"Tatort: Klingelingeling" & "Polizeiruf 110: Angst heiligt die Mittel": Running Gags und alte Pferde

Erstellt am 2. Januar 2017 von Bandrix @cityofcinema1
Weihnachtszeit ist auch die Zeit der wieder kehrenden Dinge. Stoßstangen an Stoßstangen, volle Supermärkte und Läden - weil es ja zwischen den Feiertagen nichts mehr gibt zwischen Flensburg und Bodensee und ebenfalls überraschend, dass Heiligabend auch in diesem Jahr wieder auf den 24. Dezember fällt. Mutter kocht jedes Jahr das gleiche, Oma verschenkt einmal mehr hässliche selbstgestrickte Pullover. Onkel Bernd hat mal wieder eine neue Dame an seiner Seite, der Cousin hängt beim weihnachtlichen "Muss leider sein"-Gutentagsagen ganztätig über der Schüssel, weil er es am Vorabend zu bunt getrieben hat. Oh, du Fröhliche!
Dinah Marte Golch (u.a. "Einmal wirklich sterben") dachte sich etwas Ähnliches, als sie das Drehbuch zum Münchner Tatort "Klingelingeling" beisteuert. Die Spusi? Steckt auf den Wegen zum Tatort stets fest, irgendwo im Münchner Verkehrschaos. Der Gerichtsmediziner (großartig: Robert Joseph Bartl) hat Angst, nicht in den Urlaub auf Fuerteventura zu können, weil ihm ständig Tote entgegen straucheln, die ja er alle erst aufmachen muss, bevor er etwas sagen kann. Die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) haben derweil keine Lust, Trinkgeld an Bettler zu geben und ihre ganz eigenen Probleme.

Während Batic dauernd Absagen fürs Fest bekommt und sich ausmalt, wie es wohl ist, an Weihnachten Dienst zu schieben, wird Leitmayr von seiner Mutter terrorisiert (Klingelton: Jimi Hendrix). Sie will Gans mit ihrem Sohn essen. Na toll. Und wieder mal schenkt die Erzeugerin ihrem Sohn bloß einen Stollen. Prost, Mahlzeit!
Ach so, der Fall, den gibt's ja auch noch in diesem Dickicht voller ulkiger Running Gags. Ein totes Kind wird in einer Kirche gefunden. Ein Baby, herzliche Bescherung aber auch. Irgendwie führt der Fall dann in die Welt der rumänischen Bettlermafia, vorbei an zwei Vorzeige-Obdachlosen (Wolfgang Pregler, Ferdinand Dörfler). Emotional durchaus ab und an fesselnd, was da Regisseur Markus Imboden (zuletzt "Wendehammer") auf uns loslässt. Kriminaltechnisch aber ist die Geschichte um den Gangster Stelica (Florin Piersic jr.) eher so semispannend.

Fazit 


Das Schicksal der Mutter des Babys und ihrer Schwester (Mathilde Bundschuh, Cosmina Stratan) hingegen berührt zwar, aber wie gesagt: Ein eher lauwarmes Süppchen, das durch die gewisse Prise Running Gags durchaus seine Reize besitzt. Nichtsdestotrotz bleibt schlussendlich eigentlich nur noch die Frage übrig: Wann heiraten Franz und Ivo endlich?
BEWERTUNG: 6,5/10Titel:Tatort: KlingelingelingErstausstrahlung: 26.12.2016Genre: KrimiRegisseur: Markus Imboden
Darsteller: u.a. Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec, Robert Joseph Bartl

Bilder: ARD, BR/Bavaria Fernsehproduktion/Bernd Schuller


"Polizeiruf 110: Angst heiligt die Mittel"


Was ein großes Meh! Dieses Szenario gab's wohl schon in gefühlt dreihundertvierundsechzig Krimis auf diesem Planeten. Ein Dorf mit verschrobenen Dorf-Bewohnern und Dorf-Kneipe, dazu zwei ungeliebte Ex-Knackis (Markus John, Maciej Sakanib), die jeder auf ihre Weise vor Unzeiten ihr Unwesen getrieben haben. Der eine stand einst auf Kinder, der andere darauf, Frauen zu brei zu schlagen und konnte sein bestes Stück nicht zurückhalten - sprich: Vergewaltiger. Sowas macht sich nicht gut, erst recht nicht auf dem platten Land, irgendwo in Meck-Pomm.

Das Dorf in "Angst heiligt die Mittel" heißt Bassow. Dort sitzt am hellichten Tag plötzlich eine Frau tot, vergewaltigt und blutend auf einer Bank. Na klar: Die beiden Ex-Knackis sind schuld. Auch im Rostocker Polizeipräsidium geht die Vorverurteilung los. Doch Kommissar Bukow (Charly Hübner) und ihre LKA-Kollegin und Profilerin König (Anneke Kim Sarnau) machen da nicht mit. Erst recht, als es zu mehr Toten kommt und zu verschwundenen Ex-Knackis. 
Der Zuschauer weiß dank des Buchs von Susanne Schneider schon früh mehr als die Ermittler, auch, wer wann wo auf welchem Dachboden "verrotten soll". Das raubt aber trotz der gelungenen Darsteller-Führung von Christian von Castelberg (u.a. "Sturm im Kopf") dem Ganzen irgendwie endgültig alle Reize. Auf alten Pferden soll man nicht mehr reiten. Gilt auch in diesem Fall. Der Rostocker Sonntagskrimi krankt schon wieder nicht an sich selbst, sondern am ausgerittenen Drehbuch-Pfad. Ärgerlich. So geht diesmal sogar ein bisschen die bukowsche Rowdyhaftigkeit verloren. 

Fazit

Während das Präsidium um die Kollegen Pöschel und Thiesler (Andreas Guenther, Josef Heynert) diesmal nur eine Randrolle spielen, macht König auf sich aufmerksam, indem sie endgültig verkündet, nach Berlin zu wollen. Keiner reagiert so wirklich auf die Ankündigung - erst recht nicht Bukow. Was überrascht. Müsste doch gerade der enttäuscht über die Pläne der Kollegin dreinschauen. 
Am Ende eines furiosen Schlussdrittels, in dem der Streifen deutlich die Zügel anzieht, es wirklich mal um die Wurst geht und alles in einem "Ach du Scheiße, bitte nicht, oder doch und wie geht es jetzt weiter?"-Ende mündet, findet er eine Antwort - nach vorher für alle Beteiligten recht schweigsamen Minuten. Da ist man dann echt mal baff, Bukow und König sind halt echt nicht die miesesten Sonntagsermittler. Dieser Krimi konnte doch wohl was. Wenn man denn bis zum Ende durchgehalten hat. Merke: Bitte in 2017 nicht mehr ganz so viel Dorfzoff, sondern mehr sprachlos machenden Nervenkitzel. Dann kann es aus Krimisicht durchaus was werden. Für den Rest sind dann andere verantwortlich.
BEWERTUNG: 6,5/10Titel: Polizeiruf 110: Angst heiiligt die MittelErstausstrahlung: 01.01.2017Regisseur: Christian von CastelbergDarsteller: Charly Hübner, Anneke Kim Sarnau u.a.
Bilder: ARD, NDR/Christine Schroeder