Tag der Revolution (6) – Rückblick

Der 22 Bahman (11. Februar), der Jahrestag der Revolution vom 1979, ist nun vorüber.
Noch am selben Tag wurde in Internetforen, auf Facebook und in diversen Blogs darüber diskutiert, ob und was die Opposition falsch gemacht hat, ob die Regierung und das Regime den Machtkampf dieses Mal gewonnen hätten oder ob die Proteste etwa bereits zum Erliegen gekommen wären.

Drei Kommentare von Menschen, die Aktiv (ob im Iran oder in Europa) den Protest unterstützen, seien hier beispielhaft angeführt. Es handelt sich um:

- Kommentar auf Persisch von Madyar (Menschenrechtsaktivist und Journalist, Teheran)
- Kommentar auf Persisch von Salman Rasoulpour (Menschenrechtsaktivist und Journalist, Schweden), sowie
- Kommentar auf Deutsch von Julias Blog (Deutschland)

Die Kommentare der Regierungsanhänger berücksichtige ich nicht, da diese sich (mit graduellen Unterschieden) seit 31 Jahren nicht geändert haben: Jeder, der auch eine leise Kritik an diesem (wörtlich!) „heiligen islamischen System“ übt, ist seines Lebens nicht mehr sicher.

Einige Dinge haben die o.g. Kommentare und Analysen gemein:

Der Protest ist führerlos

Die gute Seite dieser Führerlosigkeit: 1978/79 konnte der Protest weitgehend von Khomeini-Anhänger kanalisiert und gelenkt werden. Alle beteiligten Gruppen und Menschen hatten nur ein Ziel und akzeptierten -so schien es- die Integrationsfigur Khomeini als vorläufigen Führer der Revolution; auch unter dem Motto: Schlechter kann’s nicht mehr werden.
In den letzten Monaten wurde zwar auch von manchen Moussavi-Anhänger versucht, die Proteste zu vereinnahmen und Moussavi als alleinigen „Führer“ der Opposition darzustellen, die Demonstranten jedoch, die täglich ihr Leben und Gesundheit aufs Spiel setzen, haben sich kaum an die Vorgaben von Moussavi gehalten, wenn diese sich nicht mit den Wünschen der Menschen vereinbaren ließen.

Das Regime wurde unterschätzt

Führerlos ist dieser Protest aber leider auch -und das ist die Schattenseite-, wenn es um die Organisation der Kundgebungen geht.
Der Ort der Proteste am 11. Februar war schlecht gewählt. Bis zuletzt wurden alle gebeten, sich gleich in der Früh am Teheraner „Freiheitsplatz“ zu versammeln.
Hier fand auch die Rede von Ahmadinejad statt.
Die Regierungskritiker sollten sich in die Menge mischen und im „richtigen“ Augenblick die Rede stören. Daher sollten sie sich so kleiden, wie streng-gläubige Moslems: Männer mit Bart und Frauen mit Vollkörperschleier!
Lt. Augenzeugen hielten aber starke Polizei- und Bassidji-Kräfte bereits seit 6 Uhr Früh den ganzen Platz besetzt.
Man musste drei verschiedene Absperrungen passieren, um auf dem Platz zu gelangen, weshalb viele Demonstranten auf Zufahrts- und Seitenstraßen ausweichen mussten, wo ihre Anwesenheit und die unklugen Ratschläge, sich wie „trojanische Pferde“ zu tarnen, auf den Fernsehbildern den Eindruck erweckten, als seien sie zur Unterstützung von Ahmadinejad erschienen!
Dieser grobe strategischer Fehler wurde vielleicht -günstigstenfalls- deshalb begangen, weil man das Regime und die Möglichkeiten der verschiedenen Sicherheitsapparate völlig unterschätzt hat.

Im Westen von Teheran (Bezirk Sadeghieh), wo sich die Menschen nicht getarnt haben, wo sie sich, wie in den vergangenen Monaten, mutig den Schlägertrupps der Regierung entgegen stellten, riefen sie kluge Parolen, wie „Referendum, Referendum, das ist der Ruf des Volkes”!

Große Erwartungen

Im Vorfeld der Demonstrationen am 11. Februar hörte man vollmundige Parolen (leider zu oft von Exil-Iranern), wonach die islamische Diktatur gerade an diesem symbolträchtigen Tag gestürzt werden würde.

Die ständige Wiederholung der eigenen Wunschvorstellungen erweckte bei vielen Menschen viel zu große und vor allem utopische Erwartungen. Geblendet von dieser Illusion waren viele enttäucht, dass der Protest nicht so sichtbar und heftig gewesen ist, wie anlässlich des Aschura-Aufstandes, und wieder andere meinen schon das Ende der Proteste gesehen zu haben.

Dieser Pessimismus ist aber genauso unangebracht, wie die Euphorie vor dem 11. Februar 2010

Tag der Revolution (6) – Rückblick

Dieser Protest wird weitergehen. Er wird weitergehen trotz der Übermacht des Regimes in Teheran. Eine Übermacht auf allen Gebieten: militärisch und propagandistisch.
Die Kritiker haben auf den Straßen nur ihre Parolen und können höchstens mit Steinen werfen. Ihnen steht die staatliche Gewalt aus Spezialkräften der Polizei, den „Passdaran“ und den Bassidji-Milizionären, sowie das gesamte Geheimdienstapparat einer Diktatur gegenüber.

Die Kritiker können sich nur mehr in Internetzeitungen und Weblogs austauschen und sich höchstens auf einigen wenigen kritischen Kommentaren in manchen Zeitungen stützen.
Ihnen steht die ganze Bandbreite der modernen Kommunikationsmitteln und ihre freundlicherweise aus Europa gelieferten Überwachungswerkzeuge (siehe hier und hier), des staatlichen Fernseh- und Radioapparates und landesweit erscheinende Zeitungen und Zeitschriften gegenüber.

Trotz dieser Fülle an Möglichkeiten musste das Regime Berufsdemonstranten aus anderen Städten heranschaffen und sie gratis verköstigen.

Und dennoch ist der Hauptversammlungsort der Regimeanhänger ziemlich leer geblieben, wie man auf dem flg. Bild sehen kann.
Dieses Bild stammt von GeoEye und zeigt den „Freiheitsplatz“ (Azadi-Platz) am 11. Februar 2010 um 10:47 Ortszeit, während der Ansprache von Ahmadinejad!
Tag der Revolution (6) – Rückblick
(click to enlarge)

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