Religionsunterricht ungeschminkt. (Bildquelle: vatikanmichmal.info)
Just am Internationalen Frauentag, am 8. März 2013, plazierte die „Thüringer Allgemeine“ (TA) in ihrer Lokalausgabe Weimar an prominenter Stelle ein Interview unter der Überschrift „Religionsunterricht wird beliebter“. In der Unterzeile heißt es weiter: „20 Prozent der Weimarer Schüler belegen Fach“. Nebenbei bemerkt, von kritischen Lesern wird dieser Zeitungstitel oft so ausgesprochen: „Thüringer Allgemeine Kirchenzeitung“. Und wie es sich für gute Werbefachleute und auch für christliche Missionierer gehört, mußte das Interview wohl unbedingt mit einem suggestiven Titel versehen werden. Guter Journalismus sieht anders aus.Hintergrund für diesen Artikel ist eine Tagung der Synode des Kirchenkreises Weimar am darauffolgenden Wochenende. Tagungsort ist das kircheneigene „Diakonie Landgut Holzdorf gGmbH”. Welches im übrigen primär nichts anderes als ein auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Wirtschaftsunternehmen ist. Dazu heißt es auf der Internetpräsenz der Diakonie in aller Deutlichkeit:
„Das eindrucksvolle Anwesen mit den historischen Gebäuden und einer imposanten Parkanlage bietet die Möglichkeit zu Veranstaltungen verschiedenster Art. Gerne wird das Herrenhaus für Hochzeiten, Firmenjubiläen, Seminare und Familienfeste genutzt. Die Cafeteria bietet reichlich Platz für Gäste. Hier werden unter anderem hauseigene Produkte wie Apfelsaft aus der eigenen Plantage, Kuchen und Pizza angeboten. In der Aula können Tagungen, Abschlussbälle und Konzerte mit bis zu 170 Personen durchgeführt werden.”
Doch zurück zum Interview. Hier heißt es einleitend: „… befasst das Kirchenparlament sich auch mit dem Religionsunterricht. Wir baten Pastorin Katharina Passolt, Schulbeauftragte der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands, uns diese besondere Thematik zu erläutern.”
Auf die Frage, wie es in der Region um die Akzeptanz des Religionsunterrichtes bestellt ist, antwortet die Pastorin u.a.:
„Mehr als 20 Jahre nach der Wende ist der Religionsunterricht in der Mitte der Schule angekommen und verzeichnet eine leicht steigende Nachfrage. Das betrifft speziell auch Weimar, was sicherlich damit zu tun hat, dass man sich im Kirchenkreis sehr stark engagiert hat.”
Also nicht auf Wunsch der Eltern und der Schüler, sondern auf Drängen der Priesterkaste!
Auf Nachfrage gibt sie kund, daß von rund 12.000 Schülern im Schulamtsbezirk etwa 2.300 „das Angebot nutzen”, das seien „zirka 20 Prozent, eine gute Zahl”. Und damit liege Weimar „im oberen Level”.
Lt. Thüringer Schulstatistik nehmen landesweit etwa 20,7 Prozent aller Schüler am evangelischen Religionsunterricht teil. Der Anteil der evangelischen Kirchenmitglieder an der Gesamtbevölkerung liegt in Thüringen lt. Landesamt für Statistik bei 24,0 Prozent.
Nachdem die Pastorin sich im Glanze der hohen Teilnehmerzahlen am Religionsunterricht sonnt, rutscht ihr aber eine gerne verschwiegene Wahrheit aus dem Munde:
„Nur an Berufsschulen ist es uns bislang nicht gelungen, Religionsunterricht zu etablieren.”
Aber auch für diesen Bereich gibt es thüringenweite Zahlen aus der Schulstatistik. Demzufolge besuchen rund 2,3 Prozent aller Schüler diesen Religionsunterricht. Wobei sich diese Zahl wohl in erster Linie aus den Schülern kircheneigener berufsbildender Schulen speist.
Was ich in diesem Interview vermißt habe, das ist eine Information darüber, was denn Religionsunterricht überhaupt ist. Daß es sich hierbei um Glaubensunterrichtung gemäß den inhaltlichen Vorgaben der Landeskirche handelt und nicht um einen objektiven religionenkundlichen Unterricht in Verantwortung des Staates.
Und wenn man sich die Statistiken anschaut, dann ist auch im Schulamtsbezirk Weimar die Zahl der Teilnehmer am Religionsunterricht weitgehend stabil.
Mir stellt sich da auch gleich die Frage, inwiefern dieser Unterricht immer beliebter wird. Und wissen Eltern überhaupt, daß sie ihre Kinder gar nicht zu diesem Unterricht anmelden müssen? Selbst wenn sie selbst dieser Kirche angehören.
Ein Blick in die Statistik zeigt übrigens, daß gut 34 Prozent der Gymnasiasten diesen Religionsunterricht besuchen. Also liegt bei den Kindern von Besserverdienenden und Etablierten dieser Prozentsatz deutlich höher. Warum? Um diesen Kindern dank kirchlicher Netzwerke und Seilschaften bessere Karrierechancen zu erschließen?!
Dazu sei ein Blick in meine mecklenburgische Heimat gestattet. Hier amtiert seit 2008 die 1974 geborene Manuela Schwesig als Ministerin für Soziales und Gesundheit bzw. für Arbeit, Gleichstellung und Soziales. Seit Ende 2009 ist die Frau außerdem stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD… mit Ambitionen auf ein Bundesministeramt.
Und was erfährt man über diese doch noch junge Politikerin noch?
Daß sich die zuvor konfessionslose Schwesig am 31. Juli 2010 gemeinsam mit Ehemann und Sohn christlich taufen ließ und zusammen mit ihrer Familie in die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs eingetreten ist…
Zurück zu den Berufsschülern. Diese sind ja in der Regel älter als 16 Jahre (ab 14 ist man in Deutschland religionsmündig) und sie streben kaum Karrieren in irgendwelchen politischen oder gesellschaftlichen Hierarchien an. Also haben sie für ihr Leben Religion bzw. eine formelle Kirchenmitgliedschaft nicht nötig. Vor allem aber können sie eigenständig entscheiden, ob sie sich während ihrer dualen Berufsausbildung kirchlich indoktrinieren lassen wollen.
Die Prozentzahl 2,3 Prozent (1,8 % in Sachsen-Anhalt, das mit Thüringen zum Bereich der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands gehört) gibt wohl indirekt auch Aufschluß darüber, welchen Stellenwert Religion und Kirche tatsächlich für den Normalbürger haben. Entgegen allen Behauptungen, besser: Beschwörungen, seitens Priesterkaste, herrschender Politik und Mainstreammedien über wachsende Beliebtheit oder zunehmendes Interesse…
Siegfried R. Krebs
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]