Tanztheater International Hannover, 2014: Abschlussbericht und Rückblick Stephen Shropshire, My Everlasting

Das Tanztheater International in Hannover ging am letzten Wochenende, Samstag 13. September 2014, schon wieder zu Ende. Viele werden das bedauern, denn Erfolg und Publikumsinteresse waren auch dieses Mal groß.

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Am letzten Festivaltag zeigte die flämische Choreografin Ann Van den Broek ihre Produktion "We Solo Men". Sie gehört zu den Neulingen; am Tag vorher war schon ihr Stück "The Red Piece" zu sehen.

Nach an- und aufregenden zehn Festivaltagen schließt das hannoversche Tanzfest erneut mit einer Erfolgsbilanz: Das volle Festivalprogramm lockte rund 3.000 Besucherinnen und Besucher in die Orangerie Herrenhausen, zur Cumberlandschen Bühne und in das Kulturzentrum Pavillon. Die Auslastung betrug in diesem Jahr gut 99 %.  

Zwölf internationale zeitgenössische Tanzproduktionen, darunter vier deutsche Erstaufführungen und drei Uraufführungen, wurden bis einschließlich Samstag gezeigt, weiter mit Fokus auf dem soziopolitischen Aspekt im Tanz. Mit dabei: acht Ensembles aus Frankreich, Israel, Deutschland, Belgien und den Niederlanden. Thematisch setzte sich das Programm 2014 mit Grenzziehungen auseinander, was sich auf unterschiedlichste Weise in den Produktionen widerspiegelte. Ein Schwerpunkt lag dabei auf Tanzproduktionen aus Israel: Hier wurden insgesamt vier Ensembles vorgestellt, darunter die seit mehr als 20 Jahren die israelische Tanzszene prägende Choreografin Noa Wertheim mit ihrer Vertigo Dance Company mit Sitz in Jerusalem, die mit Standing Ovations bedacht wurde. Aber auch erst aufstrebende Vertreterinnen und Vertreter des Tanzes in Israel waren eingeladen: Hierzu gehörten die jüngst gegründete Kompanie L-E-V von Sharon Eyal und Gai Behar sowie Niv Sheinfeld & Oren Laor und auch Hillel Kogan, alle aus Tel Aviv, wo eine lebendige zeitgenössische Tanzszene besteht.

Christiane Winter setzte erneut auf das bewährte Konzept, dem Festivalpublikum ihre Neuentdeckungen neben bereits länger begleiteten Ensembles zu präsentieren. Neue Gesichter spielten in diesem Jahr die Hauptrolle, sechs der acht Kompanien waren erstmals beim Festival zu sehen. Darunter alle vier israelischen Kompanien, der in den Niederlanden arbeitende Amerikaner Stephen Shropshire und auch Ann Van den Broek, die sich 2014 mit ihrem Ensemble und gleich zwei Arbeiten beim Festivalpublikum vorstellt.

Mit Formaten vom Solo bis hin zum 16-köpfigen Ensemble gab die 29. Festivalausgabe Einblicke in das aktuelle Geschehen der internationalen zeitgenössischen Tanzszene, eine Einladung, der das Publikum gerne folgte, wie die große Kartennachfrage belegt: Einige der Vorstellungen waren schon kurz nach Vorverkaufsbeginn im Juli ausverkauft.

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Zuletzt besucht habe ich die Vorstellung "My Everlasting" des niederländischen, in den USA lebenden Choreografen Stephen Shropshire am Donnerstag, 11. September in der Cumberlandschen Galerie.

Nur zwei Menschen auf der Bühne, eine Frau, ein Mann, fast keine Musik, das hat schon den Charakter des Ungewöhnlichen: Die konzentrierte Arbeit wirkt ohne Ablenkung durch andere Sinne sehr faszinierend. Oft sind nur die Laute der Körper zu hören, das Atmen und Stöhnen, das Aufklatschen der Füße auf den Holzboden, das Geräusch heftiger Körperberührungen. Es geht um das "ewige Thema" (so etwa könnte man die Überschrift übersetzen), die Beziehung zwischen Frau und Mann in allen Varianten. Erst steht der Mann alleine auf der Bühne, er wendet den Kopf zur Seite in Sehnsucht und Erwartung, sie kommt dazu und zieht sich zunächst um, tanzt alleine; sobald sie zusammenkommen, wird es rascher und heftiger. - Starke Gesten des Nehmens, Gebens, Abweisens und Sich-wieder-Versöhnens. - Mehrmals hängt sie ihm wie eine Marionette schlapp in den Armen. - Sie stehen auf Distanz und bewegen sich ausdrucksstark synchron. Sinken erschöpft auf den Boden. - Gelegentlich, zu selten, kehrt sich das Machtverhältnis um: Sie dirigiert ihn, selbst die einzelnen Finger. - Nacktheit wird als Mittel der Gewalt eingesetzt (seine Gewalt, denn er zwingt sie dazu, ihre Scham ist groß). - Weinen aus Erschöpfung. - Erst gegen Ende setzt mit melancholischen Klaviertönen Musik ein. Aimee Lagrange aus Frankreich und Jussi Noussiainen aus Finnland zeigen ein dichtes Kammerspiel.

Formal und künstlerisch hat diese Schau höchstes Lob verdient - inhaltlich und emotional ist sie schier unerträglich (durch die Konzentration auf den Tanz in weitgehender Stille sicherlich besonders stark wirksam), Gewalt und Macht drängen sich in den Vordergrund, nicht einmal ein Hoffnungsschimmer, es könnte anders werden - das kann nicht das Geschlechterverhältnis der Zukunft sein! Und tatsächlich hat sich Stephen Shropshire vom Begriff der "Erinnerungsorte" des französischen Historikers Pierre Nora anregen lassen. Schade, dass er nur in der Vergangenheit verharrt, alles Innovative außenvor bleibt!

Dennoch mag dieser Bericht Sie dazu anregen, das nächste Tanztheater International mit Spannung zu erwarten. Vom 3. bis zum 12. September 2015 soll es stattfinden.

Text: Dr. Helge Mücke, Hannover; im allgemeinen Teil (Abschlussbericht) unter Verwendung des Pressetextes. Bilder: Oben:  Marten van den Abeele; bei den anderen drei Bildern liegen die Bildrechte bei Stephen Shropshire selbst.


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