Kürzlich habe ich mich hier recht halbherzig darüber erregt, dass Deutschland keine Popkultur hat, keine echten Superstars, keine Blockbuster, dass gähnende Leere in den internationalen Preisregalen wie auch nicht selten in den Kassen unserer Künstler herrscht, egal, ob sie auf oder neben oder hinter oder ganz ohne Bühne Star sind. Zwei Menschen nerven mich seitdem regelmäßig mit Funden von Gegenbeweisen, namentlich imbißsylt - meine gefeierte Co-Autorin- und ich selbst, stets in der Angst, dummes Zeug geschrieben zu haben.
Imbißsylt hat denn auch schon Falco exhumiert (und damit ihre reichsdeutsche Perspektive offenbahrt, die man so garnicht vermuten würde), mit Kraftwerk fast ins schwarze getroffen und mich daran erinnert, dass z.B. Techno im Großen und Ganzen von deutschem Boden ausging. Gnadenlos hat mir Frau Sylt dann mit der Nennung von Scooter gleich doppelt wehgetan, nämlich einmal bewiesen, dass ich im Unrecht bin und außerdem, dass die Wahrheit wie immer schlimmer ist als die beklagte Realität.
Es ist mit diesem Hintergrund auch keine gute Idee gewesen, "King Kong"- das Remake von 2005 - zu schauen. Die haben da ja einen pistolenschwingenden, jagdbegeisterten Schiffscapitain namens Englehorn, und anfangs dachte ich nur: Hey, der klingt genauso wie Damaskinos aus Blade 2! Kann aber garnicht sein, den habe ich auf Deutsch gesehen, und King Kong auf Englisch. Kann aber doch sein, ist beides Thomas Kretschmann, ein weiterer Schlag in meine Theorie - den hätte Zonenbraut Imbißsylt eigentlich auch kennen können, kommt nämlich aus der Ex-DDR.
Nun muss auch der in fast jedem zweiten Film irgendeinen Nazi-Hauptmann spielen, unser eigentlicher Popkultur-Schlager. Ist komisch, da stelle ich schon seit vielen Jahren fest, dass in den Credits jedes Films, in dem es organisierte Bösewichte gibt, Hitler, Speer und Riefenstahl mitlaufen müssten, aber irgendwie verdrängt: Manchmal direkt, wie in Indiana Jones, zumindest aber stets indirekt wie in Star Wars, und ist es nicht der Triumph der Massen, so sind es zumindest Anleihen aus der schwarzen Ästhetik der SS. Was durchaus tragisch ist, genauso wie die Tatsache, dass die Umfrage noch laufen muss da draussen in der Welt, in der Hitler NICHT einer der drei bekanntesten Deutschen ist.
Zumindest hat es ein Bakterium aus Deutschland jetzt geschafft, Menschen auf der ganzen Welt zu verzaubern. Dass Deutschland überhaupt auf der Landkarte von CNN auftaucht, kommt denkbar selten vor; dass es die Leute dann auch noch interessiert, kommt einem Lottogewinn gleich. Wenn man aber zum Beispiel mal schaut, wie facebook-Empfehlungen auf cnn.com verteilt werden, haben wir endlich einen neuen Superstar.
Ich habe nicht mal mehr Lust zu Gähnen über Nullnachrichten wie "Sprossen aus Niedersachsen unter Verdacht", bei CNN präsentiert als:
German-grown sprouts named likely culprit in deadly outbreak
... und streng genommen sind damit auch Alfalfa-Sprossen und Kichererbsenkeime die eigentlichen Superstars. Was die Empfehlungen von facebook-Nutzern angeht, schlägt EHEC auf jeden Fall um Längen Strauss-Kahns neueste Abenteuer, die Eskapaden des ewigen Präsidentschaftskandidaten John Edwards, sogar ein außer Kontrolle geratenes Feuer in Arizona und liefert sich ein spannendes Rennen mit der Heilung von Hautkrebs. Man könnte jetzt über die in "Bowling for Columbine" so schön skizzierte eigentliche Nationalsportart der Amerikaner sinnieren...
... also Angst haben. Aber heute sind wir ja sehr heilig, es reicht also erstmal. Wie, Sie sind heute garnicht heilig? Dann sehen Sie sich das Wetter an oder sowas, mir reicht es erstmal wieder.
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