Tabus und anderer Schräglagen
Es "ostert" und da fallen wieder einmal die Hüllen.
Das Zentralorgan rechter Bürgerlichkeit, "Die Presse", widmet der Debatte über die "Schweigeminute" am Karfreitag offenbar eine Serie:
Der ORF schwadronierte zu seinem aktuellen Programm, dass es ganz im "Zeichen des wichtigsten Fests der Christenheit" stünde inkl. einer Gedenkminute "zur Todesstunde Jesu" am Freitag um 15 Uhr in ORF 2.
Die Initiative "Religion ist Privatsache" (Heinz Oberhummer, der aus den Science Bustern, Michael Franz, Eytan Reif et al.) beschwerte sich bei ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und der Standard berichtete am 27.3.:
http://derstandard.at/1332323946869/Religion-ist-Privatsache-Beschwerde-gegen-ORF-Osterprogramm .
Am 28.3. berichtete sie die Presse etwas verspätet von der Front des Kulturkampfes:http://diepresse.com/home/kultur/medien/744312/Initiative-wehrt-sich-gegen-ORFOsterprogramm
Gegen den Physiker Oberhummer wird dann am 5.4. der Mathematiker Taschner (dessen letztes Buch exemplarisch zeigte, wie weit sich ein eitler Mathematiker zum Thema Gerechtigkeit verrechnen kann) losgelassen, der den "wirkliche Skandal " nicht in der öffentlich-rechtlich verordneten Schweigeminute am Karfreitag sieht, sondern gleich weiter ausholt:
Nicht die Religion ist Privatsache, sondern der Glaube. Und allen Schulpflichtigen, gleich welcher Konfession, kann sehr wohl ein Unterricht im Fach Religion zugemutet werden.
...
Es ist paradox: Ehrwürdige Religionen drohen zu entschwinden, aber Millionen Gläubige der Klimareligion, lächerliche Nachäffer des Terra-Mater-Kults, gedachten zuletzt des Klimawandels und löschten für eine Stunde mit Inbrunst zur „Earth Hour“ die Lichter. Das Licht der Aufklärung ist in ihnen wohl noch länger verloschen.
Zapatong, und ich werfe mir manchmal vor, auf meinem Blog Themenwechseln wie Reissblenden im Experimentalfilm vorzunehmen.
Also dann können wir doch gleich noch in dem, durch scheinbar keinen logischen Faden gebremsten, Doctus fortzufahren.
Helle Aufregung in der liberalen Szene.
Günther Grass nennt ein paar Zeilen ein Gedicht, in dem er, bei aller Rücksichtnahme auf seine deutsche Herkunft und seine verheimlichte Zwiebelschalen meinte, dass die - auch von Deutschland - hochgerüstete Atommacht Israel den Weltfrieden jetzt mehr gefährde, als ein - "die Atome dzt. noch mühsam anreicherndes" - Mullah Regime.
http://www.stern.de/kultur/buecher/gedicht-von-guenter-grass-im-wortlaut-was-gesagt-werden-muss-1809492.html
Antisemitismus sei dies, "Schmierentheater", "Hasspamphlet", "Verirrung", ...
Den Gipfel schoss die israelische Botschaft in Berlin ab, die Grass vorwarf:
Es gehöre zur europäischen Tradition, die Juden vor dem Pessach-Fest des Ritualmords anzuklagen.
http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/ritualmord-vor-dem-pessach-fest_1.16259083.html
Diese Woche beruht auf einer Festlegung des Frühchristentums.
Nach langem ringen wollte man sich zwar vom jüddischen Pessach absetzen, in dem man den Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond als Ostersonntag festgelegte, andererseits gehört zur Liturgie ein Text aus dem Buch Exodus, womit der Bezug zum Pessach wieder hergestellt wurde, an dem die Juden ja ihren (historisch so nicht belegten) Auszug aus Ägypten feiern.
Also angesichts
der existierenden und angestrebten A-Bomben dieser Welt,
der U-Boot- und Religionskriege,
überschätzter Dichter und geharnischter Kulturkämpfer von Gottes Gnaden,
überheblicher Mathematiker
und im Prinzip jedoch nicht im Detail nachvollziehbarer Physiker
bin ich FÜR eine Schweigeminute.
Gedenken wir doch all der Toten, die wir denen verdanken, die ihren Schießbefehl von einem der unzähligen Götter der Menschheitsgeschichte erhalten haben wollen.
Danach geben wir uns tiefschürfendem Zynismus hin und lassen uns von
Jon Steward in die Words of Warcraft einführen (sorry just English):
http://www.thedailyshow.com/watch/tue-march-6-2012/words-of-warcraft
Frohe Ostern:
Das HAAS-Haus in Wien