Tagebuchnotizen zum Buch DAS ESELSKIND - Die Versöhnung mit den Tätern

Tagebuchnotizen zum Buch DAS ESELSKIND - Die Versöhnung mit den Tätern

Denkmal der Versöhnung in Berlin in der Bernauer Straße
Versöhnung heilt die Wunden der Seele


Ihr Lieben,
alles, was ich in meinen Tagebuchnotizen zu meinem Buch DAS ESELSKIND schreibe, dient allein dem Ziel, mitzuhelfen, dass Kinder und Jugendliche in der Zukunft vor sexuellem Missbrauch und Übergriffen der Gewalt bewahrt bleiben.
Ich erzähle meine Erlebnisse nur deshalb, damit den Menschen noch deutlicher wird, was die Opfer durchleiden, was sie dabei denken und fühlen und warum ihnen das angetan wurde, was ihnen angetan wurde.
Wie ich bereits berichtet habe, wurde ich in einer Schulklasse über vier Jahre lang gequält, gefoltert, gedemütigt und geschlagen.
Vor einigen Jahren hatte ich das Glück, mit den beiden Haupttätern der damaligen Zeit sprechen zu können. Diese Gespräche machten die Taten nicht ungeschehen, aber ich begriff, was die Täter veranlasste, so zu handeln, was ihre Motive waren.
In diesen Gesprächen begriff ich vor allem auch die Wahrheit des Wortes "Alles verstehen - heißt - alles verzeihen."
Erst als ich die Beweggründe der Täter verstanden hatte, konnte ich ihnen auch verzeihen und das war für mich auch das Allerwichtigste:
Die Versöhnung mit den Tätern.
Ich erkannte, dass die Täter heute nicht mehr dieselben Menschen waren, die sie in ihrer Jugend gewesen waren, dass sie inzwischen eine positive Entwicklung genommen hatten. Und so konnten wir uns versöhnen, was meine Seele heilte.
Ich musste aber auch feststellen, dass die andere Weisheit "Vergeben und vergessen" - entschuldigt bitte meine Offenheit - völliger Blödsinn ist.
Vergeben kann man und das ist auch gut so, aber vergessen kann man niemals, was einem angetan wurde.
Um ein wenig in eine solche Täterseele zu blicken, hier drei kleine Ausschnitte aus dem Interview mit dem einen Täter, das in dem Buch DAS ESELSKIND in voller Länge veröffentlicht ist:
"Was war bei dir das auslösende Erlebnis, das dich veranlasst hat, dir ein Opfer zu suchen, um dieses zu demütigen und zu quälen?
Ein halbes Jahr, bevor du in unserer Klasse auftauchtest, bekamen wir zu Hause Besuch von einem Onkel und einer Tante und ihrem 14-jährigen Sohn. Meine Eltern machten dann mit meinem Onkel und der Tante einen Tagesausflug nach Helgoland, während wir Jungs allein zu Hause blieben.
Aus einem nichtigen Grund, der mir heute gar nicht mehr in Erinnerung ist, gerieten wir in Streit und kloppten uns, wie man das damals nannte. Eigentlich war der Cousin größer und sogar stärker als ich, aber er war ein bisschen ängstlich und ich der Gemeinere. Jedenfalls hab ich den richtig verdroschen.
Als der sich aber, wie das damals unter Jungs üblich war (nämlich „sich zu ergeben“), nicht ergeben wollte, habe ich ihm noch mehr reingehaun und ihn dann die Hosen runtergezogen. Ich gebe zu, das hat mich richtig erregt. Weniger sexuell, sondern dieses Machtgefühl hat mich angemacht. Ich habe den dann total verprügelt.
Die Konsequenz war, als die Eltern meines Cousins wiederkamen, dass die sofort abreisten und ich die Tracht Prügel meines Lebens von meinem Vater bekam. Aber irgendetwas war da in mir erwacht und in der Folgezeit habe ich überlegt, wie ich an ein Opfer herankommen könnte, das ich fertig machen könnte. Ich habe in der Folgezeit nachts im Bett solche Gewaltphantasien entwickelt, dass ich davon regelmäßig einen Samenerguss bekam.
Was waren für dich der Anlass und die Faktoren, aufgrund derer du festgestellt hast, dass ich das für dich geeignete Opfer war?
Als du in unsere Klasse kamst, ist mir zunächst nichts aufgefallen. Allerdings stellte ich schnell fest, dass du nicht lange mit mir diskutiert hast, wenn ich was von dir wollte, sondern das auch gemacht hast, was ich wollte.
Hattest du z.B. irgendwelche Süßigkeiten mit, dann habe ich dir die regelmäßig abgenommen bzw. du hast sie mir freiwillig gegeben. Dann hab ich dir ab und zu mal, wenn ich schlechte Laune hatte und du mir im Wege standest, ein paar aufs Maul gehaun oder dir in die Eier getreten.
Und irgendwann kam mir die Erkenntnis, dass du genau das Opfer warst, nachdem ich gesucht hatte: Die Lehrer halfen dir nicht, wenn wir dich schikanierten oder schlugen und von Zuhause hattest du, wie wir schnell merkten, auch keine Hilfe zu erwarten.
Nachdem ich Ende November 1963 nach einem völligen Zusammenbruch aus deiner Klasse verschwand, wie hat sich deine Gewaltbereitschaft dann weiter entwickelt?
Ich war in der Folgezeit mehrfach in Schlägereien innerhalb und außerhalb der Schule verwickelt und das hat mir richtig Spaß gemacht. Dabei habe ich auch das Eine oder Andere einstecken müssen, denn bei denjenigen, mit denen ich in Streit geriet, handelte es sich zumeist nicht um solche Schwächlinge wie dich. Als aber in meiner Studentenzeit meine Lust an der Gewalt nicht nachließ und ich einen Studenten grundlos zusammenschlug, landete ich vor Gericht und der Richter verdonnerte mich neben einer saftigen Geldstrafe zu einer, heute würde man sagen, Antiaggressions-therapie.
Das war mein großes Glück, denn ich habe diese Therapie über mehrere Jahre besucht, weil mir der Therapeut schon in der ersten Sitzung brutal ehrlich klar machte, dass weitere Straftaten in diesem Bereich meine zukünftige Karriere als Banker, der ich werden wollte, gefährden und zunichte machen würden.
Wie beurteilst du deine damaligen Taten aus deiner heutigen Sicht als Erwachsener?
Ich bin einfach nur entsetzt, was ich dir damals angetan habe. Denn ich war eindeutig der Rädelsführer. Als Klassensprecher und als der Stärkste und Größte aus der Klasse hätten alle auf mich gehört, wenn ich gesagt hätte: „Lasst den Kleinen in Ruhe.“
Stattdessen hab ich die Anderen sogar noch dazu aufgehetzt, dich zu demütigen und zu quälen. Ich bin – und das kommt aus tiefstem Herzen -, dankbar, dass damals nichts Schlimmeres geschehen ist. Ich weiß, das klingt blöd, aber ich meine, du hättest dabei ja auch bei irgendeiner Gelegenheit draufgehen können. Leider kann ich das nicht wieder gutmachen, was, besonders ich, dir angetan habe."

Tagebuchnotizen zum Buch DAS ESELSKIND - Die Versöhnung mit den Tätern

Friede und Versöhnung heilen unsere Herzen, nicht Unfriede und Hass


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