“Take This Waltz” von Sarah Polley

Erstellt am 25. Februar 2013 von Denis Sasse @filmtogo

© Kool/Filmagentinnen / Michelle Williams und Seth Rogen in “Take This Waltz”

„Take this Waltz“ heißt es in Sarah Polleys neuem Film, den sie bereits 2011 abgedreht hat, der nun aber erst in Deutschland auf die Kinoleinwände gebracht wird. Polley, eine Schauspieler-Regisseurin, zeigt den schönsten Walzer dieser Geschichte unter Wasser. Hier dreht Hauptdarstellerin Michelle Williams gemeinsam mit Luke Kirby ihre Pirouetten, schwebt Delfingleich durch die Unterwasserwelt eines Schwimmbads. Die beiden zeigen einen perfekten Tanz in scheinbarer Schwerelosigkeit und erschaffen damit eine Szene purer Romantik. Dahinter muss eine ausgeklügelte Choreografie stecken, es wirkt wie ein verträumter Tanz, niemals berühren sich die beiden. Der romantische Unterton wird nur dadurch zu Nichte gemacht, dass Luke Kirby, er spielt den freischaffenden Künstler und Rikscha-Fahrer Daniel, eigentlich gar nicht der reguläre Tanzpartner von Margot (Williams) ist. Diese befindet sich seit nunmehr vielen Jahren in einer Ehe mit Lou (Seth Rogen). Mit ihm ist das so eine Sache. Er ist zum Alltag verkommen. Das heißt, dass die kleinsten Verführungsversuche nicht mehr ziehen, dass man sich beim Essen nichts mehr zu erzählen hat oder Margot ihr Geschäft auf der Toilette verrichten kann, während Lou sich danebenstehend die Zähne putzt. Über diese beiden Menschen ist die Gleichgültigkeit hereingebrochen.

Offenbar hat Margot viel zu früh geheiratet, sehnt sich dementsprechend mit Ende Zwanzig nach neuen Abenteuern, da ihr Leben bereits festgefahren wirkt. Dieser geheimnisvolle Fremde erweckt bei ihr die verloren geglaubte Magie zu neuem Leben, jeder neue Moment mit diesem Menschen kommt einer Flucht aus dem Alltag gleich. Margot ist also hin- und hergerissen zwischen ehelicher Zweisamkeit und dem Verlangen nach Abenteuern. Es ist eine Suche nach sich selbst, bei der sie entscheiden muss, ob sie Sicherheiten und Gewohnheiten aufgeben möchte um das Ungewisse zu erkunden.

Michelle Williams

Damit gelingt es Polley wunderbar eine ganz natürliche Angst der heutigen Generation widerzuspiegeln: Wie lange hält eine Beziehung, mehr noch, wie lange hält sich eine Beziehung frisch. Die Angst davor, dieses Gefühl vom siebten Himmel vorschnell zu verlieren, ebenso aber auch die Tatsache, dass sich viele Menschen heute lieber von Partner zu Partner flüchten um dieses Gefühl aufrecht zu erhalten, statt sich einer Abschwächung der Emotionen anzunehmen, vielleicht aber auch die ganz natürlich aufkommende Tristesse, den Alltag zu bekämpfen. Dann noch die Frage nach der Vollkommenheit der Dinge. Der unperfekte Partner und der Nebenbuhler, der mit seinem Anteil die Perfektion vollkommen macht. Seth Rogen spielt hier nicht etwa einen hassenswerten Ehemann, er schlägt seine Frau nicht, man kann ihm allenfalls vorwerfen, ihr nicht die ganze Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Aber eigentlich ist er ein liebenswerter Brummbär, kocht gerne, treibt seine Späßchen mit Margot. Doch diese sieht in ihrem Ehemann ein immer noch verbesserungswürdiges Exemplar seiner Gattung, findet in Daniel das fehlende Stück, dem sie sich hingeben möchte. Da ist es dann wieder, dieses Gefühl von Frische, die neue Liebe. Doch wie lange bleibt diese nun bestehen bevor sie, wie zuvor, ins Alte abdriftet? Sarah Polley stürzt ihre Darstellerin nicht etwa in dieses Wechselbad der Gefühle, macht Michelle Williams nicht zur sofort willigen Seitenspringerin, sondern inszeniert durchaus langsam, taucht in die Gedankenwelt dieser jungen Frau ein und beobachtet das weitere Treiben. Es ist ein zögerlicher Schritt von Margot, der dadurch nur umso natürlicher wirkt. Dass das viele darüber nachdenken am Ende nichts weiter einbringt als noch einen Mann an ihrer Seite, der nicht gänzlich durch Perfektion glänzen kann, das ist die grausige Erkenntnis, die Sarah Polley hier einfängt. Das eigene Wohlbefinden wird somit nur kurzzeitig befriedigt.

Verblüffend spielt in diesem Setting Seth Rogen, der mal nicht als debiler Scherzkeks, wie man ihn aus vielerlei Filmen kennt, unterwegs ist. Er versucht sich als verständnisvoller, wenngleich auch oftmals ignoranter Pragmatiker, mit ganz eigenem Sinn für Romantik. Er übergießt seine Ehefrau jeden Morgen unter der Dusche mit einer Kanne kaltem Wasser, schürt den Gedanken, dass die Dusche kaputt sei. Erst am Ende, wenn er es zum letzten Mal vollführt und sich selbst seiner Ehefrau offenbart, da diese im Begriff ist ihn zu verlassen, wird die romantische Geste deutlich: Ein lang geplanter Scherz, der bis ins hohe Alter andauern sollte um sich als altes Ehepaar noch einmal darüber zu amüsieren und auf viele gemeinsame Jahre zurückzublicken.

Seth Rogen

So schön und verträumt das alles dann auch wirkt, so nachdenklich gestimmt man sich aus dem Kinosessel erheben wird, so unwirklich wirkt „Take this Waltz“ zeitweise. Der Film besticht durch eine überdurchschnittlich intensive orangefarbene Sonneneinstrahlung, die den Film immer übermäßig warm erscheinen lässt. Diese Kleinstadtidylle mit all den urigen Häusern und ihren charmant chaotischen Inneneinrichtungen möchte der Realität entfliehen. Hinzu gesellt sich das kindlich-naive Spiel von Michelle Williams, die immer von einem verschmitzten Lächeln zum melancholischen Blick aufs Meer wechselt, ebenso wie ihre Gedanken vermutlich zwischen den zwei Männern in ihrem Leben hin- und herwechseln. Am Ende ist es aber genau das, was dem Zuschauer ebenfalls wiederfahren wird: Dieses Nachdenken über die Dinge. Margot bereut ihren Schritt nicht, sieht zugleich aber auch, dass es eine andere realistische Möglichkeit gegeben hätte. Und dahingehend ist Sarah Polley ein farbenfrohes Gedankenstück der heutigen Gesellschaft gelungen über das man hinterher wunderbar philosophieren kann.


“Take This Waltz“

Originaltitel: Take This Waltz
Altersfreigabe: ohne Altersbeschränkung
Produktionsland, Jahr: USA, 2011
Länge: ca. 116 Minuten
Regie: Sarah Polley
Darsteller: Michelle Williams, Seth Rogen, Luke Kirby, Sarah Silverman, Jennifer Podemski, Vanessa Coelho, Aaron Abrams

Deutschlandstart: 7. März 2013
Offizielle Homepage: magpictures.com/takethiswaltz