"Sunset Boulevard" (1950)

Erstellt am 25. November 2010 von Michael

SUNSTET BOULEVARD
Billy Wilder, USA 1950

1950: Die Stummfilmära lag gerade mal zwanzig Jahre zurück, die meisten Leute konnten sich noch an die Zeit und ihre Stars erinnern.
Einer davon, Gloria Swanson, feierte in Sunset Boulevard glanzvoll ihr Comeback – in ihrer Rolle der Norma Desmond wurde sie so bekannt wie kaum je vorher. Dies war allerdings die Ausnahme – den allermeisten anderen Stummfilmgrössen ging es wie Norma Desmond in diesem Film: Sie verschwanden trotz ihrer verzweifelten Anstrengungen, sich im Tonfilm zu halten, langsam im Treibsand des Vergessen. Ihren verzweifelten Comeback-Versuchen setzt Sunset Boulevard ein Denkmal.

Norma Desmond lebt allein mit ihrem Butler Max (Erich von Stroheim) in ihrer riesigen, im Stil der Zwanzigerjahre eingerichteten Villa. Der Zufall und ein Paar Gläubiger lassen den Drehbuchautor Joe Gillis (William Holden) auf ihrem Anwesen Zuflucht suchen – eine schicksalshafte Fügung, denn Gillis ist genau der Mann, den Norma braucht: Sie steckt mit ihrem eigenen Drehbuch zu einem ägyptischen Historienfilm fest. Da sie ihr Comeback plant, drängt sie Gillis zum Bleiben – nur für ein paar Tage – zwecks Revision ihres Werks. Joe bleibt wider Willen; zunächst ist er von der schrulligen Alten und ihrem Museum fasziniert, und als Versteck vor seinen Gläubigern erscheint ihm die alte Villa für ein paar Tage ganz annehmbar.
Norma aber wird immer fordernder – sie will Joe nicht mehr gehen lassen, klammert sich an ihn wie an einen letzten, rettenden Strohhalm. Und dieser begibt sich aus Widerwillen gegenüber sich und seiner Arbeit immer tiefer in das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis, das ihm schliesslich zum Verhängnis werden soll..

Sunset Boulevard ist ein Zeitbild. Es zeigt die Filmindustrie von 1950 schonungslos und ungeschminkt: Die Stars von einst sind zu Komparsen verkommen oder zu traurigen Schatten ihrer selbst, wie der Stummfilmregisseur Erich von Stroheim, der hier als Butler auftritt. Butler Max war früher einer der drei grössten Stummfilmregisseure der Welt – genau wie sein Darsteller. Neben Stroheim sind weitere Stummfilmstars in traurigen kleinen Nebenrollen zu sehen, Buster Keaton etwa, oder Cecil B. DeMilles Jesus-Darsteller H.B. Warner. Die Industrie verschlingt ihre Kinder, so kann die Aussage des Films auf den Punkt gebracht werden.

Auch den Joe Gillis, der sich lieber von der reichen Norma Desmond aushalten lässt, als sich einen Tag länger seiner frustrierenden und fruchtlosen Tätigkeit im Studio zu widmen, holt dieses Schicksal am Ende ein – oder besser: Bereits am Anfang, denn die Geschichte wird als einzige grosse Rückblende erzählt. Gillis, der Narrator, liegt zu Beginn tot in einem Swimming Pool.

Billy Wilder und Charles Brackett (Drehbuch) – beide waren selbst bereits im Stummfilm tätig – haben diese Bestandaufnahme, in der die Stars von einst der Industrie den Spiegel vorhalten, in bittere Dialoge und schmerzliche Bilder verpackt. Doch da wird nicht nur gequatscht, die Bildsprache ist hoch entwickelt, vieles geht hier ohne Worte.

Ein toller Film, von dem man aber nicht behaupten kann, er hätte heute noch Gültigkeit; zu sehr haben sich die Strukturen in der Traumfabrik geändert.  Als Fenster in die Zeit und ins Filmgeschäft von vor 60 Jahren vemag Sunset Boulevard allerdings noch heute zu begeistern.
8/10