Und, ja - ich deutete es schon an - die Umstellung fiel mir nicht sofort leicht. Die Pension Aretoussa in Pitsidia ist ein wirklich gastlicher Ort und die kretisch-deutsche Betreiberfamilie um viele Kleinigkeiten bemüht, die einen Aufenthalt angenehm machen. Besonders Wirtin Kerstin beindruckt mit einer Mischung aus präziser Aufmerksamkeit und gelassener Heiterkeit. Es gibt Sonnenschirme kostenlos, zum Mitnehmen an den Strand, und eine umfangreiche Bibliothek. Köstliches, phantasievolles Frühstück und eine Zimmereinrichtung mit vielen liebevollen Details. Pitsidia ist ein verwinkeltes, heimeliges Vorzeigedörfchen wie es im Buche steht. Am Platz werden Abends Musikinstrumente in fähige Hände genommen, Urlaubsstimmung pur.
Wie kann die Alleinreisende da verstimmt sein? Gut, ein bisschen Milatos-Liebeskummer, den hatte ich schon bei der Abreise dort. Gegen meine große Freizügigkeit dort kam mir das Leben in einer Pension, so wunderbar sie ist, ein wenig vor wie betreutes Wohnen. Umgeben von Paaren und Gruppen aus deutschen Landen kam ich mir seltsam vor, seltsamer als dort, wo einfach kaum andere Touristen waren und wenn, dann vielleicht auch nur Sonderlinge. Hier im Süden Toskana-Feeling, man kommt individualreisend, aber nicht allein, es gibt viel Kunsthandwerk und Biodynamisches, Yoga und Esoterik. Gehobene Crossover-Küche. Und man spricht deutsch!
Weniger die Eitelkeit, so ganz anders zu sein, sondern der Wunsch, weg zu sein von dort, wo einem zuvieles bekannt vorkommt, ließ mich Orte im Abseits aufsuchen, die nicht oder nur ganz knapp erwähnt im Reiseführer stehen.
Ein bisschen Wegelagerei hinter vielen Serpentinen: Kaloi Limenes
Die Entfernung hinunter ans Meer sieht in der Luftlinie kurz aus, aber der Blick auf die Karte zeigt schmale Schleifen als Straße. Es dauert, sich in endlosen Kurven hinunter nach Kaloi Limenes zu winden. Der Blick geht erst zum Schluss auf einen fast leeren Strand, einige provisorisch wirkende Buden, ein paar Camping-Wagen. Wer Hippies sucht, findet sie wohl eher hier, aber ich glaube es sind keine der Mátala-Art, es sind Griechen, die hier ihre Provisorien eingerichtet haben. Hungrig setzte ich mich an einen Tisch, ich bin auf jeden Fall die einzige Fremde, es ist schwer sich zu verständigen, es wird hier kaum englisch gesprochen. Es gibt Souvlaki, das ist verlässlich. Ich hingegen scheine ein wenig zu irritieren, nur der kleine Junge der Familie strahlt über die willkommene Abwechslung und will helfen, der Fremden ein Getränk zu bringen. Und die Fremde fremdelt ein wenig, und sie mag das, warum auch immer.
Am Strand ist es, wie ich es erst Recht mag: Verlassenes Mobiliar, das nicht fragt, wer es nutzen mag. Hier ausruhen, das Wasser testen und noch mehr zur Ruhe kommen. Nicht verschwiegen werden darf, dass dem Strand eine kleine Insel vorgelagert ist, auf der Öltanks thronen, eine plötzliche Industriekulisse im Bildausschnitt. Ich halte Blick und Kamera einfach in andere Richtungen.
Endlich lande ich in Zaros mit seinem Süßwassersee, einer absoluten Seltenheit in hiesigen Gefilden. Ausgerechnet hier hat meine Kamera keinen Saft mehr (Sowas darf eigentlich nicht passieren...), aber Bilder und Infos gibt´s ja zum Glück auch anderswo. Zaros ist ein hübscher Ort, in dem ein wenig Leben herrscht, es gibt Tavernen und kleine Lädchen. Auch Griechen schätzen Zaros als Ausflugsort, wegen dieser Seltenheit mit dem Süßwasser, das zur Forellenzucht genutzt wird. Ich lasse es mir nicht nehmen, in der Taverne Oasis im Ort Platz zu nehmen und eine Forelle zu ordern. Sie ist putzig klein und, wie hierzulande häufiger mal, wenn etwas vom Rost kommt, teilweise kross schwarz. Ach, ich genieße das alles ... auch die ausgelassenen griechischen Gäste am Nebentisch, aber Forelle Müllerin ist vielleicht doch keine typische griechische Spezialität...
Nordwestlich von Mátala aus die Küste entlang geht es nach Agia Galini, ein Ort dessen Besuch allenthalben empfohlen wird. Ich komme dort nie an, weil ich auf dem Weg dorthin das Hafenstädtchen Kokkinos Pyrgos finde - und endgültig einen Traumstrand fast ganz für mich. Es scheint hier etwas windiger zu sein als in der Bucht von Mátala, aber vielleicht ist es auch die Tagesform des Wetters. Jedenfalls wirkt hier alles schon ein wenig geisterhaft, die herrliche Kulisse und natürlich Sonnenschirme und -liegen, verwaist, gehören mir ganz alleine. Ich erkläre diese Sonnenschirme zu meinen bisherigen Lieblings-Sonnenschirmen ever. Ich komme sogar noch ein zweites Mal wieder, finde am Ortsausgang einen Garten und ein kühles Mythos. Hier wird viel gestritten unter den Wirtsleuten, auf griechisch. Ich verstehe zum Glück kein Wort. Mich zieht es wieder an den Strand. Ja, ich empfinde wahrhafte Geborgenheit, wenn mich eine herrliche Landschaft und ein lauer Wind einhüllen in meiner einsamen Auszeit. Morgens und abends treffe ich ohnehin Menschen...
Essen gehen in Pitsidia: Ich lernte zwei Lokale kennen und die waren ganz verschieden.
Einmal das Raftis, in dem man in einem wunderschönen Garten sitzt und isst. Wie in der Toskana (ich kann´s nicht lassen). Griechisch die Zutaten, crossover fein und schick die Zubereitung. Sehr nettes Personal. Irgendwie nichts für mich als Alleinreisende. Ich fühlte mich unzugehörig zwischen Deutschen im gehobenen Alternativlook, kunsthandwerkliche Riesenketten über Leinendress für die Dame, outdoor-Zwirn für den gehobenen Geldbeutel für den Herrn. Ich lästere, sorry, dabei ist der Garten wirklich sehr, sehr schön und das Essen, wenn man Abstand von souvlaki braucht, ganz fein. Ein bisschen wie in Frankfurt halt:-)
Und dann Anna und Alex, eine Taverne, die leicht zurückgesetzt an der Hauptstraße nach Mátala liegt. Spezialisiert auf Gyros und Gyros und noch mal Gyros (obwohl ich den in der NoNameBar in Milatos saftiger fand...) Außerdem tolle Tagesgerichte wie Krabben-Saganaki, traumzartes Stifado oder Fisch in Zitronensauce. Man sollte nehmen, was Anna in akzentfreiem Deutsch (sie hat in Lübeck gelebt) als Tagesgericht, von Alex gekocht, empfiehlt. Und sie manövriert hier bodenständig-köstliches heiter zwischen Urlauber*innen und Einheimischen auf die Tische. Auf dieser Terrasse mischt es sich in aller Unkompliziertheit und bei günstigem, leckerem Rotwein.
Weiterlesen: Ich empfehle den Artikel Aktives, erholsames Kreta von Paula Parkvogel. Sie hat u.a. auch eine Tour in die Schluchten Süd-Kretas unternommen. Das habe ich nicht getan, das bleibt auf dem Zettel.
Ach ja, zum Thema Hinkommen: Nicht schwer. Wer runter in die Messara-Ebene fährt, kommt wohl nahezu immer über die gut ausgebaute Straße von Heraklion. Es nicht weit und nicht wild und mir gefiel die Strecke. Einzige Rätselaufgabe: In Heraklion ist der Weg nach Süden verdammt schlecht ausgeschildert. Ich kam ja vom Nordosten und rund um Heraklion hatte ich ordentlich rum zu kurven, wegen nix kapier. Ausgerechnet in der Hauptstadt verstärkt sich der Rätselsport dadurch, dass die meisten Schilder strikt in griechischen Buchstaben gehalten sind. Wer dann versucht. Mátala zu entziffern, hat Pech gehabt und dreht Extrarunden wie ich. Mires (Μοίρες) ist als Kreisstadt im Süden ausgeschildert. Und dort lernt man dann auch endgültig Autofahren auf kretisch: Die Straßen sind zugeparkt und voller geschäftiger Menschen, eigentlich unmöglich hier locker zweispurig durchzukommen. Die Devise lautet dennoch: Langsam fahren darfst Du immer, anhalten nimmer. Irgendwie drückt sich alles im Millimeterabstand mit zahlreichen Gesten aneinander vorbei. Wer schlapp macht und stoppt hingegen, erntet sein Hupkonzert. Zwischen Heraklion und Mires und nach Mires weiter ist alles ganz easy, Fenster auf, Musik an, laut mitsingen und glücklich sein. Ein roadtrip auf Kreta (und zwar ein viel ausführlicher als dieses Mal) ist sehr gut machbar.