Das Schicksal hat eine merkwürdige Art zu testen, wie viel der Mensch in der Lage ist zu ertragen.
Die letzten Monate waren ganz schön anstrengend und aufwühlend für mich. Fragt lieber nicht, wie lange ich überlegt habe diesen Text zu veröffentlichen. Seit Stunden sitze ich hier und entscheide mich quasi sekündlich um. Mich kostet das alles Überwindung. Sehr viel davon. Da kommt man aus dem Urlaub zurück, feiert seinen 23. Geburtstag und plötzlich klopft das Schicksal an die Tür.
Ich kann mich an diesen Gedanken nicht richtig gewöhnen. Jetzt noch nicht.
Ich habe zwar schon echt viel mitgemacht, aber das war dann einfach zu viel für mich. Die Spitze des Eisbergs und mehr als ich mir vorstellen konnte zu ertragen. Da wacht man von einer Blinddarm-OP auf und plötzlich steht eine ganz andere Diagnose im Raum: Endometriose. Und das mit 23. Es ist nicht heilbar und stellt das gesamte Leben ziemlich auf den Kopf. Ich kann es irgendwie immer noch nicht begreifen.
Bei der Aussicht auf weitere OPs wird mir schlecht.Ich will das alles einfach nicht. Es reicht. Manchmal hoffe ich, das alles nur ein schlechter Traum ist. Vielleicht weil ich weiß, dass ich es dieses mal nicht einfach so ignorieren und verdrängen kann. Weil ich mich der Krankheit jetzt stellen muss.
Weil ich jetzt dazu stehen muss.
Das ist leichter gesagt als getan. Ich hasse diese Narben. Und ich hasse es noch mehr, gesagt zu bekommen, dass Narben schön sind. Und ich kann euch auch sagen warum. Mein Bauch war schon immer der einzige Teil meines Körpers den ich wirklich bedingungslos mochte. Die Narben sind das eine. Das wirklich Schlimme daran ist für mich, dass ich nun jedes Mal wenn ich sie sehe, an diese scheiß Krankheit erinnert werde.
Ich will einfach nur ein ganz normales Leben haben. Wie andere 23 Jährige auch. Ohne Schmerzen, ohne Medikamente mit tausend Nebenwirkungen. Die ersten Wochen haben mich echt mürbe gemacht. Ich hatte das Gefühl, mich auf einer pergament-dünnen Eisschicht zu bewegen. Jeden Augenblick hätte alles um mich herum einbrechen können.
Aber ich konnte mir das nicht leisten.
Ich durfte nicht schwach sein.
Nicht jetzt.
Und doch machte mich das alles irgendwie schlaflos.
Nachts, wenn die Welt dunkler und die Gedanken lauter werden.
Und dann die Frage, wer soll dich jemals so lieben wie du jetzt bist?
Wer würde sich schon freiwillig dafür entscheiden, wenn er es woanders viel einfacher haben könnte?
Solche Gedanken sind wie Gift. Sie sind Gift.
Vor allem in Zeiten wo man sich oft wünscht das alles doch nicht ganz alleine tragen zu müssen. Zu wissen, dass dich jemand auf diesem Weg ein Stück begleitet.
Weil er dich mag so wie du bist.
Zehn Wochen sind inzwischen vergangen. Die ersten voller Tränen und Verzweiflung und die letzten in denen ich endlich neue Kraft sammeln konnte. In denen ich zu akzeptieren gelernt habe. Alles in unserem Leben passiert aus einem Grund. Das habe ich immer gesagt. Auch wenn ich diesen Grund noch nicht kenne, vertraue ich darauf, dass es schon irgendeinen Sinn geben wird. Ich habe gelernt damit umzugehen und werde hoffentlich stärker als jemals zuvor aus dieser Situation herauskommen.
Ich habe mittlerweile gelernt mich zu mögen. So wie ich eben jetzt bin.
Gezeichnet vom Leben.
Narben sind kein Zeichen von Schwäche.
Narben zeigen, dass wir stärker sind als das, was uns versucht hat runterzuziehen.
Narben erzählen Geschichten.
Narben sind bewundernswert.
Und nie wieder würde ich versuchen sie zu verstecken.
Es werden nicht die letzten sein. Und das ist ok.
Genauso wie es ok ist mal richtig zu weinen, zu fluchen und traurig zu sein.
Aber dann muss man wieder aufstehen und nach vorne schauen.
Auch wenn es auf den ersten Blick, keinen Sinn ergibt: die letzten Wochen waren die schönsten meines bisherigen Lebens. Weil ich jeden Moment noch viel mehr schätze. Weil ich einfach die besten Freunde der Welt habe. Weil ich so viele tolle Dinge erlebt habe. Weil das Leben wunderbar ist, so wie es ist.
Und wenn ich eines weiß, dann dass ich mich davon nie niemals unterkriegen lassen werde. Egal wann die nächste OP ansteht oder wieviele noch kommen werden. Ich werde wieder aufstehen und mich dahin zurückkämpfen wo ich heute stehe. Komme was wolle.
Es liegt an uns selbst, aus allem was im Leben passiert, das Beste zu machen.