Tag 7 – Von Whitby nach Burniston (33 Kilometer)

In Whitby überzeuge ich mich nicht nur selbst von der heilsamen Wirkung des Meeres auf Leib und Seele, sondern auch meinen Engländer. Der beschließt kurzerhand, mich an meinem letzten Tag an der Ostküste zu begleiten. Gemeinsam steigen wir an diesem warmen Sommermorgen  die steilen Stufen zur Abbey hinauf, um dem Cleveland Way zu folgen, der sich einen weiteren Tag an den steil nach unten abfallenden, mit nistenden Seevögeln randvoll gefüllten Klippen entlangwindet.

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Der Himmel ist fast wolkenlos und dank einem unzuverlässigen englischen Wetterbericht, der uns hoch und heilig Regen versprochen hatte, haben wir die Sonnencréme getrost weggelassen. Vermutlich hätte die sich aber eh in unserem Schweiß aufgelöst, denn der Pfad triezt uns mit einer nicht enden wollenden Kette aus erschöpfenden Auf- und Abstiegen. Wir passieren einen gigantischen weißen Leuchtturm und die Anlage einer ehemaligen Nebelwarnstation bevor wir zur verdienten Pause nach Robin Hoods Bay hinabklettern.

20160716_101657 Tag 7 – Von Whitby nach Burniston (33 Kilometer) Tag 7 – Von Whitby nach Burniston (33 Kilometer) Tag 7 – Von Whitby nach Burniston (33 Kilometer)

Der auf Postkarten so vielfach gepriesene Sandstrand des einstmals kleinen Fischerdörfchens ist gerade von der Flut überspült, sodass unsere Füße mit unnachgiebigem Asphalt vorlieb nehmen müssen. Heute ist der Ort ein beliebtes Touristenziel, Imbissbuden und Souvenirshops schmücken die steilen Gässchen und in den Pubs strecken müde Coast-to-Coast-Wanderer ihre Glieder aus, denn der etwas bekanntere National Trail endet hier. Friedliche Zeiten sind eingekehrt in Robin Hoods Bay, das von 1700 bis circa 1850 noch Yorkshires Schmugglerparadies Nummer eins war. Vor allem Tee, Schnaps, Salz und Seide waren begehrte Güter des heimlichen Warenhandels. Das Lieblingsgetränk der Briten kostete im Land selbst dank rigoroser Steuern teilweise zwanzig bis sechzigmal so viel wie beispielsweise in Holland. Kein Wunder also, dass sich drei Viertel des damaligen Teekonsums aus illegalen Quellen speisten.

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Dabei spielte den Schmugglern nicht nur die versteckte Lage in einer Bucht, sondern auch die Architektur des Fischerdorfes in die Hände, denn die Häuser waren so dicht aneinandergebaut, dass sogar große Seidenrollen durch geheime Türen und Durchgänge unbemerkt durch den Ort geschleust werden konnten. Ob Robin Hood jedoch jemals hier sein Unwesen trieb, wie es der Name des Ortes vermuten lässt, der einst Bay Town lautete, ist nicht geklärt. Vermutlich hat der Held hier in der Bucht einst „nur“ seine elfenbeinfarbenen Strumpfhosen vom Schlamm der North York Moors reinigen wollen und wird nicht schlecht gestaunt haben, als der Seetang diese schließlich grün gefärbt hat. Jedenfalls würde das den modischen Ausraster des beliebten Volkshelden ziemlich gut erklären, wie ich finde. Egal, wir müssen weiter.

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Als wir uns im Schatten von Ravenscar zur nächsten Rast niederlassen, spricht uns ein älterer Herr an, der uns aufgeregt sein Fernglas leiht: „Wollt ihr Robben sehen? Dann schaut mal hier durch!“, bietet er uns freundlich an. Ich kann mein Glück nicht fassen. Tatsächlich erblicke ich durch die Linse ein paar wohlgenährte Exemplare, die sich auf einer kleinen Sandbank seelig in der Sonne aalen. Mir schießen die Tränen in die Augen. Und wieder erwischt mich das pure Wandererglück. Als der charmante Brite mit seinem Guckrohr von dannen zieht, blicke ich sehnsüchtig hinauf auf die romantisch im Sonnenlicht funkelnde Burg von Ravenscar und beschließe insgeheim, dass ich meinem Engländer dort irgendwann mal mein Ja-Wort geben werde.

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Der allerdings schlurft bald nur noch kraftlos hinter mir her. Ein bösartiger Sonnenbrand hat Beine und Hände meines Begleiters in ein schmerzendes Krabbenrot verwandelt. Auch meine Haut spannt allmählich und es wird Zeit, unseren Zeltplatz aufzusuchen. Wir haben längst die 25-Kilometer-Marke überschritten, nach der nur noch pure Verzweiflung droht und biegen unüberlegt viel zu früh ab. Zwei Stunden lang  quälen wir uns mit gekrümmtem Rücken an einer Straße entlang nach Burniston hinein und mitten hindurch. Mein Engländer fällt immer weiter hinter mir zurück und ich mache mir allmählich Sorgen um seinen Zustand. Umso schneller will ich den Zeltplatz erreichen und lege einen gehörigen Zahn zu, als das rettende Schild in Sicht kommt. Doch die Rezeption ist um acht Uhr abends bereits geschlossen.

Also klingele ich laut und deutlich. Kurz darauf erscheint eine ältere Dame, die mir nüchtern erklärt, dass wir hier nicht zelten können, da der Boden für Heringe viel zu hart sei. Irritiert blicke ich auf das Eingangsschild, das eindeutig ein Zelt zeigt. „Aber 15 Minuten weiter die Straße lang ist noch ein Zeltplatz. Dort ist sicher noch etwas frei“, haucht sie mir neue Hoffnung ein. Mein Engländer sackt in sich zusammen. Ich ermuntere ihn, weiterzugehen. Doch die Zeitangabe der graumelierten Engländerin war ziemlich optimistisch bemessen. Erst nach dreißig Minuten erreichen wir den riesigen Caravan-Park. Während sich mein Engländer mit verzerrter Mine mehrere hundert Meter hinter mir voranschleppt, flitze ich schon mal eilig vor. Doch auch hier ist die Rezeption bereits geschlossen. Verzweifelt irre ich auf dem Platz umher, versuche irgendwo einen Mitarbeiter aufzutreiben. Mein Engländer ist inzwischen aufgetaucht und lässt sich neben mir ins Gras sinken.

Plötzlich erscheint doch noch ein gutgelaunter Brite in einem roten T-Shirt, der sich als kundiger Angestellter ausweist. Er führt uns zu einem kleinen Rasenstück in der hintersten Ecke des überfüllten Grundstückes. In Rekordgeschwindigkeit rolle ich meinen Engländer auf die Alumatte und übernehme das Aufbauprogramm. In zehn Minuten habe ich sowohl unser Zelt aufgebaut, als auch mit dem Nötigsten dekoriert. Als wir den kärglichen Inhalt unserer Snacktüte zwischen unseren Schlafsäcken auskippen, überlegen wir kurz, ob wir nicht doch noch zum Take-Away laufen sollten. Doch keiner von uns beiden ist auch nur zu einem Schritt mehr fähig. Unsere Körper sind ausgebrannt und zusätzlich komplett verbrannt. Jede Bewegung schmerzt so stark, dass wir beide nur wimmernd die Nacht überstehen. Am nächsten Morgen sind wir so gerädert, dass feststeht: Wir fahren nach Hause. Es sind nur noch etwa zehn Kilomter nach Filey, dem offiziellen Endpunkt des Cleveland Ways, aber die nehme ich mit, wenn ich den Yorkshire Wolds Way erwandere. Der beginnt nämlich dort.

Hast du auch schon mal einen Fernwanderweg bestritten? Wie sind deine Erfahrungen mit den Freuden und Leiden eines Wanderers? Hast du Tipps, Fragen oder Anregungen? Dann schreibe doch einen Kommentar. Ich freue mich auf jede Nachricht und antworte gern darauf!

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