizei abgeführt wird, weil er sich als jemand falsches ausgab, das hätte nicht unbedingt sein müssen.
Fazit
Die Nettigkeit des Tages gibt dann der neue Kommissariats-Chef von sich. Er trifft auf Brix. "Ich bin Hauptkommissar Brix." Sagt der. Cariddi erwidert:"Sie sind ein Clown." Warum? Einfach so. Ohne Grund. Und da schließt sich der Kreis. Grundloses Zitieren, grundlose Sätze wie dieser - und eben dieses "es ist eben nicht gut". Mindestens genauso grundlos und sinnbefreit.BEWERTUNG: 8/10Titel:Tatort: Land in dieser ZeitErstausstrahlung: 8.1.2017Genre: KrimiRegisseur: Markus Imboden
Darsteller: u.a. Margarita Broich, Wolfram KochBilder: ARD, HR/Degeto/Bettina Müller