Tara – für immer weiblich

Von Rangdroldorje

Die Grüne Tara – Drölma – die Befreierin
Die Grüne Tara ist ein weiblicher Bodhisattva und die Hauptfigur im Mandala der 21 Taras. Wie auch die Gebete zu Chenrezig und Guru Rinpoche, sind auch die Praktiken, die mit der Tara verbunden sind, weit verbreitet und wegen ihrer raschen Wunscherfüllung sehr beliebt.
Der Legende nach war Tara vor langer Zeit die Prinzessin Jnanachandra (tib., ye shes zla ba; „Mond der Weisheitsgnosis“) und in dieser menschlichen Gestalt hatte sie viele Verdienste angesammelt. Damit sie die volle Erleuchtung erlangen könne, drängten Mönche sie, die Wiedergeburt als Mann anzunehmen. Sie lehnte dieses Ansinnen jedoch ab und bezeichnete die Unterschiede zwischen den Geschlechtern als Täuschung. Daraufhin gelobte sie, bis zur Befreiung aller Wesen in einem weiblichen Körper wiedergeboren zu werden und rasch deren Wohl zu bewirken.
Tara verkörpert das aktive Mitgefühl aller Buddhas. Sie schützt vor den acht Ängsten, die durch Tiere bzw. Ereignisse symbolisiert werden. Die acht Ängste sind die Angst vor Feuer (Hass), Wasser bzw. Überschwemmungen (Begierde), Löwen (Stolz), Elefanten (Verblendung), Schlangen (Neid), Räuber (falsche Ansichten), Gefängnis (Geiz) und Dämonen (Zweifel).

OM TARE TUTARE TURE SWAHA

OM besteht aus A, das die Essenz des erleuchteten Körpers ist, sowie dem „Naro“ – dem O-Zeichen – das die Essenz der erleuchteten Rede ist und aus M, das die Essenz des erleuchteten Geistes darstellt. OM steht auch für den erleuchteten Körper aller Buddhas. Außerdem wird es häufig als Urklang des Universums angesehen.
TARE bedeutet mit rascher Tapferkeit. Mit TUTARE werden alle Ängste, aller Stress und das Leiden aller Wesen beseitigt. TURE beschreibt den vollständigen Sieg über alle Negativitäten. Und SWAHA steht für alle Verwirklichungen.
Man kann somit sagen, dass in diesem Mantra die Essenz von Körper, Rede und Geist der Erleuchtung zusammengefasst ist und mittels dieser Essenz, die ein geschwindes Erscheinen und tapferes Auftreten mit sich bringt, werden die acht Arten der Ängste und somit die Leiden der Wesen beseitigt. Man erringt so den vollständigen Sieg über alle Gifte und erlangt dadurch die Verwirklichung der vollkommenen Buddhaschaft.

Die Weiße Tara – Drölkar
Die Weiße Tara ist auch Bestandteil des Mandalas der 21 Taras. Der Legende nach war sie die chinesische Prinzessin Wen Cheng. Ihre Praxis schützt vor Krankheiten und gewährt ein langes Leben. Weiters symbolisiert sie die transzendente Wahrnehmung und vollkommene Reinheit.
Das Langlebens-Mantra der Weißen Tara lautet:

OM TARE TUTARE TURE MAMA AYU PUNYE JNANA PUSHTIM KURU SWAHA

Neben den schon oben erklärten Silben OM TARE TUTARE TURE kommen dann noch MAMA (mich oder mein) und das weist darauf hin, dass man Qualitäten wie Langlebigkeit, Verdienst, Weisheit, Glück etc. besitzen möchte. Das AYU bedeutet „Leben“ bzw. langes Leben; man beachte das Ayurveda – das Wissen vom langen Leben.
PUNYA ist der Verdienst, der daraus entsteht, dass man das Leben nach den Grundsätzen der ethischen Disziplin ausrichtet und führt. Und dies gewährt eben ein langes und glückliches Leben. JNANA ist die Weisheitsgnosis oder man kann auch dies als zeitlose, uranfängliche Weisheit bezeichnen. Auch werden PUNYA und JNANA als die zwei Ansammlungen angesehen, nämlich Verdienst und Weisheit, die die beiden Kayas – Rupakaya und Dharmakaya – bewirken. Um die eigene Befreiung zu bewirken, erlangt man den Dharmakaya und um das Wohl der anderen fühlenden Wesen zu bewirken, wird der Rupakaya erlangt. Dieser ist deshalb so wichtig, da fühlende Wesen nicht in der Lage sind, den Dharmakaya direkt wahrzunehmen. Das können nur Buddhas.
PUSHTIM bedeutet vermehren oder eine Fülle bzw. Reichtum. KURU beschreibt ein mythisches Land im nördlichen Himalaya, von dem gesagt wird, dass es ein Land ist, in dem Langlebigkeit und Glück vorherrschen. Aber im Kontext des Mantras hier ist KURU einfach eine Aufforderung, was soviel bedeutet wie „mach es“ oder „bewirke dies“. Durch das Mantra wird also die Weiße Tara damit beauftragt, Weisheit, Verdienst und langes Leben zu bewirken, damit man selbst rasch Erleuchtung erlangt und den fühlenden Wesen dadurch helfen kann.
Und SWAHA am Ende des Mantras bedeutet „so sei es!“ und damit ist die Verwirklichung gemeint. Das ist eine allgemein Endung bei vielen Mantras.

TAM – die Keimsilbe Taras
Jede Meditationsgottheit hat auch ihre eigene Keimsilbe, aus der sie in der Meditation entsteht. Diese Keimsilbe TAM bedeutet „frei von Geburt“, was soviel besagt, dass alle Phänomene in ihrer letztendlichen Natur ungeboren sind. Das bezieht sich auf die ungeborene Natur aller Taras und die Qualität des Dharmakaya. Weil die Gottheit ungeboren ist, ist sie jenseits von allen Bedingungen. Um mit den Worten Gampopas dies auszudrücken sagt man, dass die Natur des Geistes seiner Essenz nach ungeboren ist und nicht-etabliert oder nicht-existent ist. Dennoch manifestiert sie sich unaufhörlich und ihre Erscheinung ist Glückseligkeit. Dies beschreibt Nirvana. Samsara ist seiner Essenz nach auch leer, nicht-etabliert und nicht-existent. Aber seine Erscheinungen sind von der Natur des Leidens und der Täuschung, der Verwirrung. Vom letztendlichen Standpunkt aus betrachtet, sind sie beide leer und nicht-etabliert. Von einem relativen Standpunkt aus betrachtet, sind sie jedoch verschieden, da Samsara eben Leiden ist und das aus Nicht-Gewahrsein entspringt und Nirvana ist Glückseligkeit, die aus dem Nichtvorhandensein von Nicht-Gewahrsein resultiert. Diese letztendliche, ungeborene und leere Natur von Samsara und Nirvana ist es, was mit der Silbe TAM bezeichnet wird.

Gestützt auf Belehrungen von Bokar Rinpoche und anderen Lamas hat der Ngak’chang Rangdrol Dorje diese kurze Erklärung anlässlich des Tara-Tages im 8. Monat des Erd-Schaf-Jahres angefertigt. Möge es für die Praktizierenden eine Inspiration sein! SARWA MANGALAM.