Hallo liebe Freundinnen und Freunde der Regenbogenkombüse,
kennen Sie auch dieses Gefühl? Sie werden mit einem Bild, mit einem Geruch oder auch einem Geschmackserlebnis konfrontiert und urplötzlich drängen sich schön längst verschüttet geglaubte Kindheitserinnerungen wieder an die Oberfläche Ihres jetzigen, älteren Ichs.
Ganz genauso ging es mir am Freitagnachmittag. Eins unserer Nachbarkinder erzählte mir, dass es bei ihm zuhause gerade frische Waffeln gegeben hätte. Ich beugte mich ein wenig zu dem betreffenden Kind hinunter und glaubte sofort, das Aroma von in heißer Butter gebackenem Teig, von Zucker und einer Spur Vanille zu erhaschen. Was de facto eine Sinnestäuschung sein musste, weil ich weiß, dass die Mutter des betreffenden Kindes sehr darauf achtet, dass nach dem Essen ausgiebig die Zahnbürste benutzt wird!
Zum Mittagessen damals bei Oma Paula
Trotzdem, das Bild von frisch gebackenen Waffeln ließ mich den ganzen Tag nicht mehr los. Mein Magen, den ich momentan auf leichte (vegane) Kost setze, grummelte. Erinnerungen stiegen in mir auf: Wenn ich als Kind nach der Schule nicht nach Hause, sondern mit dem Fahrrad zu meiner Oma fuhr, wartete stets ein extra für mich gekochtes Mittagessen mit anschließendem Nachtisch auf mich.
Meist gab es dick panierte Schnitzel mit Petersilienkartoffeln. Oder in Butter geschwenkte, hausgemachte Bandnudeln. Dazu Kopfsalat, der mit einer Soße aus Sahne, Zucker, Salz, Pfeffer und Zitronensaft angemacht wurde. Eine etwas eigenwillige, aber dennoch schmackhafte Kombination, die ich heute, in Zeiten der low-fat Dressings, nirgendwo mehr antreffe. Die Krönung war jedoch immer der Nachtisch. Meist besorgte meine Oma eine Familienpackung Fürst-Pückler-Eis, die sie mir mit sichtlichem Großmutterstolz vorsetzte. Sie war immer ein wenig (auch, weil sie kein Tiefkühlfach, geschweige denn eine Tiefkühltruhe hatte) enttäuscht, wenn ich spätestens bei der Hälfte der Familienpackung streikte. Weil sie es immer so besonders gut mit mir meinte, habe ich mich nie getraut, meiner Oma zu beichten, dass ich Fürst-Pückler-Eis eigentich gar nicht so gern mag….
Frisch gebackene Waffeln nach Großmutterart
An manchen Tagen, wenn die Schnitzel nicht so üppig ausfielen, wurde erst in dem großen Waschbecken in der Küche, das morgens und abends auch als einzige Waschgelegenheit diente (ja, das und ein Gemeinschaftsklo ein halbes Stockwerk tiefer gab es noch, in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Ruhrgebiet), das Geschirr gespült. Dann zündete sich Oma Paula genussvoll eine Zigarette an (sie wurde übrigens trotz der Schnitzel, Sahne und Zigaretten fast 90 Jahre), legte die Füße hoch und erzählte mir immer, dass ihr einziger Sohn, also mein Onkel, eigentlich viel lieber Koch als Mechaniker geworden wäre. Nun, vielleicht ist meine Leidenschaft für gutes Essen und Kochen ja doch genetisch bedingt?!?
Wenn die Zigarette und meist noch eine folgende aufgeraucht war, stand Oma Paula energisch aus ihrem bequemen Ohrensessel auf. Sie ging zum Buffetschrank und gab aus den, in den Schrank integrierten Glasschütten, für die man heute im Antiquitätengeschäft ein kleines Vermögen zahlt, Mehl und Zucker in eine Rührschüssel. Dazu kamen Milch, Eier und Butter aus dem Kühlschrank. All dies wurde mit der Hand zu einem cremigen, leicht flüssigen Teig verarbeitet. Dann wurde das schwere, gusseiserne Waffeleisen angeheizt. Als dies leicht zu qualmen begann, nahm Oma Paula eine dicke, gelblich glitzernde Speckschwarte aus dem Kühlschrank und rieb die Backflächen damit energisch ein. Es zischte und brutzelte und ich wurde immer gewarnt, mich vom heißen Waffeleisen fern zu halten. Als nächstes verteilte Omal Paula eine Schöpfkelle Teig auf der geriffelten Backfläche und klappte das Waffeleisen energisch zu. Dann zählte sie – laut – bis dreißig. Bei einundreißig klappte sie das Waffeleisen schwungvoll auf, griff nach einer Gabel und verfrachtete die perfekt gebräunte und herrlich duftende Waffel auf einen Teller. Zum Schluss gab sie noch eine dicke Schicht Puderzucker auf die Waffel und schob den Teller zu mir hinüber.
Der erste Biss in die köstliche süße Waffel war einfach nur himmlisch. Noch heute erinnere ich mich daran, wie ich den Puderzucker von der Oberlippe mit dem Handrücken abwischte. Oma Paula, ich danke dir!
Irgendwann verschwand Oma Paula aus meinem Leben. Und mit ihr nicht nur die Liebe, die sie mir stets bedingungslos entgegenbrachte, sondern auch die Waffeln. Als Studentin bekam ich für das Abonnement einer Zeitung ein Waffeleisen als Werbegeschenk. Manchmal buken wir zuerst in der Studentenbude, später auch in der ersten richtigen eigenen Wohnung Waffeln. Aber es war nicht mehr dasselbe.
Ich “erbacke” mir ein Stück Kindheit
Am Samstag kramte ich das Waffeleisen, das inzwischen von Ostwestfalen, nach Freiburg, nach Leipzig und in den Odenwald mit umgezogen ist, aus seinem Versteck in einem hohen Küchenschrank hervor. Prüfte, obe es technisch noch einwandfrei wäre. Als sich dies bestätigte, rührte ich einen Waffelteig an. Allerdings ohne Eier und ohne Kuhmilch. Statt Weizenmehl verwendete ich Dinkelmehl. Und die Specksparte, nun die ist – bitte verzeih mir Oma Paula - in meinem Kühlschrank sowieso nicht zu finden!
Dann fettete ich die Backflächen des Waffeleisens mit etwas Margarine ein. Gab anderthalb kleine Schöpfkellen an Teig auf die untere Backfläche. Klappte das Waffeleisen energisch zu. Schickte ein Stoßgebet zum Himmel, von dem Omal Paula mit Sicherheit lächelnd und mit einer Zigarette in der Hand auf mich herunterschaute. Dann zählte ich bis dreißig!
Als ich den Deckel des Waffeleisens öffnete, lag ein perfekt gebräunte, herrlich duftende Waffel vor mir. Schnell stäubte ich ein wenig Puderzucker darüber und biss herein. Und da war ich meiner Oma plötzlich wieder so nah, wie schon lange nicht mehr.
Vegane Bananen-Zimt-Waffeln (für ca. 6 Stück)
Ich bin mir sicher, dass meine Oma Paula sich freuen würden, wenn auch Sie Ihr Waffeleisen anheizen würden! Und nicht vergessen, bis dreißig zu zählen!
Ihre Heike Kügler-Anger