Das waren ja noch Zeiten, als es noch zwei große Machtblöcke die Welt der menschlichen Sexualität dominierten: die repressive Sexualmoral und sexuelle Unterdrückung auf der einen, die sexuelle Befreiung mit ihrer kommerziellen Ausformung, der Pornografie, auf der anderen Seite. Heute scheint dieser Krieg zuende zu sein. Wir haben einen Sieger: Pornografie und “Pornografisierung” des Alltags.
Es ist an dieser Stelle angebracht, genauer zu definieren, was ich hier unter Pornografie verstehe, bzw. von welchen Aspekten ich hier spreche: Pornografie weist zwei Eigenschaften auf, denen unsere Aufmerksamkeit gilt:
- Pornografie zielt auf (meist) sexuelle Erregung, auf die Aufmerksamkeit des Betrachters, und zwar mithilfe von Darstellungen, die (meist sexuelle*) Erregung auslösen.
- Pornografie isoliert Teilstücke menschlicher Sexualität und Intimität, vergrößert und arrangiert sie mit neuer, künstlicher Dramaturgie und deutet damit die Wirklichkeit menschlichen Sexualerlebens um.
Im Modebegriff “Fremdschämen” finden sich die letzten Zuckungen des Respekts vor Intimität, bevor dieser aus unserer Kultur vollständig verschwindet. Pornografisierung ist somit nur die konsequente Ausdehnung der Pornografie auf die gesamte moderne Gesellschaft und Kultur.Kommen wir auf diesem Hintergrund auf die ursprüngliche Fragestellung zurück, ob Pornografie einen prägenden Einfluss auf die sexuelle Identität von Kindern und Jugendlichen haben kann, dann ahnen wir bereits, dass Pornografie einen Einfluss nicht nur auf Kinder und Jugendliche hat, sondern auf die gesamte Gesellschaft. Dieser Einfluss ist subtiler und umfassender, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Es sind die Gesetze des Marktes und der Vermarktung, die niemals zu beherrschen sind, die uns beherrschen, die hier, als Pornografie, im Bereich der menschlichen Sexualität und ihrer gesellschaftlichen Realität gelten und wirken.
(wird fortgesetzt)
* nicht jede pornografische Abbildung wirkt sexuell erregend, es kommt wohl stets auf die Vorlieben des Betrachters an.