Tante Lores Taufgeschenk

Tante Lores Taufgeschenk

Es war Sonntagabend. Mama saß bei Marie auf der Bettkante, um ihr „Gute Nacht“ zu sagen. Heute früh waren sie bei der Taufe vom kleinen Nils gewesen. Marie dachte an den Tisch voller Taufgeschenke, den sie dort im Garten gesehen hatte. Sie selbst war ja auch getauft worden. Das war nun schon ziemlich viele Jahre her. Mama erinnerte sich noch sehr gut an Maries Taufgeschenke. „Du hast eine silberne Kette bekommen“, sagte sie lächelnd, „kleine Lederschuhe, eine gestreifte Latzhose, Bilderbücher, Buntstifte und den kleinen Sessel, der hier im Zimmer steht.“

Marie nickte. Ja, die Silberkette hatte sie eine Zeit lang getragen. Und in dem kleinen Sessel saß sie, wenn sie Bücher las. An die anderen Sachen konnte sie sich nicht mehr richtig erinnern.

„Und dann hast du noch das besondere Geschenk von deiner Patentante bekommen“, fuhr Mama fort. „Den Jakobiapfelbaum im Garten.“

Dazu sagte Marie nichts. Sie liebte Patentante Lore, aber sie verstand nicht, warum der Apfelbaum etwas Besonderes war. Man konnte weder mit ihm spielen, noch eignete er sich als Kletterbaum. Im Gegenteil: Er machte eher Arbeit. Mama hatte erzählt, dass sie ihn im ersten Jahr dauernd gegossen hatte, damit er anwächst. Inzwischen ging Marie zur Schule. Der Baum stand nun schon über fünf Jahre im Garten.

Mama gab Marie einen Gute-Nacht-Kuss und ging hinaus. Marie lag unter ihrer Decke und konnte nicht einschlafen. Was hatte Tante Lore einmal gesagt? Die Äpfel würden Anfang August reif werden und sehr saftig sein. Marie ärgerte sich. Was nütze es, wenn dieser Baum in keinem Jahr Äpfel getragen hatte!

Plötzlich setzte Marie sich auf. In Wahrheit hatte sie den Baum schon lange nicht mehr angesehen. Vielleicht sollte sie es einfach einmal tun? Sie ging zum Fenster und schob die Vorhänge auseinander. Gerade eben kam der Mond hinter einer Wolke hervor. Er schien auf das Gartenhäuschen, die Rutsche, den Sandkasten und das kleine Planschbecken. Und dann beleuchtete er den Apfelbaum. Marie kniff die Augen zusammen und schaute angestrengt in die Zweige. Was war das da oben zwischen den grünen Blättern? Saßen dort nicht ein paar gelbe Kugeln, die wie kleine Äpfel aussahen? Wenn es Äpfel waren, wären sie fast genau an Maries Geburtstag reif! Und wenn der Baum erst einmal Äpfel trug, dann trug er bestimmt jedes Jahr welche.

Mit einem Mal wurde Marie fröhlich. Vielleicht war Tante Lores Geschenk tatsächlich etwas Besonderes? Die Schuhe zur Taufe waren zu klein geworden, die Latzhose ebenfalls, das Kettchen hatte Marie irgendwo verloren, die Buntstifte waren aufgebraucht, Bilderbücher schaute sie nicht mehr an. Und der kleine Sessel hatte schon Flecken und Risse im Stoff. Irgendwann wäre er so kaputt, dass Mama ihn wegbringen würde. Der Apfelbaum wurde nicht zu klein, ging nicht verloren und nicht kaputt. Er würde größer und größer werden und Marie jedes Jahr mit saftigen Äpfeln beschenken. Ja, dachte sie, Tante Lores Geschenk ist wirklich etwas Besonderes. Dann legte sie sich wieder ins Bett und schlief zufrieden ein.


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