Wie schon bei ihrem preisgekrönten Baden-Württembergkrimi „Stahlbeton“ hat Birgit Hummler gründlich recherchiert und präsentiert nicht nur einen hochspannenden Krimi sondern auch jede Menge Infos über den Umgang der EU mit Giften. Fakt ist: so gut wie niemand hat in Brüssel einen Überblick über zugelassene Gifte und deren Wirkungen auf Mensch, Pflanze und Tier.
Dazu kommen auf einen Parlamentarier unzählige Lobbyisten und Verbände, die Glyphosat & Co. als unbedenklich anpreisen und viel Geld dafür ausgeben, dass ihre Interessen möglichst „zuverlässig“ Eingang in EU-Verordnungen finden. So weit – so real. Fiktiv dagegen ist der Todesfall Ewald Angelhoff: der Europa-Abgeordnete wird auf einem Wanderparkplatz mit einem Kopfschuss aufgefunden, die Waffe hält er noch in der Hand.
Die örtliche Polizei in Böblingen glaubt an einen Selbstmord, Gerd Stoevesandt vom LKA-Dezernat Wirtschaftskriminalität hat allerdings Zweifel an dieser Theorie: er telefonierte vor Kurzem noch mit dem Politiker – im Gespräch ging es um hochbrisantes Material und sehr wahrscheinlich auch um schweren Betrug.
Nun sitzt Stoevesandt leider nicht im „richtigen“ Dezernat um die Ermittlungen aufzunehmen, deshalb schanzt er seinen Verdacht und Hinweise auf mögliche Spuren geschickt Hauptkomissar Bialas zu, der ebenfalls nicht an einen Selbstmord glaubt und bei seinen Ermittlungen auf jeden Menge Merkwürdigkeiten stößt.
Der smarte Angelhoff scheint sich mit seiner Haltung zur geplanten Gesetzgebung in Sachen „Gift-Test“ ernsthaft Feinde gemacht zu haben – karrieretechnisch kein kluger Schachzug in einem bürokratischen Haufen, in dem ein gut funktionierendes Netzwerk alles ist.
In zwei komplexen und fesselnden Erzählsträngen durchleuchtet Birgit Hummler, nicht nur, wie durchlässig die Grenzen zwischen „Netzwerk“ und „korruptem Sumpf“ sind, sondern auch, wie breit und tief dieser Sumpf bereits geworden ist – zumindest im vorliegenden Kriminalfall. Ein Schelm, wer realistische Hintergründe vermutet!
Die Ermittlungen laufen in „Sumpfgift“ zwar nicht ganz so elegant wie bei „Stahlbeton“ trotzdem ist Birgit Hummlers „Neuer“ wieder ein herausragendes Krimivergnügen mit anspruchsvollem, hochaktuellem Sujet, griffigen Charakteren und stringentem, abwechslungsreichem Plot. Ganz klare Leseempfehlung!
Birgit Hummler „Sumpfgift“, 448 Seiten, broschiert, 12 Euro 90, Silberburg-Verlag