Sven Regener – Wiener Straße

Da sind sie wieder, die liebenswerten Chaoten um Frank Lehmann, Karl Schmidt und Erwin Kächele. Heute erschien Sven Regeners mittlerweile fünfter Roman Wiener Straße, der auch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises zu finden ist. Ganz nebenbei kam vor einer Woche die Verfilmung seines letzten Romans Magical Mystery in die Kinos. Regener, der von Termin zu Termin huscht, wird momentan mit Sicherheit nicht langweilig. Aber auch Regeners Leser sollten nicht über Langeweile klagen können, denn Wiener Straße ist durchaus amüsant, ganz so wie man es von dem in Bremen geborenen Wahl-Berliner gewohnt ist.

Bis 2001 war Sven Regener lediglich als Sänger und Trompeter der Berliner Band Element of Crime bekannt. Sein literarisches Debüt Herr Lehmann wurde in Millionenauflage gedruckt und später mit Christian Ulmen in der Hauptrolle verfilmt. Danach folgten Neue Vahr Süd und Der kleine Bruder. Die Lehmann-Trilogie war komplett. Aber Schluss war dennoch nicht. Während Magical Mystery die Zeit nach Karl Schmidts Nervenzusammenbruch und seinem Aufenthalt in der Psychiatrie behandelt, erzählt Wiener Straße von den Anfangsjahren der Truppe in Berlin-Kreuzberg Anfang der Achtziger Jahre. Frank Lehmann ist hier eher Randfigur. Er hat sich entschieden, in Berlin zu bleiben und zieht mit Café Einfall-Besitzer Erwin Kächeles Nichte Chrissie, H.R. Ledigt und Karl Schmidt in die Wohnung über der Kneipe. Was dann passiert, ist eigentlich gar nicht einmal so viel. Aber das ist auch nichts Ungewöhnliches bei Regener.

Draußen erschien ein Mann in der Tür. Er beugt sich über den dort stehenden Stuhl und rief: „Ist schon offen?“
„Nein“, sagte Frank.
„Ich dachte, weil die Tür offen ist.“
„Nein, ich putze nur“, sagte Frank.
„Ich bin nur zufällig da“, sagte Marko. „Ich will gleich wieder Taxe fahren.“
„Soso“, sagte der Mann. Er war ungefähr im gleichen Alter wie Marko, also Anfang, Mitte dreißig.
Marko sagte zu Frank: „Kannst du nicht die Kaffeemaschine anmachen? Da kannst du doch auch was verdienen. Ich zahl ja auch.“
„Ich auch“, sagte der Mann.
„Nein, ich muss putzen.“

Ständig steht jemand in der Tür des Einfalls und fragt, ob schon geöffnet sei. Außerdem gibt es die skurrile Künstler-Hausbesetzer-Gruppe ArschArt-Galerie um den Österreicher P.Immel, die als Deutsche getarnt Decknamen verwendet und in Wirklichkeit gar kein Haus besetzt hat. Und es gibt jede Menge Situationskomik, die schon manchmal an Slapstickeinlagen erinnert. Alles in Allem ist es, wie mein Buchpreis-Blogger-Kollege Frank O. Rudkoffsky unlängst schrieb, als träfe „man alte Freunde wieder“, mit denen „man eben lieber über die guten alten Zeiten als über die ernsten Themen des Lebens“ redet. Zwar werden für den Leser keine alten Geschichten aufgewärmt, doch so wirklich neu ist das, was wir hier lesen, auch nicht. Trotzdem ist Wiener Straße eine Empfehlung wert, zeigt das Buch doch auf absolut witzige Weise den Mikrokosmos Kreuzbergs der frühen Achtziger samt der Hausbesetzer, Künstler und komischen Typen, die es in die große Stadt verschlagen hat. Und wieder einmal beweist Sven Regener, dass er ein wahrer Meister des Dialogs ist und es wie glänzend versteht, Situationen so zu beschreiben, dass man das Gefühl hat, mit im Café Einfall zu sitzen. Es macht einfach Spaß, Regener zu lesen. Schade, dass er es erst jetzt auf die Longlist des wichtigsten deutschen Literaturpreises geschafft hat. Ich denke, frühere Werke hätten größere Chancen gehabt – zumindest auf einen Platz auf der Shortlist. Aber gut, so bildet das Buch zumindest einen heiteren Gegenpol zu den sonst eher ernsteren Longlist-Titeln.

Hörprobe aus Sven Regeners neuem Roman Wiener Straße – gelesen von ihm selbst

Sven Regener – Wiener StraßeSven Regener
Wiener Straße
Galiani-Berlin
304 Seiten
EUR 22,-

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