Sukkot: Orthodoxe Juden feiern Weihnachten

Von Qohelet17

Nun verhält es sich so, dass Juden gerne und viel feiern. So sind auch nahezu alle christlichen Feiertage jüdischer Herkunft. Ostern ist die christliche Antwort auf Pessah und aus Schawuot, dem Wochenfest wurde Pfingsten.

Schon wieder Weihnachten! Das ging dieses Jahr aber besonders flott... Und heuer feiern sogar die Juden mit...

Interessanterweise fallen Chanukka (das Lichterfest) und Weihnachten zusammen. In diesem Falle aber ohne irgendetwas gemeinsam zu haben. Zugegeben: Zu Weihnachten lässt man Lichter erstrahlen und bei Chanukka ist genau dies das primäre Ziel. Trotzdem lässt sich dies viel eher dadurch erklären, dass sowohl Juden, als auch Christen wettgeeifert haben, wer jetzt schönere Lichter als der Andere hat, als beispielsweise eine gemeinsame „Weihnukkah“-Vergangenheit.

Wenn man das christliche „Fest der Freude“ mit dem jüdischen „Fest der Freude“ vergleichen wollte, dann kommt am Ehesten ein Fest infrage:

Sukkot.

(es gibt sogar einige recht plausible Erklärungen, dass Jeschuah genau während dieser Zeit geboren wurde)

Auch Ritusgegenstände müssen koscher sein - dieser Markt war nahe des Orthodoxenviertels Mea'Schearim

Sukkot ist das „Laubhüttenfest“. Während es in Europa langsam immer kälter wird und  immer wieder zu Regen kommt, geht in Israel ein langer, trockener Sommer zu Ende. Wer also zufällig in Europa wohnt und jüdische Nachbarn hat, wundert sich vielleicht, warum diese plötzlich Laubhütten bauen und trotz der Kälte darin speisen.

In Israel ist es in dieser Zeit des Jahres noch angenehm warm (wobei es in den Nächten doch passieren kann, dass es empfindlich abkühlt).

Wie feiert man zu Sukkot?

Sukkot in einem Wohngebiet

Es ist eine merkwürdige Kombination aus Freude und „Erinnerung“ an nicht so gute Zeiten. Man denkt daran, dass die israelitischen Vorfahren einst keine Häuser hatten, in denen sie wohnen konnten, als sie im Exodus Ägypten verlassen hatten, um nach Israel zu „pilgern“. In die Wüste konnten sie ihre Häuser selbstverständlich nicht mitnehmen – dort schlief man in einfachen Hütten, die Schutz vor dem

Sukkot: Die Zeit, in der auch orthodoxe Juden Christkindlmärkte besuchen

Wind boten, der oft stürmisch, eiskalt oder voll Sand war. Feste Dächer waren allerdings genauso bloßes Wunschdenken wie die „Dauerhaftigkeit“ dieses „Hauses“.

Doch so wird die Sukkah (Laubhütte) bis heute gebaut. Das Dach, das meist aus Palmenzweigen oder Strohmatten besteht muss zwar mehr Schatten als Sonnenlicht ins Innere bringen, lässt jedoch Regen und das Schimmern der Sterne durch.

Trotz seiner Errungenschaften im Leben soll und darf man nicht davon träge werden und zur Zeit des Sukkot-Festes begibt man sich wieder in den Zustand eines Wanderers, der in einer fragilen Behausung lebt – und dessen Wohl nur vom Allmächtigen abhängt, der seine schützende Hand über ihn hält.

Tanzende Chassidim: Wer genau schaut, sieht vielleicht jemanden darauf

Ob dieses eher melancholisch-nachdenklichen Hintergrunds ist das Laubhüttenfest ein Freudenfest – oder eher: Das Freudenfest. Die zuvor erwähnten Chassidim tanzen auf den Straßen, man schmückt seine Hütte mit Teppichen, Bildern und Früchten, lädt Freunde und Verwandte ein, um mit ihnen gemeinsam in der Sukkah zu speisen.

Dies ist übrigens ein interessanter Punkt im Fest: Während die meisten anderen Feste den Juden vorbehalten sind (was

nicht so sehr ein Wunder ist, da Christen und Muslime beispielsweise an Yom Kippur

Fertige, handgemachte Sukka

selten zu fasten pflegen) feiert man das Fest der Laubhütten gemeinsam mit Mitgliedern anderer Religionen. Mahlzeiten nimmt während der Woche nicht daheim, in den eigenen vier Wänden ein, sondern in der Sukkah von Freunden, Verwandten oder Restaurants, die hierfür ebenfalls welche errichten. Besonders mutige Menschen bauen selbst eine Hütte und laden ein.

Das sind keine kleinen Partyzelte, sondern die Laubhütten (Sukkot) der Restaurants

In den christlichen Teilen der Welt trifft man sich zu Weihnachten beim Christkindlmarkt. Feilgeboten werden Glühwein, Maroni oder christliche Devotionalien. Ob sich heiße, alkoholische Getränke bei 25°C verkaufen würden wage ich zu bezweifeln… Ebenso heiße Esskastanien… Aber Devotionalien kommen immer gut an.

Einen bestimmten Gegenstand allerdings findet man immer:

Den Lulaw-Strauß

(den man sich aber meist selbst „zusammenbauen“ muss).

Falls es entgegen aller Wahrscheinlichkeiten zu Sukkot langweilig wird, kann man die Lulaw-Bestandteile nehmen und sich als Fruchtbarkeitsgott verkleiden

Da ich davon ausgehe, dass einige meiner Leser eine christliche Herkunft haben, versuche ich den Lulaw-Strauß mit christlichen Ritus-Gegenständen zu vergleichen. Am ehesten geht das mit den Palmkatzerln (Blüten der Saalweide), wie sie in Österreich zu Ostern üblich sind. Nur… hinkt dieser Vergleich etwas.

Während die im Katholizismus verwendeten Palmkätzchen an den Einzug Jeschuahs in Jerusalem erinnern hat der Lulaw mit ihm einzig gemein, dass es ein Strauß ist, ein Teil von ihm ebenfalls von einer Weide stammt und dass man damit zumindest manchmal herumläuft.

Aber… was ist eigentlich ein „Lulaw“?

Der Lulaw besteht aus vier verschiedenen Arten bei denen jedem Bestandteil eine Bedeutung innewohnt:

  1. Der Etrog

    Die Etrogim werden meist unreif gekauft, um sie daheim nachreifen zu lassen

    1. Dabei handelt es sich um eine Zitrusfrucht, die wahrscheinlich eine sehr alte Sorte ist und daher über keine nennenswerte Kultivierung verfügt (Dazu später)
    2. Der Etrog hat Geruch und Aroma und symbolisiert damit die Juden, die sowohl die Tora studieren, als auch Gutes tun
  2. Ein Palmzweig (Lulaw)
    1. Dieser erinnert an die Wohlschmeckenden

      Lulaw: Der Palmzweig

      Datteln einer Palme

    2. Die Datteln haben Aroma, jedoch erfreut sich der Zweig keines besonders interessanten Geruchs und steht somit für die Juden, die zwar die Tora studieren, aber keine guten Taten zu verzeichnen haben
  3. Drei Myrtezweige (Hadassim)
    1. Der Myrtestrauch stammt von einer in der Mittelmeerregion vorkommenden Pflanze
    2. Dass die Zweige über einen interessanten Wohlgeruch verfügen – das kann ich selbst bezeugen. Ob sie jedoch beim Verzehr ein Aroma entfalten sei dahingestellt… (Dies kann ich auf Wunsch gerne einmal nachprüfen) Daher symbolisieren sie jene Juden, die keine Tora-Kenntnisse haben, aber gute Taten vollbringen
  4. Drei Bachweidenzweige (Arawot)
    1. Bachweidenzweige liegen bei den Märkten meistens zuhauf in Kisten unter den Tischen
    2. Sie haben weder Geruch noch Aroma und sind stellvertretend für Juden, die weder die Tora kennen, noch relevante gute Taten vollbracht haben.

Lulaw, Hassadim und Arawot bindet man zusammen und hält sie in der rechten Hand, den Etrog in der Linken – man spricht ein Gebet und schüttelt den Strauß in sechs Richtungen (Norden, Süden, Osten, Westen, Oben und Unten).

Doch warum besteht der Strauch nicht nur aus einem Etrog? Die Antwort ist recht einfach: Weil das jüdische Volk nicht nur aus Etrogim besteht. Nicht jeder studiert die Tora und es finden sich auch Bachweidenzweige unter den Juden – aber man ist ein Volk und nur mit allen vier Elementen wird man eine Einheit.