Tanz gegen die Zeit – HiSTOR[E]y bringt Ladengeschichten der Maxvorstadt ans Licht

Ich gebe zu, ich war kritisch als ich das erste Mal von der Idee des Künstlerkollektivs CADAM erfuhr. Anna Donderer und Anna Wieczorek erzählten von ihrem Projekt „HiSTOR[E]y“, bei dem die Geschichte einzelner leerstehender Ladengeschäfte recherchiert und die jeweiligen Räume durch Tänzer mit ihren Choreographien wieder belebt werden sollten. Ich zweifelte daran, ob es tatsächlich gelingen könnte, aus Archivmaterial und Informationen mehr zu machen, als einen informativen Abend, nämlich Theater. Doch die Premiere überzeugte mich voll und ganz: Der Abend war sinnlich, anregend und nicht zuletzt ein großer Spaß.

Tanz gegen die Zeit – HiSTOR[E]y bringt Ladengeschichten der Maxvorstadt ans Licht

Foto: Alena Georgi

Los ging die Entdeckungsreise in der Augustenstraße. Drei Läden galt es mit Hilfe eines Einkaufstütenprogrammheftstadtplans zu finden, in denen jeweils eine Performance stattfand. Unterwegs gab es sogenannte Leuchtpunkte, die an verschiedenen Stellen Informationsblätter bereithielten. So erfährt man von der einmaligen Frau Eva, warum das Heß-Stüberl schließen musste oder wie die Jugend Anfang des 20. Jahrhunderts die Bürgersteige regierte. So wird der Weg von einer Performance zur nächsten eine Erkundungstour in der Maxvorstadt, die Vieles unscheinbares mit individuellen Geschichten belebt, und die der Gaststätte „Otto“ klangen so verheißungsvoll, dass wir kurzerhand dort einkehrten, um einen Schnaps zu trinken. Die Realität übertraf alle Vorstellungen! Doch konnten wir nur kurz verweilen, denn der Abend gab einen straffen Zeitplan vor.

Die einzelnen Performances bezogen sich in ihren Choreographien auf die Geschichten der Räume. Salatbar, Lampenladen oder DVD-Verleih – auch hier bekommt der Zuschauer durch eine Broschüre die Geschichte des leerstehenden Ladens dokumentiert. Dieses Wissen ist teilweise notwendig, um die Brisanz der assoziativen Tanzabläufe zu verstehen. So etwa in dem ehemaligen Nagelstudio, in dem sich ein getarntes Bordell befand. Amanda Billberg sucht in diesem kleinen Raum intensiv Kontakt zu ihrem Publikum, in dem Moment in dem sie hinter einen durchsichtigen Vorhang geht, verwandeln sich ihre vorher grazilen Bewegungen in wilde brutale Gesten der Wiederholung. Im dritten Teil hingegen, verharrt sie still im Eingang einer Nebentür. Ihr Blick ist streng und fixiert wieder das Publikum, aber ihre Gedanken sind verschlossen. Die (Ge-)Schichten von Teppichen, Laminat und Betonboden spiegeln sich in den übereinander geschichteten Nylonstoffen wieder. Das Verborgene wird entdeckt. Alena Georgi und Theresa Scheitzenhammer haben es mit ihrer Ausstattung geschafft, sowohl kleine Details als auch große Bilder für die drei Räume zu finden. Dabei wurde überwiegend mit dem Vorhandenen gearbeitet. So findet der Zuschauer in der Performance von Stephanie Felber noch die Theke und den Kühlschrank des letzten Mieters vor, allerdings durch Licht und Nebel ins Gespenstische verfremdet. Der stärkste Moment des Abends war der „letzte Gang“ von Kathrin Knöpfle. Sie bespielte das Erdgeschoss der Theresienstraße 75, eines der wenigen nach dem zweiten Weltkrieg erhalten gebliebenen Gebäude in der Maxvorstadt – es soll demnächst abgerissen werden. Zum Schluss des Abends verlässt Kathrin Knöpfle die Räume und schreitet im weißen Reifrock und Luftballon in der Hand die Schwindstraße hinab.

Das Format ist für Tänzer anspruchsvoll, denn im Gegensatz zur gewohnten weiten leeren Bühne des Tanztheaters finden sie in den Läden kleine und weitgehend zugestellte Räume vor. Sie sind gezwungen, das Publikum als Teil ihres Tanzraumes einzubeziehen, mit ihm umzugehen. Das gelingt allen drei Tänzerinnen hervorragend. Diese Nähe verlangt wiederum eine extreme Präzision und Strenge; gerade kleine Bewegungen, Gesten und Mimik sind hier entscheidend. Eine völlig neue Tanzerfahrung auch für den Zuschauer.

Dieser Abend sensibilisiert in diesem sich rasant entwickelndem Studentenviertel für das Vergangene. Die ganze Maxvorstadt wird zu einer Parabel für die Sehnsucht nach Identität und den Verlust von Geschichte. Möge dieses Projekt wieder stattfinden, denn es gibt noch so einige Viertel mit Leerstellen, die eigentlich keine sind.

HiSTOR[E]y – Ladengeschichten ist noch am 13. und 14. Oktober zu sehen. Startpunkt ist in der Augustenstraße 47a, getanzt wird von 19 bis etwa 21 Uhr. Mehr Informationen sind unter www.historey.wordpress.com zu finden.


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